Erste Regionalkonferenz der CDU in Hamm:Angela Merkel allein zu Haus

Die Parteivorsitzende kommt zu spät zu ihrem Auftritt in Westfalen und bekommt dann von ihren Parteifreunden nur wenig Rückhalt für ihren Kurs.

Von Hans-Jörg Heims

Hamm - Vielleicht hat Angela Merkel an diesem Donnerstagabend im westfälischen Hamm häufiger an Gerhard Schröder gedacht als sonst. Denn auf der ersten von sieben CDU-Regionalkonferenzen erging es der Parteichefin nicht viel anders als dem Kanzler, als dieser sich aufmachte, um der Basis seine Agenda 2010 zu erläutern und dabei heftige Kritik beim Arbeitnehmerflügel um Ottmar Schreiner und den Gewerkschaften erntete.

Merkels Schreiner heißt Hermann-Josef Arentz und ist Chef der CDU-Sozialausschüsse (CDA). Seit dem Abgang von Norbert Blüm galt die CDA eigentlich als ein Relikt von gestern. Doch seit Merkel versucht, die CDU auf eine neue Zeit einzustellen und dabei unter anderem für Einschränkungen beim Kündigungsschutz und Lohnverzicht wirbt, bekommt Arentz wieder mehr Applaus als die einstmals von der Basis auf den Schild gehobene CDU-Chefin.

So geschehen am Donnerstag in der ehemaligen Zechenhalle von Hamm. Dort, im östlichen Ruhrgebiet, hatten sich 1300 CDU-Anhänger versammelt, um über den Leitantrag für den CDU-Bundesparteitag zu diskutieren.

Zunächst müssen sich die Delegierten in Geduld üben, weil Merkel im Stau steckt und deshalb mit fünfzig Minuten Verspätung am Tagungsort eintrifft. Sehr still ist es dann in der riesigen Halle, als Merkel endlich redet. Nur gelegentlich ertönt ein Protestpfiff. Angesichts der zu leistenden Überzeugungsarbeit ist es allerdings ein nicht sonderlich inspirierender Vortrag.

Merkel steht im Stau

Merkel bekräftigt all ihre Positionen. Sie erinnert an Ludwig Erhard, den Vater der sozialen Marktwirtschaft, dem zunächst auch keiner glauben habe wollen, als dieser Wohlstand für alle versprach. Nun sei es wieder an der Zeit, Weichen zu stellen. Nichts zu tun und sich mit der Arbeitslosigkeit abzufinden, wäre die "herzloseste Politik", sagt sie.

In der Gesundheitspolitik wolle die CDU keine Zweiklassenmedizin. Deshalb müsse der Chef den gleichen Beitrag leisten wie die Sekretärin, verteidigt sie ihre Idee von der Kopfpauschale. Auf den Streit in dieser Sache mit der CSU geht sie nicht ein. Der Beifall fällt dünn aus, nur an einer Stelle wird er stärker, als Merkel erklärt, dass die Türkei nicht EU-Vollmitglied werden könne.

Es ist bereits 21.25 Uhr als endlich die Basis das Wort erhält. Der dritte Redner ist Arentz. Und er spricht vielen aus dem Herzen. "Wir brauchen eine Einigung mit der CSU", fordert er. "Ich habe keine Lust, diese offene Flanke den Sozis als Wahlgeschenk darzubieten", sagt das CDU-Präsidiumsmitglied im Hinblick auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2005.

Mit Flugbenzin in der Landschaft

Auch in der geplanten Änderung des Kündigungsschutzes für ältere Arbeitnehmer sieht Arentz ein Wahlgeschenk an die SPD. "Da hantieren einige mit Flugbenzin in der Landschaft herum", kritisiert Arentz. "Wir müssen an die kleinen Leute denken und nicht nur an die Chefetagen." Seine Forderung nach Offenlegung der Managergehälter und Haftung bei Pleiten steht freilich in dem Leitantrag schon drin. Macht nichts.

Der Auftritt des CDA-Chefs ermutigt andere Arbeitnehmervertreter, ihren Unmut über den Kurs der Parteichefin zu artikulieren. Hans-Jürgen Nagels, Ex-Betriebsrat bei Mannesmann und nun im Vorruhestand, geißelt die Marktradikalen und Neoliberalen in der CDU. Schließlich prophezeit er: "Wenn die Karten weiterhin neu gemischt werden, verlieren wir die Wahlen in Nordrhein-Westfalen und im Bund."

Merkel verfolgt die Wortmeldungen mit ernster Miene. Nur gelegentlich gibt es Zuspruch für sie. Außer Arentz ist ohnehin keiner aus der Führung nach Hamm gekommen. Generalsekretär Laurenz Meyer und Nordrhein-Westfalens Landeschef Jürgen Rüttgers haben bereits geredet. Der Malermeister Friedhelm Koch aus Paderborn sagt dann endlich mal, man solle "nicht nur ein bisschen den Mond anheulen".

"Was in NRW beginnt, wird gut"

Um 22.47 Uhr beendet Rüttgers die Debatte. Die Halle ist inzwischen fast leer. Von den zunächst anwesenden 1300 Delegierten wollen noch höchstens 50 hören, was Merkel ihren Kritikern entgegnet. Alle anderen sind längst auf dem Heimweg. Nach der Rede Merkels hatte Rüttgers an die drei vorangegangen Regionalkonferenzen in dem Bundesland erinnert.

Bei der ersten Zusammenkunft vor vier Jahren, als es um den CDU-Vorsitz ging, ist der Beifall der Basis an Rhein und Ruhr so stark gewesen, dass fortan kaum einer noch an Merkels Weg an die Spitze zweifelte. "Was in Nordrhein-Westfalen beginnt, wird gut", sagt Rüttgers. Da stehen die ersten auf und verlassen den Saal.

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