Eskalation in Gaza:Ban beklagt "unerträglich" hohe Totenzahl

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Während sich israelische Truppen immer weiter ins Zentrum von Gaza-Stadt vorkämpfen und sogar ein UN-Gebäude beschossen wurde, protestiert nicht nur der UN-Generalsekretär scharf. Auch Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier verlangen eine sofortige Waffenruhe.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat scharf gegen den Beschuss des UN-Hauptquartiers im Gaza-Streifen durch die israelische Armee protestiert.

Während einer Pressekonferenz mit der israelischen Außenministerin Tzipi Livni sagte Ban in Tel Aviv: "Ich habe dem Verteidigungsminister (Ehud Barak) und der Außenministerin meinen scharfen Protest und meine Empörung deutlich gemacht und eine vollständige Untersuchung gefordert."

Desweiteren bezeichnete Ban die Zahl der Toten in dem Konflikt als "unerträglich". Ban war am Mittwoch in der ägyptischen Hauptstadt Kairo angekommen und will auf seiner Nahostreise noch Jordanien und Syrien besuchen, um für einen Waffenstillstand zu werben.

Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums in Gaza starben seit dem 27. Dezember mehr als 1000 Menschen, die meisten von ihnen Zivilisten. Bei den Kämpfen kamen zudem zehn israelische Soldaten ums Leben. Drei Zivilisten in Israel wurden durch Raketenangriffe der Hamas getötet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der britische Premierminister Gordon Brown forderten gemeinsam einen schnellen Waffenstillstand. "Die humanitäre Lage erfordert es, dass jetzt zeitlich Druck gemacht wird", sagte Merkel nach einem Gespräch mit Brown in Berlin.

Der Schlüssel zu einem Waffenstillstand sei ein Abkommen über die Unterbindung des Waffenschmuggels in den Gaza-Streifen.

Sowohl Deutschland als auch Großbritannien seien zur technischen Hilfe bereit, bekräftigte die Kanzlerin. Solange noch nicht alle Details geklärt seien, müsse man aber "zumindest im humanitären Sinne zu einer Waffenruhe kommen".

Brown: Humanitäre Katastrophe "schockiert"

Die dann zur Verfügung stehende Zeit müsse genutzt werden, um die Verhandlungen zu Ende bringen. Auch Brown betonte die Dringlichkeit eines Waffenstillstands. "Wir sind schockiert angesichts der humanitären Tragödie in Gaza. Wir werden alles tun, um humanitäre Hilfe zur Verfügung zu stellen."

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) befindet sich derzeit auf seiner zweiten Vermittlungsmission binnen einer Woche und verlangte von Tel Aviv aus ebenfalls eine sofortige Waffenruhe.

"Wir brauchen eine humanitäre Waffenruhe, die uns Gelegenheit gibt, die Bevölkerung zu versorgen und gleichzeitig die politischen Gespräche fortzuführen", sagte Steinmeier am Rande eines Treffens mit der Außenministerin Livni. Die jüngsten Bilder aus dem Gaza-Streifen seien "besorgniserregend".

Livni nannte weiterhin keinen Termin für ein Ende der israelischen Angriffe. Auf Steinmeiers Appell ging sie zunächst nicht direkt ein.

Die Ministerin betonte jedoch, dass sie aus der Staatengemeinschaft viel Verständnis für den israelischen "Krieg gegen den Terror" erhalten habe. "Alle begreifen, dass sich die Realität ändern muss. Der Status Quo nach dem Krieg kann nicht der Status Quo vor dem Krieg sein."

Steinmeier nannte als eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen dauerhaften Waffenstillstand eine Entwaffnung der radikal-islamischen Hamas. "Wir wissen, dass eine Wiederbewaffnung der Hamas verhindert werden muss. Dazu ist erforderlich, dass die Grenzen dichter gemacht werden." Deutschland sei bereit, dazu seinen Beitrag zu leisten.

Das Europaparlament forderte Israel "mit Nachdruck" dazu auf, Hilfslieferungen in den Gaza-Streifen ungehindert zuzulassen. Auch sollte die israelische Regierung der internationalen Presse die Berichterstattung vor Ort erlauben, hieß es in einer in Straßburg verabschiedeten Entschließung. Die Abgeordneten wiederholten ihre Forderung nach einer sofortigen Feuerpause.

Auslandspresse protestiert gegen Beschuss von Mediengebäude

Unterdessen protestierte die Auslandspressevereinigung (FPA) in Israel gegen den Beschuss eines Mediengebäudes in Gaza-Stadt durch die israelische Armee. Die FPA habe Informationen, denen zufolge das mehrstöckige Haus, in dem auch die Nachrichtenagentur Reuters und andere internationale Medien Büros hätten, heftig angegriffen wurde. Es habe nach ersten Berichten Verletzte und Sachschaden gegeben.

In einem anderen Stadtteil hätten Gewehrkugeln der israelischen Armee die Fenster des Büros der Nachrichtenagentur AP durchschlagen. "Wir rufen das Militär auf, dieses Feuer sofort zu stoppen", hieß es in der Stellungnahme. Die Armee sei mehrmals darauf aufmerksam gemacht worden, wo sich diese Gebäude befinden. Ein Armeesprecher sagte, man prüfe die Berichte.

Mit einem Appell zur Beendigung der Gewalt im Nahen Osten endete das 9. Internationale Bischofstreffen zur Unterstützung der Kirche im Heiligen Land. "Den Verantwortlichen der Internationalen Gemeinschaft sagen wir: Erarbeiten Sie gemeinsam mit Israelis und Palästinensern Lösungen, um der Gewalt in Gaza ein Ende zu setzen und leisten Sie die dringend benötigte humanitäre Hilfe", schrieben die neun teilnehmenden Bischöfe aus Europa, Kanada und den USA in ihrem Abschlusskommuniqué.

Zu den Teilnehmern gehörte der stellvertretende Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Reinhard Marx.

© dpa/AFP/Reuters/AP/ihe/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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