EU-Beitrittsverhandlungen:Erdogan: So nicht!

Ankara ist mit dem Angebot der EU nicht einverstanden: Zwar soll von Oktober 2005 an mit der Türkei verhandelt werden - jedoch nur, wenn diese sich dazu durchringt, vorher EU-Mitglied Zypern diplomatisch anzuerkennen. Es wird also weiter verhandelt.

Die EU will am 3. Oktober nächsten Jahres Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufnehmen, allerdings unter dem Vorbehalt, dass die türkische Regierung das EU-Mitglied Republik Zypern bis dahin zumindest de facto anerkennt.

Das fällt Ankara allerdings nicht leicht. Denn: Im April hatte die Bevölkerung Zyperns über einen von UN-Generalsekretär Kofi Annan unterbreiteten Plan zur Wiedervereinigung der geteilten Insel abgestimmt.

Der türkische Norden, der international nur von der Türkei als unabhängiges Land anerkannt wird, stimmte zu. Doch der Annan-Plan scheiterte an der Ablehung der griechischen Bevölkerungsgruppe in der international anerkannten Republik Zypern im Süden.

Deshalb war die Republik am 1. Mai ohne den Nordteil der Europäischen Union beigetreten.

Die Türkei verweigert der Republik jedoch weiterhin die diplomatische Anerkennung und schloss einen Rückzug der türkischen Truppen von der Insel aus.

Daraufhin drohte EU-Neumitglied Zypern mit einem Veto gegen die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

Wie die EU jetzt in Brüssel festgelegt hat, soll die Türkei noch vor den Beitrittsgesprächen im Oktober 2005 die Beteiligung des EU-Mitglieds Zypern an der europäisch-türkischen Zollunion akzeptieren. Das würde immerhin eine indirekte Anerkennung Zyperns bedeuten.

Eine Paraphierung des Protokolls zur Zollunion soll laut Entwurf der Schlusserklärung noch an diesem Freitag erfolgen, noch während des EU-Gipfels soll der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan eine entsprechende Erklärung abgeben.

Ankara passt das nicht. Es "sieht nicht wie ein Dokument aus, das unterzeichnet werden kann", sagte ein türkischer Diplomat.

Javier Solana, außenpolitischer Beauftragte der EU, erklärte jedoch, niemand könne sich einer Familie anschließen ohne deren Mitglieder anzuerkennen. Gespräche mit 24 von 25 EU-Mitgliedern machen schließlich wenig Sinn.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan äußerte sich nach einem ersten Treffen mit dem niederländischen Ratspräsidenten Jan Peter Balkenende in der Nacht zurückhaltend.

Laut einem Bericht des türkischen Fernsehsenders NTV machte Erdogan der EU schwere Vorwürfe. Für die Europäische Union seien die 600.000 Bewohner der griechischen Teils Zyperns wichtiger als 70 Millionen Türken.

Balkenende traf am Morgen erneut mit dem Erdogan zusammen. Im Anschluss beriet er sich in Einzelgesprächen mit den EU-Regierungschefs.

Der britische Außenminister Jack Straw sagte dem Nachrichtensender BBC es sei nicht klar, ob die Türkei die Bedingungen der EU akzeptiere.

Bundeskanzler Schröder sagte dagegen am Freitagvormittag: "Ich hoffe sehr, dass wir heute die letzten Barrieren aus dem Weg räumen können." Dies gelte vor allem angesichts der Tatsache, dass in den Kernfragen in der Nacht eine Verständigung erreicht worden sei.

Die Republik Zypern ist seit 1960 unabhängig. Türkische Zyprer zogen sich nach und nach in Enklaven im Nordteil der Insel zurück und erichteten dort eigene provisorische Verwaltungen.

Als griechische Nationalisten 1974 gegen den Präsidenten Makrios putschten, schickte die Türkei aus Sorge vor einem Anschluss an Griechenland Truppen in den Nordteil der Insel. Seitdem ist Zypern geteilt. 1983 riefen die türkischsprachigen Zyprer die Türkische Republik.

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