EU-Außenminister:EU drängt Palästinenser zu Einheitsregierung

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Die EU-Staaten appellieren an Fatah und Hamas, gemeinsam auf Frieden hinzuarbeiten. Auf der Agenda des Treffens in Brüssel: das Schicksal der Guantanamo-Häftlinge.

Die Außenminister der 27 EU-Staaten haben die rivalisierenden Palästinensergruppen Fatah und Hamas zur Versöhnung und Bildung einer Einheitsregierung aufgerufen. Aus Sicht der Europäischen Union sei eine palästinensische Einheitsregierung unter Präsident Mahmud Abbas entscheidend, um Fortschritte im Friedensprozess zu erzielen, sagte Tschechiens Außenminister Karel Schwarzenberg, dessen Land gegenwärtig den EU-Ratsvorsitz innehat, am Sonntag in Brüssel.

Pressekonferenz in Brüssel (Foto: Foto: AP)

Die Regierung von Fatah-Chef Mahmud Abbas beharrt auf ihrem Anspruch, für sämtliche Palästinenser im Westjordanland und im Gaza-Streifen zu sprechen. Nach einem Treffen mit den EU-Außenministern sagte der Außenminister der Palästinenserbehörde, Riad Malki, die Abbas-Regierung sei unter ägyptischer Vermittlung auch weiterhin zu "nationaler Versöhnung" mit der im Gaza-Streifen herrschenden radikal-islamischen Hamas bereit. Sie betrachte sich jedoch "als die einzig legitime Autorität auch in Gaza".

Die Hamas hatte 2007 im Gaza-Streifen gewaltsam die Macht von der Palästinenserbehörde von Präsident Abbas übernommen. Die EU-Außenminister versicherten Malki, die Europäische Union sehe derzeit in der Palästinenserbehörde die einzig legitime Vertretung der Palästinenser. "Wenn die Hamas sich änderte und der Terror aufgäbe, dann gäbe es auch eine Möglichkeit zu direkten Gesprächen", sagte der derzeitige EU-Ratsvorsitzende Schwarzenberg. Er drängte auf eine Aussöhnung der Palästinensergruppen.

"Wenn diese Konsensregierung nicht zustande kommt, weiß ich nicht, wie wir aus dieser negativen Spirale herauskommen", betonte Schwarzenbergs luxemburgischer Kollege Jean Asselborn. "Die Wiedervereinigung des palästinensischen Volkes und eine einzige Stimme, die sowohl für das Westjordanland als auch für den Gaza-Streifen spricht, sind unbedingt nötig", sagte auch der britische Außenminister David Miliband.

Ägypten rief die EU indes auf, im Gaza-Streifen rasch Wiederaufbauhilfe zu leisten. Dazu solle bis Ende Februar eine internationale Geberkonferenz abgehalten werden, sagte der ägyptische Außenminister Ahmed Abul Gheit, der ebenfalls an den Gesprächen in Brüssel teilnahm.

Eine palästinensische Einheitsregierung solle anschließend über die Verwendung der Gelder verfügen, sagte Gheit. Mit Blick auf die Wiederaufbaubemühungen fügte Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner hinzu, die EU würde es gerne sehen, dass sich Israel daran beteilige. Schwarzenberg forderte zudem, die Grenzübergänge in den Gaza-Streifen auf einer "regulären und berechenbaren Basis" offenzuhalten.

Hamas zur Waffenruhe von höchstens 18 Monaten bereit

Indes erklärte sich die Hamas eine Woche nach dem Ende der israelischen Offensive zu einer Waffenruhe von maximal 18 Monaten bereit. Der Hamas-Vertreter Aiman Taha sagte dem Nachrichtensender Al-Arabija am Sonntag in Kairo, einer unbefristeten Waffenruhe werde man jedoch nicht zustimmen.

Mitglieder einer Delegation von Hamas und anderen Fraktionen der Palästinenser hatten sich zuvor in Kairo mit ägyptischen Vertretern getroffen. Bislang hatten Hamas-Repräsentanten gesagt, sie wollten eine Waffenruhe von höchstens einem Jahr.

Israel hat eine einseitige Waffenruhe ausgerufen und strebt einen dauerhaften Waffenstillstand an. Am Sonntag lief die Frist von einer Woche ab, die Hamas zunächst für eine Waffenruhe mit Israel genannt hatte. Bedingung war der Abzug aller israelischen Truppen aus dem Gaza-Streifen innerhalb dieses Zeitraums. Israel hat inzwischen alle Bodentruppen aus dem Palästinensergebiet abgezogen.

Abbas' Außenminister Riad el Malki sagte, der Gaza-Streifen benötige nach der dreiwöchigen israelischen Militäroffensive täglich 800 Lastwagenladungen mit humanitärer Hilfe. Derzeit kämen am Tag wegen der israelischen Blockade nur etwa 150 Laster durch.

Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana wird voraussichtlich noch am heutigen Montag zu einem mehrtägigen Aufenthalt in den Nahen Osten reisen. Neben Israel und den Palästinensergebieten werde Solana auch Ägypten und Jordanien besuchen. Für Mittwoch wird der neue US-Nahostgesandte George Mitchell in Israel und dem Westjordanland erwartet.

EU diskutiert über Umgang mit Guantanamo-Häftlingen

Außer mit dem Problemen im Nahen Osten werden sich die EU-Außenminister heute auch mit dem Schicksal der Häftlinge im US-Gefangenenlager Guantanamo nach ihrer Entlassung befassen. Sie suchen nach einer gemeinsamen Haltung in dieser Frage. Es werden nach Angaben von Diplomaten jedoch keine Entscheidungen erwartet. Die Aufnahme von Häftlingen solle den einzelnen Staaten überlassen bleiben, doch seien EU-Hilfen für die Wiedereingliederung denkbar.

Nach einem Bericht des Spiegel haben französische Diplomaten in allen EU-Hauptstädten ein Konzept zur Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen verteilt. Es gehe dabei um etwa 60 Personen, die von den US-Militärbehörden als unschuldig eingestuft werden, aber nicht in ihre Heimat zurückkehren können, weil ihnen dort weitere Verfolgung oder Folter drohen.

Schäuble und Steinmeier geben sich versöhnlich

Das Thema sorgt auch in Deutschland seit Wochen für starke Differenzen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) signalisierte inzwischen Kompromissbereitschaft. "Wenn es jemanden gibt, wo man konkret sagen kann, der kann nicht aus Gründen, die man nachvollziehen kann, in Amerika bleiben, dann wird man darüber reden können", sagte er am Sonntagabend in der ARD. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gab sich versöhnlich. Es gehe "um eines ganz gewiss nicht: Terroristen hierher zu holen", sagte er im ZDF.

Die Aufnahme von Unschuldigen sei aber "eine Frage der Glaubwürdigkeit", fügte Steinmeier hinzu. "Darum habe ich mich öffentlich zu Wort gemeldet, ohne dem Innenminister seine Zuständigkeit zu nehmen." Schäuble hatte Steinmeier nach dessen Angebot, die Aufnahme von Häftlingen zu prüfen, deutlich auf seine Zuständigkeit hingewiesen. Steinmeier sagte aber auch: "Das ist keine Frage, wo der Außenminister nicht etwa eine Position haben sollte." Beide Minister wollen sich demnächst treffen, um ihren Streit beizulegen. "Wäre es denn wirklich zu verantworten, die Auflösung von Guantanamo daran scheitern zu lassen", fragte Steinmeier im Tagesspiegel am Sonntag.

Nach der vom neuen US-Präsidenten Barack Obama angekündigten Schließung des Lagers sieht auch der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle - wie Schäuble - die Verantwortung für die Aufnahme von Häftlingen zunächst bei den USA. In der ARD schränkte Westerwelle aber ebenfalls ein: "Dass wir auch im Einzelfall unsere Menschlichkeit nicht vergessen, versteht sich von selbst." Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf Schäuble wegen seiner bislang ablehnenden Haltung zur Häftlingsaufnahme "Menschenrechtsverachtung" vor. Es sei auch "beschämend", dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sich nicht in den Streit der beiden Minister einschalte, sagte sie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

© dpa/AP/Reuters/AFP/ihe/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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