Erstes gemeinsames Fernsehinterview mit Sarkozy:Madame Merkel gibt die bescheidene Helferin

"Aus historischer Verantwortung und persönlicher Zuneigung": In ihrem ersten gemeinsamen TV-Interview erklärt Angela Merkel ihre Verbundenheit mit Präsident Nicolas Sarkozy. Der braucht die Kanzlerin derzeit mehr denn je - als Partnerin in der europäischen Finanzkrise, vor allem aber im Präsidentschaftswahlkampf. Ob das den Franzosen gefällt?

Stefan Ulrich, Paris

Der Präsidentenberater Alain Minc versicherte unlängst, es gebe nur drei Frauen in Nicolas Sarkozys Leben: Carla Bruni, Töchterchen Giulia und Angela Merkel. Sarkozy hat das am Montag während des Deutsch-Französischen Ministerrats zumindest indirekt bestätigt. "Ich hege Bewunderung für Frau Merkel", bekannte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz im Élysée-Palast. Die Kanzlerin wollte da nicht zurückstehen. Sie unterstütze Sarkozy in jeder Frage, sagte sie, "egal was er tut".

German Chancellor Merkel Visits France

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Sarkozy geben den Sendern France2 und dem ZDF ein gemeinsames Fernsehinterview.

(Foto: Getty Images)

Die beiden charakterlich so verschiedenen Politiker haben nach vielen Verständnisproblemen am Anfang verblüffend gut zueinandergefunden. Eines aber haben sie noch nie zusammen gemacht: ein Fernsehinterview.

Nun, kurz vor den französischen Präsidentschaftswahlen am 22. April und 6. Mai, sahen sie den richtigen Zeitpunkt gekommen für dieses Zeugnis ihrer Zuneigung. So setzten sie sich am Montagnachmittag in einem Prunkzimmer des Élysée zu einem Wechselgespräch vor die Kameras, das am Abend vom ZDF und France 2 ausgestrahlt werden sollte.

Während die Techniker noch die Mikros anbrachten, übte Merkel - mit grauem Sakko und schwarzer Hose sehr pariserisch gekleidet - ein Lächeln ein. Sarkozy fragte sie auf Englisch: "Sind Sie müde?" "Müde?", meinte Merkel erstaunt. "Nee"! Dann begann das Interview.

Sarkozy wurde sofort mit der Frage konfrontiert, ob in der deutsch-französischen Beziehung allein Berlin den Ton angebe. Der Präsident schüttelte den Kopf. "So ist das nicht." Europa sei am Abgrund gestanden. Da hätten Berlin und Paris eine "totale und komplette Allianz" schließen müssen. "Denn wir können nur gemeinsam gewinnen."

Dann wurde Sarkozy wieder persönlich. Ja, er empfinde "Bewunderung und Freundschaft" für die Kanzlerin und freue sich, dass sie ihm im Präsidentschaftswahlkampf helfen wolle. Aber natürlich würden am Ende die Franzosen entscheiden.

Der Staatschef wollte das klarstellen, weil jüngst viel Kritik an seiner Deutschland-Politik laut geworden war. Linke wie rechte Franzosen monierten, ihr Präsident ahme die Politik der Kanzlerin kritiklos nach, erarbeite keine eigenen Vorschläge zur Lösung der Krise mehr und nehme nun auch noch Wahlkampfhilfe der Deutschen in Anspruch.

Franzosen wollen nicht von der Kanzlerin angeleitet werden

Die Franzosen schätzen Merkel und die deutschen Erfolge in der Wirtschaftspolitik. Doch sie wollen weder Deutschland imitieren, noch von dessen Kanzlerin angeleitet werden, wen sie zu wählen haben. Merkel durfte daher im Fernsehen nicht als "Madame Rigueur", "Frau Streng", auftreten, die einen nachlässigen Schüler namens Frankreich belehrt. Sie musste alles vermeiden, was bevormundend wirken konnte.

Daher versuchte sie, ihre Wahlkampfhilfe als normal darzustellen. "Wir gehören zu einer Parteienfamilie." Deswegen sei es natürlich, dass sie Sarkozy unterstütze. Zugleich zeigte sie, wie wenig sie vom sozialistischen Präsidentschaftskandidaten François Hollande hält. Wird sie ihn als Oppositionsführer empfangen, wie das der Tradition entspräche? "Wir haben heute wichtigere Probleme zu lösen", blaffte sie. Hollandes Ankündigung, im Falle seines Wahlsieges den europäischen Fiskalpakt neu verhandeln zu lassen, wies Merkel zurück. Als sie einst das Kanzleramt von Gerhard Schröder übernommen habe, habe sie auch die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei weitergeführt, obwohl sie ursprünglich dagegen gewesen sei. Sarkozy schaute da sehr zustimmend drein.

Der nervöse Franzose und die bedächtige Kanzlerin haben sich inzwischen bis zu den Bewegungen ihrer Hände hin einander angeglichen. Ihre Botschaft heißt Eintracht. Merkel erinnerte an die blutige Geschichte beider Länder und sagte: "Es war uns nicht in die Wiege gelegt, dass wir uns gut verstehen und gut zusammenarbeiten. Aber wir haben es aus historischer Verantwortung und persönlicher Zuneigung getan." Dabei war nicht ganz klar, ob sie Deutsche und Franzosen oder eher sich und Sarkozy meinte.

Sarkozy und Merkel hatten auch allen Europäern etwas zu sagen. Sie möchten nicht als Autokraten-Paar der Euro-Zone wahrgenommen werden, sondern als Erfinder, die im bilateralen Laboratorium Ideen für den Kontinent entwickeln. Die Annäherung bei den Unternehmenssteuern ist ein Beispiel dafür. "Deutschland und Frankreich zusammen können ganz Europa erfolgreich machen", versprach Merkel. Sarkozy drückte sich ähnlich aus. Wobei es in den Bauplänen für Europa Unterschiede zu geben scheint. Der Präsident betonte, wichtige Entscheidungen blieben Staats- und Regierungschefs vorbehalten. Die Kanzlerin unterstrich die Rolle des EU-Parlaments.

Europapolitik sei heute Innenpolitik - das ist jetzt ständig aus Berlin und Paris zu hören. Sarkozy spricht vom ersten Wahlkampf des 21. Jahrhunderts, "in den sich die Außenwelt einlädt". So will er auch rechtfertigen, dass sich seine "chère Angela" derart massiv in den französischen Wahlkampf einmischt.

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