Eskalation vor dem Gipfel zur Euro-Krise:Athen verweigert Etat-Kontrolle

Zoff um weitere Hilfen für Griechenland kurz vor dem EU-Gipfel: Der Vorschlag, Athen vorübergehend unter die Verwaltung eines europäischen Kommissariats zu stellen, empört die Griechen. Die Kritik richtet sich vor allem gegen Deutschland.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Unmittelbar vor dem EU-Gipfel an diesem Montag eskaliert der Streit um weitere Hilfen für Griechenland. Die Regierung in Athen lehnt den Vorschlag ab, wegen der Schuldenkrise vorübergehend unter die Verwaltung eines europäischen Kommissariats gestellt zu werden.

Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos forderte, die Unabhängigkeit Griechenlands zu respektieren. Das Land werde die "historische Verpflichtung" erfüllen und alle Maßnahmen umsetzen, um die tiefe Krise zu überwinden, sagte er am Sonntag in Athen. Die Europäische Union basiere "auf dem Respekt der nationalen Souveränität und Würde". Unterdessen warb Ministerpräsident Lukas Papadimos bei den Parteien im Parlament um Unterstützung für weitere Reform-Entscheidungen.

Die Kritik richtet sich vor allem gegen Deutschland. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) forderte am Sonntag offen eine striktere internationale Kontrolle der Haushaltspolitik in Griechenland. "Wir brauchen bei der Umsetzung des Reformkurses mehr Führung und Überwachung von außen", sagte Rösler der Bild-Zeitung.

Dieser Vorschlag wird innerhalb der 17 Euro-Länder tatsächlich beraten. Einem internen Strategiepapier zufolge könnte der Euro-Klub nur dann ein zweites Hilfspaket für Griechenland schnüren, wenn Athen zuvor zwei Bedingungen erfüllte. So müsse die Regierung der Rückzahlung der Kredite Priorität vor allen anderen Haushaltsausgaben einräumen. Das griechische Parlament muss diesem Beschluss zustimmen. Nur so könne das Vertrauen der privaten und öffentlichen Kreditgeber zurückgewonnen werden, heißt es. Zudem müsse der Haushalt unter ein striktes Kontrollregime gestellt werden. Eine Art Staatskommissar, von der Euro-Gruppe eingesetzt, müsse mit einem Vetorecht ausgestattet die Ausgaben Griechenlands überwachen.

Hintergrund dieser in der Historie der Währungsunion einmaligen Forderung ist der neueste Bericht der Troika. Die Experten der Kreditgeber von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds werfen dem Land vor, die bereits zugesagten Reformen nicht wirklich umzusetzen. Allerdings ist genau dies Bedingung dafür, dass Athen eine weitere Finanzhilfe bekommt. Die Kreditgeber suchen nun nach Wegen, die Griechen zu zwingen, ihre Verpflichtungen einzuhalten.

Der Vorschlag des Staatskommissars ist allerdings umstritten. EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn will die Verantwortung für den Haushalt "auf den Schultern der griechischen Regierung" lassen, wie sein Sprecher sagte. Athen verhandelte auch am Wochenende mit den privaten Gläubigern um den Erlass von 100 Milliarden Euro Schulden. Wie in den vergangenen zwei Wochen hieß es, die Einigung sei nahe. Die Gespräche sollten weitergehen.

Unterdessen wurde bekannt, dass auch die Europäische Zentralbank (EZB) indirekt an den Hilfen beteiligt werden könnte. Man prüfe, ob der provisorische Euro-Rettungsfonds EFSF die von der EZB gehaltenen griechischen Staatsanleihen kaufen könne. Damit käme der erwartete Gewinn von etwa zwölf Milliarden Euro Athen zugute.

Die dramatische Entwicklung Griechenlands steht nicht auf der offiziellen Tagesordnung des eintägigen Gipfels, des ersten Treffens dieser Art 2012. Diplomaten gehen allerdings davon aus, dass die Lage besprochen wird. Daneben wollen die Staats- und Regierungschefs Entscheidungen für mehr Wachstum und Beschäftigung herbeiführen sowie den Euro-Rettungsfonds ESM und den Fiskalpakt beschließen.

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