Erster Weltkrieg:Höchste Orden mit 97 Jahren Verspätung

Undated photographs show WWI Medal of Honor recipients Johnson and Shemin

Kämpften im Ersten Weltkrieg für die US-Armee in Frankreich: Henry Johnson (li.) und William Shemin

(Foto: Reuters)
  • US-Präsident Barack Obama zeichnet posthum zwei US-Soldaten des Ersten Weltkrieges mit der "Medal of Honor" aus. Henry Johnson und William Shemin hatten 1918 unter Lebensgefahr verletzte Kameraden an der Westfront gerettet.
  • Die würdige Anerkennung ihres Einsatzes blieb in beiden Fällen viele Jahrzehnte aus, offenbar aus rassistischen Gründen: Johnson war Afroamerikaner, Shemin Jude.
  • Die Diskriminierung schwarzer Soldaten in der US-Armee dauerte bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg an.

Von Oliver Das Gupta

"Es ist niemals zu spät, um sich zu bedanken", sagte Barack Obama bei einem feierlichen Akt, der am Dienstag im East Room des Weißen Hauses in Washington stattfand. Der Dank des US-Präsidenten ging allerdings an zwei Männer, die längst tot sind.

William Shemin starb betagt im Jahre 1973, Henry Lincoln Johnson schon 1929, als menschliches Wrack im Alter von 32 Jahren. Beide hatten im Ersten Weltkrieg als US-Soldaten verletzte Kameraden gerettet - unter Einsatz ihres eigenen Lebens. Obama verlieh ihnen dafür posthum die höchste Auszeichnung, die "Medal of Honor".

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Freude über die späte Ehrung: Wiliam Shemins Töchter Elsie Shemin-Roth (Mitte) und Ina Bass mit US-Präsident Barack Obama.

(Foto: AFP)

Die würdige Anerkennung des amerikanischen Staates blieb lange aus, was offenkundig rassistische Gründe hatte: Johnson war Afroamerikaner und Shemin Jude.

Beide kämpften 1918 gegen die Deutschen in Frankreich, wo sich die Westfront in einem kaum beweglichen Stellungskrieg festgefressen hatte.

Die Vereinigten Staaten von Amerika hatten sich erst 1917 in den Krieg eingeschaltet. Wenige Monate vor dem Kriegsende kamen frische US-Truppen den Ententemächten Frankreich und Großbritannien zu Hilfe. Mit dabei: die Kriegsfreiwilligen Johnson und Shemin.

Im Laufe des Krieges wurde Johnson 21 Mal verwundet

Johnson kam im Süden der USA zur Welt und zog schon früh nach New York. Dort jobbte er mal als Soda Mixer, mal als Chauffeur, er karrte Waren durch die Gegend oder schippte Kohle.

Im 1917 meldete er sich zur Nationalgarde in Manhattan. Die US-Armee ließ Afroamerikaner mitmachen, solange sie unter sich blieben: Es war Apartheid in Uniform. Die aus Schwarzen bestehende Einheit Johnsons wurde als "Harlem Hellfighters" bekannt. Sie kam an der Front unter französisches Kommando: So schob die US-Armee die Afroamerikaner ab.

Johnsons zeigte seinen Mut am 15. Mai 1918, am Rande des Argonnenwaldes, etwa eine Autostunde östlich vom Reims entfernt. Ein deutscher Trupp - offenbar etwa zwölf Mann - tauchte nachts vor den amerikanischen Stellungen auf. Sie wollten einen verwundeten US-Soldaten mitnehmen, doch Johnson stellte sich ihnen in den Weg. Mit dem Messer soll er auf die Deutschen losgegangen sein. Im Kampf Mann gegen Mann wurde er verletzt, tötete einige von ihnen und zwang sie zum Rückzug, wie US-General John Pershing damals feststellte. Im Laufe des Krieges wurde er 21 Mal verwundet.

Frankreich verlieh ihm den höchsten Orden für Tapferkeit, doch sein eigenes Land ignorierte ihn weitgehend. Die Diskriminierung schwarzer Soldaten in der US-Armee dauerte bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg an (hier mehr dazu).

Die "Medal of Honor" übergab Obama nun einem Offizier von Johnsons damaliger Einheit, der New Yorker Nationalgarde. Johnson selbst blieb wohl kinderlos. Er war traumatisiert und als Krüppel in die USA zurückgekehrt. Es folgte Arbeitslosigkeit, seine Ehe scheiterte. Er verfiel dem Alkohol und starb mit 32.

Die US-Streitkräfte feierten lieber Helden, die ins Wunschbild passten

Den Orden für den zweiten Veteran William Shemin nahmen seine Töchter entgegen. Der Förster war ebenfalls Kriegsfreiwilliger und rettete einen verletzten Kameraden während der Marne-Schlacht im Sommer 1918.

Bei einem Gefecht Anfang 1918 sprang Shemin aus dem amerikanischen Schützengraben, um den Verwundeten zu bergen. Dabei wurde er von einem Schrapnell getroffen und von einem Projektil fast getötet: Das Geschoss eines deutschen Maschinengewehrs blieb an der Seite seines Helmes stecken.

Wie bei Johnson blieb die Anerkennung des eigenen Landes für Shemin aus, was für seine Tochter Elsie ein klarer Fall von Antisemitismus war. Die US-Streitkräfte feierten damals lieber andere Helden, die ins Wunschbild passten, oder putzig waren wie Fronthund Stubby (hier mehr dazu), der Präsident Woodrow Wilson die Pfote reichen durfte.

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