EU-Außenministertreffen zum Syrien-Konflikt:Kaum noch ernst genommen

BELGIUM-EU-FOREIGN AFFAIRS

Keine gemeinsame Linie: Die Außenminister José Manuel Garcia Margallo aus Spanien, Didier Reynders aus Belgien, Jean Asselborn aus Luxemburg und der Franzose Laurent Fabius (v.l.)

(Foto: AFP)

Die EU verspielt mit dem Streit über die Syrien-Politik ihren Einfluss. Zu unterschiedlich sind die Ansichten der Mitgliedsländer, als dass die Staatengemeinschaft von den USA oder Russland als gleichwertiger Verhandlungspartner wahrgenommen würde.

Von Martin Winter, Brüssel

Das werde, schwante dem deutschen Außenminister Guido Westerwelle ein "schwieriger Verhandlungstag". Was die Sache ziemlich genau traf. Denn während der Aufstand in Syrien militärisch ins Stocken geraten ist, das Eingreifen der libanesischen Hisbollah einen regionalen Waffengang auszulösen droht und die USA und Russland eine Syrien-Konferenz in Genf vorbereiten, sucht die Europäische Union verzweifelt nach einer gemeinsamen Syrien-Politik.

"In Genf haben wir nur Gewicht, wenn wir mit einer Stimme sprechen", mahnte Jean Asselborn, Luxemburgs Außenminister und gegenwärtig Mitglied des Sicherheitsrates der UN zum Auftakt der Beratungen der EU-Außenminister am Montag. Dabei ging es um die Erneuerung der Sanktionen und des Waffenembargos, die am Freitag auslaufen.

Doch seine Warnung dürfte zu spät kommen. Schon jetzt wird die EU beim Thema Syrien kaum noch ernst genommen. Wie wenig, das erfuhren die Europäer kürzlich schmerzhaft, als Washington und Moskau die geplante Konferenz in Genf verabredeten und gar nicht erst auf den Gedanken kamen, Europa als dritten Vermittler an den Tisch zu bitten.

Dass es so weit gekommen ist, hat sich die EU selber zuzuschreiben. Sie ist sich zwar einig, dass Diktator Baschar al-Assad weg und die Demokratie in Syrien auf den Weg gebracht werden muss. Doch wie das gehen soll, darüber streitet sie sich seit November.

Vorbei mit der Einigkeit

Mit dem damaligen Vorstoß aus Paris und London, das Waffenembargo gegen Syrien zugunsten der Aufständischen aufzuheben, war es mit der bisherigen Einigkeit über die Sanktionspolitik vorbei. Seitdem ist die EU vor allem damit beschäftigt, ihren inneren Konflikt unter Kontrolle zu bringen.

Es stehen sich zwei Positionen gegenüber: Einige Länder wie Frankreich oder Großbritannien glauben, dass das Aufrüsten der Aufständischen den Krieg verkürzt, weil die dann eine Chance hätten, die syrische Armee zurückzuwerfen. Assad, sagte der britische Außenminister William Hague, müsse auf diesem Wege "ein deutliches Signal erhalten, dass er verhandeln muss".

Andere, unter ihnen Deutsche, Schweden, oder Tschechen glauben nicht an die Wirkung von noch mehr Waffen. Sie fürchten eher eine Verlängerung und vor allem Ausweitung des Krieges. Österreichs Außenminister Michael Spindelegger sagt, das Wichtigste sei es, "dass das Waffenembargo nicht ausläuft". Und Prag lehnt Waffen an die Aufständischen ab, weil es Israel in Gefahr sieht, wenn unkalkulierbare Gruppen vom Westen aufgerüstet werden.

Dass der Streit über das Waffenembargo vergleichsweise verbissen und ohne Rücksicht auf die Wirkung geführt wird, die er nach außen hat, erklären Diplomaten damit, dass die EU-Staaten in ihren außenpolitischen Grundlinien, also etwa wenn es um die Rolle militärischer Mittel bei der internationalen Krisenbewältigung geht, eben "immer noch sehr weit auseinanderliegen". Ginge es nur um das Waffenembargo gegen Syrien, wäre dieser Streit so nicht recht nachvollziehbar.

Jenseits des politischen Schlachtenlärms

Denn jenseits des politischen Schlachtenlärms ist es durchaus nicht ausgemacht, dass London oder Paris schon Waffenlieferungen für die Aufständischen bereithalten. Auch Briten und Franzosen unterschätzen die Gefahr nicht, dass diese Waffen in die Hände von Terroristen und Islamisten geraten könnten. Diese Furcht verbindet sie mit allen anderen EU-Staaten.

Ohne Garantien aber, dass die gelieferten Waffen nur von moderaten Aufständischen benutzt werden und in deren Besitz bleiben, wird kaum jemand Waffen liefern. Weder David Cameron noch François Hollande dürften das Risiko eingehen wollen, dass britische Luftabwehrraketen oder französische Panzerfäuste eines Tages im Kampf von Islamisten gegen Israel auftauchen. Angesichts der Zerstrittenheit der Aufständischen aber und des immer geringeren Einflusses der Moderaten halten es Militärexperten bei der Nato wie bei der EU für unmöglich, Gebrauch und Verbleib der Waffen unter Kontrolle zu halten.

Eine weitere Hürde für einen regen Waffenfluss in die befreiten Gebiete Syriens findet sich in der EU selber. Vor fünf Jahren haben sich die EU-Staaten auf gemeinsame Regeln "für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern" geeinigt. Diese haben faktisch Gesetzeskraft. Darin werden acht Kriterien ausbuchstabiert, die ein Land prüfen muss, bevor es militärisches Material ausführt.

So verpflichten sich die Länder etwa, keine Waffen zu liefern, wenn "die im Endbestimmungsland bewaffnete Konflikte auslösen beziehungsweise verlängern würden". Außerdem müssen die exportwilligen Länder prüfen, ob das Risiko besteht, "dass solche Technologie oder solche Güter zu terroristischen Vereinigungen oder einzelnen Terroristen umgeleitet werden". Schon allein diese beiden Punkte dürften Waffenlieferungen stark einschränken. Das wissen auch die Briten.

Aber vielleicht geht es ihnen ja, wie sie gelegentlich sagen, nur darum, im Fall der Fälle flexibel mit Waffenlieferungen reagieren zu können. Dieser Fall ist der Sturz Assads. Was danach kommt, wird sich nicht zuletzt daran entscheiden, ob der von der EU unterstützte syrische Nationalkongress in der Lage ist, Fundamentalisten und Terroristen militärisch niederzuhalten.

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