Erwin Huber:Abgang eines unermüdlichen Kämpfers

Erwin Huber hat sich aus kleinsten Verhältnissen nach oben gearbeitet - doch den Sprung zu einem ganz großen Politiker hat er nie geschafft.

A. Ramelsberger

Erwin Huber ist ein Jahr und einen Tag Parteivorsitzender der CSU gewesen, davor viele Jahre Finanz- und Wirtschaftsminister, Leiter der bayerischen Staatskanzlei und Generalsekretär der CSU. Er hat für die Partei im Kanzleramt zu Berlin die Koalition mit der SPD ausgehandelt, er wurde von Angela Merkel für fähig erachtet, das Kanzleramt zu leiten.

Erwin Huber: Erwin Huber geht in München nicht als Lichtgestalt in die Analen ein.

Erwin Huber geht in München nicht als Lichtgestalt in die Analen ein.

(Foto: Foto: dpa)

Doch eigentlich ist Huber vor allem immer eins gewesen: Niederbayer, Sohn eines Landstrichs, der von München aus irgendwo weit im Osten liegt, auf jeden Fall weit jenseits der Gegenden, für die sich ein Oberbayer landläufig interessiert.

Der Ruch des Hinterwäldlers

Den Menschen dieser Gegend haftet der Ruch an, sie seien hinterwäldlerisch, wortkarg und ruppig. Sie gelten in den einflussreichen Zirkeln der bayerischen Hauptstadt als Underdogs, die das Große, Wahre, Wichtige nicht wirklich erfassen. Mit diesem Ruch musste Erwin Huber kämpfen, als er 1978 als junger Abgeordneter von gerade 32 Jahren aus Dingolfing nach München kam. Und er wird damit bis zu seinem Rücktritt als Parteivorsitzender kämpfen.

Immer wurde er mit dem eloquenten, weltläufigen Horst Seehofer verglichen, der auch noch einen Kopf größer ist als der kleine, zähe Huber. Immer galt er nur als Wasserträger derer, die die wirkliche Macht hatten: von Franz Josef Strauß, von Edmund Stoiber. Allesamt Lichtgestalten. Auf dem Nockherberg, wo die Rangfolge der bayerischen Politik sich oft in den Figuren beim spöttischen Singspiel ausdrückt, wurde Huber immer nur als Sherpa von Stoiber verkörpert.

Huber war nie Lichtgestalt. Er ist ein Handwerker der Macht, ein politischer Stratege, der jedoch nie zu begeistern verstand. Als Finanzminister hatte er seine eigentliche Erfüllung gefunden. Wenn er über Finanzen spricht, über Steuern, dann ist er ganz bei sich. Sogar bei seiner nur zwei Minuten dauernden Abschiedserklärung war ihm sein Steuerkonzept "Mehr netto vom Brutto", das er im Mai vorgestellt hatte, einen eigenen Satz wert. Damit habe er"Impulse gesetzt, die weit über meine Amtszeit hinauswirken", sagte er stolz. Huber, so hört man aus der Partei, soll auch weiter Finanzminister bleiben - selbst wenn er nicht mehr Parteivorsitzender ist. Zumindest ist das bisher so vorgesehen.

Kämpfen als Lebensinhalt

Huber nimmt sich im kleinen Kreis gerne ironisch selbst auf den Arm. "Meine niederbayerische Heimat Niederbayern", ist so ein Spruch, distanziert und verstärkend zugleich. Er ist sich bewusst, wie sehr er durch seine Herkunft geprägt ist: Er, der vaterlos als Sohn einer Kriegerwitwe aufwuchs, bitterarm auf einem Einödhof. Der sich alles erkämpfen musste, dem nichts geschenkt wurde. Das Kämpfen ist ihm zum Lebensinhalt geworden.

Wer heute von der Ungerechtigkeit im großen Land Bayern spricht, hat vergessen, wie die Chancen in diesem Land in den 50er und 60er Jahren verteilt waren: Auf dem Land wurden selbst die Klügsten nichts, wenn sie nicht vom Pfarrer entdeckt und aufs Gymnasium geschickt wurden. Auch Huber wurde vom örtlichen Pfarrer gefördert, in die Kolping-Jugend geholt. Der Junge sollte auch aufs Gymnasium, aber die Mutter konnte sich das nicht leisten. Also ging er auf die Realschule, wurde Finanzbeamter und machte seine Prüfung als Bester seines Jahrgangs. Danach holte er an der Abendschule sein Abitur nach und studierte Volkswirtschaft.

Es ist dieses Hochkämpfen aus kleinsten Verhältnissen, ohne Vitamin B, ohne Hilfe von außen, das den Mann geprägt hat. Er kämpft: immer und überall, vor der Fernsehkamera, in der Landtagsfraktion, in der Staatskanzlei, auch am Rednerpult. Er kann nur schlecht entspannen, nicht fünfe gerade sein lassen. Als er vor nur einem Jahr seine Bewerbungsrede für das Amt des CSU-Chefs hielt, vor dem Parteitag in München, da kämpfte er sich geradezu durch seine Rede.

Wahlspruch auf Englisch

Als er geendet hat, geht er mit einem Stoßseufzer von der Bühne, als hätte er gerade einen übermächtigen Gegner niedergerungen. Huber zitiert gern einen Spruch aus dem Englisch-Unterricht, der sich ihm früh eingeprägt hat: "Good, better, best - let us never rest, till our good is better and our better best" (Gut, besser, am besten, lass uns niemals rasten, bis unser Gutes besser ist und unser Besseres bestens).

Huber will immer sein Bestes geben, an jedem Ort, wo er hingestellt wird. Franz Josef Strauß holt ihn 1987 als Generalsekretär, weil Huber so gut frei reden kann. Ausgerechnet er, der nun vor allem für seine holprigen öffentlichen Auftritte so gescholten wird. Als CSU-Generalsekretär hatte er den Kampf zur Kunstform erhoben. Selten waren ein Mann und sein Amt so miteinander verschmolzen. In dieser Zeit auch entwickelte sich sein Ruf als bayerischer Wadlbeißer, der bei jedem politischen Gegner zubiss. Die Lust am Raufen - das war fortan mit Erwin Hubers Namen verbunden.

Huber war streng, zu sich selbst und zu anderen. Darunter litten auch seine eigenen Leute. Er setzte seinen Willen parteiintern durch, oft auch sein Weltbild, das lange Zeit patriarchalisch war. Er galt selbst in der CSU als konservativer Knochen. Zu spät hat er erkannt, dass auch CSU-nahe Familien die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern wollen, dass die Sorge um die Umwelt keine linke Spintisiererei ist und Autobahnen nicht nur Wohlstand ins Land bringen.

Als Parteivorsitzender hat er dann mehr Frauen in die Politik geholt, hat neue Töne angeschlagen. "Es ist doch nicht verboten, dazuzulernen", hat Huber im Wahlkampf gesagt. Nur hat ihm das keiner mehr abgenommen. Er war der Mann, der den Sumpf trockenlegte, ohne die Frösche zu fragen. So hatte er es selbst gesagt. Er vertrat den Politikstil der neunziger Jahre, er wurde zum Vollstrecker der technokratischen Politik von Edmund Stoiber.

Und deswegen hat er auch nie den Sprung vom Knecht zum Herrn geschafft. Nie haben sich Huber und sein Kampfgefährte Günther Beckstein von Stoiber abgenabelt, er hat ihnen seine Politik auch noch diktiert, als sie längst ihre eigene Marke hätten setzen müssen. Bei Huber kam zum blassen Auftritt dann noch die Affäre um die Landesbank hinzu, die von der Finanzkrise erfasst wurde. Plötzlich standen die CSU und ihr Chef, die sich immer als Schutzpatron Bayerns dargestellt hatten, schwachbrüstig da.

Selbst wenn Huber sich vermarkten könnte, hier gab es nichts mehr zu vermarkten. "Das Geschmeidige, Ölige liegt mir nicht", sagte er im Wahlkampf. Er schätzt Geradlinigkeit. Vermutlich ist es diese Eigenschaft, die ihn am meisten von seinem Nachfolger Horst Seehofer unterscheidet, dem Mann, der alles offenlässt, der mit Verve das eine vertritt, ohne das andere zu lassen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: