Erstmals seit 20 Jahren:Rentenkassen können laufende Renten nicht mehr zahlen

Die Versicherer werden voraussichtlich im September den Bund um einen vorgezogenen Zuschuss bitten müssen.

Die Rentenkassen werden voraussichtlich im September erstmals seit 1985 nicht genügend eigene Mittel haben, um die laufenden Renten zahlen zu können. "Wenn wir von den Annahmen der Bundesregierung ausgehen, ist dann ein vorgezogener Bundeszuschuss erforderlich", sagte Franz Ruland, der Direktor des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR), dem Handelsblatt (Dienstagausgabe).

Experten schätzen, dass etwa 450 Millionen Euro aus dem im Oktober fälligen Bundesbeitrag vorab angefordert werden müssen. Zudem werde die Wahrscheinlichkeit "eher größer als kleiner", dass die Alterskassen zum Jahresende einen regelrechten Kredit des Bundes benötigen, sagte Ruland.

Hintergrund der Befürchtungen ist die durch die schlechte Arbeitsmarktlage gedrückte Einnahmeentwicklung der Rentenkassen. Im Juni waren die Einnahmen aus den Pflichtbeiträgen erneut um 0,6 Prozent gefallen. Die Schwankungsreserve liegt mit 890 Millionen Euro weit unter dem gesetzlichen Mindestwert von 3,2 Milliarden Euro.

Höheres Rentenalter gefordert

Angesichts dieser Situation warf Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), den Parteien "Konzeptions- und Mutlosigkeit" in der Rentenpolitik vor.

Obwohl der Handlungsbedarf "mehr als offensichtlich" sei, werde das Thema in den Wahlprogrammen "nahezu ausgespart", sagte er dem Handelsblatt: "Ehrlich ist das nicht."

Offenbar sei der Reformeifer erloschen, nachdem Bundestag und -rat beschlossen hätten, ab 2006 die Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen vorzuziehen. Dies bringe jedoch nur einen Einmaleffekt.

Konkret forderte Hundt eine Heraufsetzung des gesetzlichen Rentenalters. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Sachverständigenrates Bert Rürup: "Wir brauchen eine rasche Entscheidung, das gesetzliche Rentenalter ab 2010 gleitend auf 67 Jahre anzuheben", sagte er dem Handelsblatt.

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