Estland:Luft nach oben

Die Europäische Union will den Rückstand bei der Digitalisierung aufholen. Ein vollendeter Binnenmarkt im digitalen Sektor soll jährlich 415 Milliarden Euro generieren.

Von Daniel Brössler, Tallinn

Die Staaten der Europäische Union wollen ihren Rückstand gegenüber anderen Regionen bei der Digitalisierung aufholen. Dazu bekannten sie sich am Freitag auf dem ersten Digital-Gipfel der EU in Tallinn. "Wir brauchen drei sehr konkrete Dinge: die richtige Infrastruktur, die richtigen Regeln und die richtige Einstellung", sagte der estnische Ministerpräsident Jüri Ratas, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Das kleine Estland gilt als Vorreiter der Digitalisierung in der EU. Europa sei "weit davon entfernt, Weltspitze zu sein", beklagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es gebe ein "hohes Maß an Dringlichkeit, den digitalen Binnenmarkt schnellstmöglich zu entwickeln". Beim Ausbau des 5G-Netzes für superschnelles Internet müssten kompatible Systeme zwischen den Staaten errichtet werden. Auch bei der künstlichen Intelligenz müssten die Ressourcen gebündelt werden. Die Mitgliedstaaten hätten die Schaffung eines digitalen Binnenmarktes bisher gebremst, kritisierte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die amtierende EU-Kommission habe dazu 24 Gesetzesvorschläge unterbreitet, von denen bislang nur sechs beschlossen worden seien. So koordinierten die EU-Staaten weder den Breitbandausbau noch hätten sie den Regeln für den grenzüberschreitenden Online-Handel harmonisiert. Positiv sei die Abschaffung der Roaming-Gebühren.

Nach Berechnungen der EU-Kommission würde ein vollendeter Binnenmarkt im digitalen Sektor 415 Milliarden Euro jährlich generieren. Bis 2025 rechnet die Kommission mit der Schaffung von 1,3 Millionen neuen Arbeitsplätzen. Besorgt ist sie, weil 44 Prozent der EU-Bürger zwischen 16 und 74 Jahren bisher nicht einmal über grundlegende "digitale" Fähigkeiten verfügen.

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