Europäische Union:Deutschland besteht auf Patentschutz für Covid-Vakzine

Europäische Union: Als einzige Frau stand EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel auf dem Podium.

Als einzige Frau stand EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel auf dem Podium.

(Foto: Reuters)

Ein Gipfel der EU und der Afrikanischen Union soll das zuletzt belastete Verhältnis verbessern. Doch Kanzler Scholz muss sich Vorwürfe anhören, schnellere Impfkampagnen zu verhindern.

Von Björn Finke und Matthias Kolb, Brüssel

Die Frau steht ganz am Rand der Bühne im Pressesaal des Brüsseler Ratsgebäudes. Das wirkt nicht besonders höflich, ist aber den Hierarchien geschuldet: Am Freitagnachmittag präsentierten gleich fünf Spitzenpolitiker die Ergebnisse des Gipfeltreffens von EU und Afrikanischer Union (AU). Ratspräsident Charles Michel hatte sich als Gastgeber in der Mitte postiert, rechts und links von ihm folgten jeweils Präsidenten von Mitgliedstaaten und am Rande dann die Chefs der Behörden: der Vorsitzende der AU-Kommission sowie eben als einzige Frau Ursula von der Leyen, die EU-Kommissionspräsidentin.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union und 40 ihrer Amtskollegen aus Afrika diskutierten Donnerstag und Freitagvormittag darüber, wie beide Kontinente intensiver bei Wirtschafts-, Sicherheits- oder Gesundheitspolitik zusammenarbeiten können. Es war der sechste EU-AU-Gipfel, die Vorgängerveranstaltung hatte 2017 in der Elfenbeinküste stattgefunden. Die EU will damit ihre zuletzt manchmal belasteten Beziehungen zu Afrika verbessern und den Einfluss des Rivalen China zurückdrängen.

Einer der größten Streitpunkte war der Umgang mit Covid-Impfstoffpatenten. Die afrikanischen Regierungen wünschen sich, dass die EU ihre Forderungen nach einer Freigabe unterstützt. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa sagte am Freitag, es sei nicht akzeptabel, dass Afrika sich mit Blick auf Medikamente stets hinten anstellen müsse. Immerhin präsentierte die Weltgesundheitsorganisation WHO am Rande des Gipfels ein Projekt, bei dem in sechs afrikanischen Staaten, darunter Südafrika, patentfreier Impfstoff mit der modernen mRNA-Technologie gefertigt werden soll.

Die EU hingegen machte den afrikanischen Staaten keine konkreten Versprechen. Diplomaten hatten hinter den Kulissen lange über die entsprechende Formulierung in der Abschlusserklärung gerungen. Jetzt heißt es bloß, EU und AU würden sich "konstruktiv" für ein Abkommen bei der Welthandelsorganisation WTO einsetzen, das die Pandemie-Folgen bekämpfen und sich mit Fragen der Handelspolitik und des geistigen Eigentums beschäftigen soll. Trotz dieser eher nichtssagenden Formulierung nannte Senegals Präsident Macky Sall diese Ankündigung "ermutigend", als er bei der gemeinsamen Pressekonferenz auf der Bühne stand.

Scholz verteidigt geistiges Eigentum

Die Bundesregierung lehnt eine Patentfreigabe für Covid-Vakzine konsequent ab. Schließlich könnte dann jeder Hersteller weltweit die Technologie des Mainzer Pharmakonzerns Biontech nutzen, ohne dass er Lizenzgebühren zahlen oder Strafen befürchten müsste. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wies nach dem Gipfel Vorwürfe zurück, diese Blockadehaltung verhindere eine schnellere Impfkampagne in Afrika und anderen armen Regionen. Seine Regierung sei bei der Pandemiebekämpfung "ein zuverlässiger Partner" und werde ihren Teil dafür leisten, damit das Impfziel der WHO von 70 Prozent der Weltbevölkerung erreicht werde. Aber die Eigentumsrechte von Firmen müssten gewahrt bleiben, um Fortschritte nicht zu verspielen, sagte Scholz. Wichtig sei es, Produktionsmöglichkeiten vor Ort in Afrika zu schaffen, und hier engagiere sich die EU nun, wie auch die Aktivitäten von Biontech zeigten.

Scholz sagte zudem, er habe zahlreiche Gespräche mit afrikanischen Staats- und Regierungschefs geführt und gute Impulse für den deutschen Vorsitz der G7-Gruppe der wichtigsten Industriestaaten erhalten. Die Beziehungen zwischen der EU und der Afrikanischen Union seien "von strategischer Relevanz für beide Seiten". Die "großen Fragen unserer Zeit" wie Klimaschutz oder Migration ließen sich nur gemeinsam beantworten.

Die Ukraine-Krise beschäftigt auch die Afrikaner

Ratspräsident Michel sagte euphorisch, die Zusammenarbeit mit Afrika sei nun von einem "neuen ehrgeizigen Geist" beseelt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verlangte jedoch ganz nüchtern mehr Engagement bei Finanzhilfen. Da geht es um sogenannte Sonderziehungsrechte beim Internationalen Währungsfonds IWF. Das sind Milliardengelder, die den reichen Staaten zustehen, auf welche die Regierungen allerdings zugunsten armer Länder zum Teil verzichten sollen. Die Abschlusserklärung verweist darauf, dass einige EU-Staaten bislang Rechte für 13 Milliarden Dollar abgeben wollen - aber doch bitte mehr EU-Länder überlegen sollten, "zu dieser weltweiten Initiative beizutragen". Die Arbeit müsse hier fortgesetzt werden, sagte Macron.

Scholz und seine Delegation eilten am Nachmittag vorzeitig zum Flughafen, damit das Orkantief "Zeynep" die Rückreise nach Berlin nicht verhindert. Am Freitagabend wollte der Kanzler an einer Videokonferenz zur militärischen Aggression Russlands gegenüber der Ukraine teilnehmen, zu der US-Präsident Joe Biden eingeladen hatte. Scholz berichtete, dass auch viele afrikanische Staats- und Regierungschefs die Lage mit Sorge beobachteten: "Sie wünschen sich, dass die Versuche, die wir für eine Deeskalation unternehmen, Erfolg haben."

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