Erste Ergebnisse:Was die Ergebnisse für die Länder bedeuten

  • Die Grünen triumphieren in Baden-Württemberg, doch in den anderen beiden Ländern sieht es schlecht aus.
  • Die AfD mobilisiert in allen Ländern und erzielt an diesem Wahlsonntag die größten Erfolge.
  • Für die SPD lautet die oberste Erkenntnis: Juniorpartner ist Mist.

Von Oliver Das Gupta, Stuttgart, Gianna Niewel, Mainz, und Hannah Beitzer, Magdeburg

Baden-Württemberg

Das ist der Stand

Die Grünen werden stärkste Kraft im Südwesten - zum ersten Mal in ihrer Geschichte. Die CDU fährt deutliche Verluste ein, ebenso wie die SPD. Die AfD wird mit drittstärkste Kraft, die FDP legt kräftig zu. Die Linke verpasst den Einzug in den Landtag. Rechnerisch möglich wäre eine schwarz-grüne Koalition oder ein Bündnis aus drei Parteien. CDU-Politiker haben bereits eine sogenannte "Deutschland-Koalition" (CDU, SPD, FDP) ins Spiel gebracht, auch über eine "Ampel" (Grüne, FDP, SPD) wurde schon diskutiert. Diese Option hat die FDP jedoch ausgeschlossen. Ablehnend äußern sich zudem alle Parteien über ein mögliches Bündnis mit der AfD.

Und das sind die Lehren

Grüne für CDU-Klientel wählbar

Zur Geschichte des Wahlsiegers gehört eine beachtliche demoskopische Verschiebung. Noch im Oktober lag die Südwest-CDU in Umfragen bei teilweise bis zu 40 Prozent, die Grünen bei etwa 25 Prozent. Nicht einmal ein halbes Jahr später ist aus der Sicht der Grünen aus dem 15-Punkte-Rückstand ein Vier-Punkte-Vorsprung geworden. Viele Unionswähler haben sich für die Grünen entschieden. Das liegt einerseits an Winfried Kretschmann. Aber es gibt noch einen anderen Aspekt: Die Grünen haben ihr Image als Bürgerschreck verloren und sind für Wertkonservative wählbar geworden.

Juniorpartner ist noch größerer Mist

"Opposition ist Mist", hatte der frühere SPD-Chef Franz Müntefering einmal postuliert. Sein Diktum kann heute erweitert werden: "Juniorpartner ist noch größerer Mist". Das zeigt der Wahlausgang in Baden-Württemberg. Fünf Jahre hatte die Südwest-SPD mit den Grünen geräuscharm und durchaus erfolgreich regiert. Doch zeigt sich, dass die Rolle als Juniorpartner fatal ist - zumindest, wenn der Regierungschef der Koalition beliebt ist. In Stuttgart heißt dieser Winfried Kretschmann. Für die Bundespolitik lässt sich diese Erkenntnis eins zu eins übertragen. Denn am Berliner Kabinettstisch sitzt Angela Merkel, die Alternativlose.

Linke in der Sackgasse

Die Linkspartei wollte bundesweit zur festen Kraft werden. Mit dem Wahlausgang in Baden-Württemberg scheint sich zu bestätigen, dass sich die Sozialisten in einer Sackgasse befinden. Dabei hat mit Bernd Riexinger der Bundesvorsitzende die Südwest-Linke als Spitzenkandidat in den Wahlkampf geführt. Auch die Parteiprominenz tourte bis zuletzt zwischen Heidelberg und Reutlingen, von Sahra Wagenknecht bis Gregor Gysi. Es nutzte alles nichts: Die Linke kam auch diesmal nicht über die Fünf-Prozent-Hürde in Stuttgart. Der Wahlausgang sollte die Parteiführung zum ernsthaften Nachdenken bringen, so sie nicht als ostdeutsche Regionalpartei enden will. Das inhaltliche Angebot, die frontale Opposition und wohl auch das Personal - oder die Kombination aus allem: das zieht so im Westen nicht.

Der Stand und die Lehren aus Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt

Rheinland-Pfalz

Das ist der Stand

Malu Dreyer ist die Siegerin der Wahl: Die Partei der SPD-Ministerpräsidentin wird klar stärkste Kraft vor der CDU mit der hoch gehandelten Spitzenkandidatin Julia Klöckner. Die Grünen stürzen ab. Die FDP kann nach fünf Jahren Abwesenheit im Landtag von einer Rückkehr ausgehen. Die neu angetretene AfD erzielt auf Anhieb ein starkes Ergebnis. Auch in Mainz blieb die Linke draußen. Die Ergebnisse bedeuten, dass die Rot-Grüne Regierungskoalition abgewählt ist. Möglich wäre eine große Koalition oder auch eine "Ampel" aus SPD, Grünen und FDP.

Und das sind die Lehren

Die SPD kann gewinnen - wegen ihrer Kandidatin

Noch steht nicht fest, wie die rheinland-pfälzische Regierung aussehen wird. Klar ist: Malu Dreyer wird einen Koalitionspartner suchen müssen. Und das war lange so nicht abzusehen. Malu Dreyer überzeugte persönlich, das ist das eine. Auf die Frage, wen sie wählen würde, könnten sie die Ministerpräsidentin direkt wählen, gaben 50 Prozent der Befragten Dreyer an. Nur 31 Prozent würden für Klöckner stimmen.

Während also Parteichef Sigmar Gabriel selbst bei Sozialdemokraten unbeliebt ist und sich die SPD bundesweit im steten Abwärtstrend befindet, reichte es den Genossen in Rheinland-Pfalz, ihr Wahlprogramm auf vier Buchstaben zusammenzuschnurren: Malu. Ein erheblicher Teil der Wähler dürfte am Sonntag wegen ihr SPD gewählt haben.

Zweitens: Während die CDU-geführte Regierung im Bund eigentlich eine sozialdemokratische Regierung ist und die Kanzlerin rot-grüne Politik macht, verlaufen in Rheinland-Pfalz die Linien zwischen CDU und SPD vergleichsweise trennscharf. Hinter einem Kreuz bei Klöckner oder einem Kreuz bei Dreyer steht eine unterschiedliche Grundüberzeugung, sei es in der großen Flüchtlingsfrage oder im landespolitischen Klein-Klein, etwa bei den Kita-Kosten. Klöckner läuft im Gegensatz zu Merkel derzeit jedenfalls nicht Gefahr, die soziale und ökonomische Haltung der SPD zu übernehmen. Davon profitieren die Sozialdemokraten, weil sie es sind, die die sozialdemokratische Politik im Land machen können. Und die dafür gewählt werden.

Ja zu Merkel. Nein. Doch! Ein unklarer Kurs wird abgestraft

Auch an Rhein und Mosel ging es vor allem um die Flüchtlingsfrage. Julia Klöckners Haltung im Oktober: Kontingente für Flüchtlinge sind "inhuman", so jedenfalls schrieb sie es in ihrem Buch. Im Januar dann legte sie Plan A2 nach, darin ist die Rede von "flexiblen Tageskontingenten". Klöckner nennt das nicht "Obergrenze", sie umgeht das Wort, das ihre Parteifreundin Angela Merkel scheut. Dennoch setzt sie sich inhaltlich ab von deren "Wir schaffen das"; zuletzt mit einer gemeinsamen Erklärung mit dem baden-württembergischen Spitzenkandidaten Guido Wolf.

Doch Klöckners Abgrenzungsstrategie gegenüber der Kanzlerin fruchtete nicht, stattdessen verlor sie an Zustimmung. Sie versuchte gegenzusteuern. Sie stehe an der Seite der Kanzlerin, betonte sie in den vergangenen Tagen vor in jedem Interview; natürlich. Merkel kam zum Schulterschluss wenige Stunden vor Wahlkampfende nach Trier.

Und dennoch: CDU-Bundesvize Klöckner hat in Rheinland-Pfalz nicht weniger versucht, als an Merkel vorbei - SPD und Grüne würden sagen "gegen die Kanzlerin" - Wahlkampf zu machen. Und dennoch für die CDU. Das ist mutig. Gepaart mit einem unklaren Kurs in einem elementaren Thema erwies es sich am Wahlabend aber als eine Volte zu viel.

Die FDP lebt

Der Mann, der die rheinland-pfälzische FDP zum Comeback führte, dürfte bis vor kurzem selbst Rheinland-Pfälzern nicht bekannt gewesen sein. Volker Wissing, 45 Jahre, Jurist. Als er dann beschrieben wurde, fielen Worte wie "seriös" und "sachlich". Wenn es gut lief. Lief es schlecht, wurde er schlicht als "spröde" bezeichnet. Am Sonntag jedenfalls hat Wissings FDP nach ersten Hochrechnungen etwa sechs Prozent geholt - und ist zurück.

Die Wähler in Rheinland-Pfalz hatten im Grunde nur eine Möglichkeit, wenn sie Merkels Kurs abstrafen wollten: Sie mussten die AfD wählen. Wem das zu extrem war, der fand bei der FDP, immerhin, den Hauch einer Alternative. Die fordert in ihrem Programm unter anderem "konsequent abschieben" oder die "Versorgung der Flüchtlinge weitgehend auf Basis von Sachleistungen".

Nun ist Rheinland-Pfalz nicht Berlin und der Mainzer Landtag immer noch ein Provinzparlament. Dennoch weist das Ergebnis für die Liberalen in die richtige Richtung, hin zu dem Ziel, das Spitzenkandidat Christian Lindner anvisiert: 2017 wieder in den Bundestag einziehen. Dort flog die FDP raus, ebenso wie aus fast allen Landesparlamenten. Der Patient war klinisch tot. Das Ergebnis vom Sonntag lässt hoffen. Eine Wiederbelebung ist in Sicht.

Die Grünen scheitern am Grünsein

2011 wüteten ein Tsunami und ein Erdbeben durch den Nordosten von Japan, im Atomkraftwerk Fukushima kam es zur Kernschmelze und die rheinland-pfälzischen Grünen hatten ihr Wahlkampfthema gefunden, ohne es je gesucht zu haben: Vom Atomkraftwerk im nordfranzösischen Cattenom sind es nur wenige Kilometer bis nach Wincheringen oder Palzem.

Eveline Lemke jedenfalls kam bei der vergangenen Landtagswahl im März 2011 auf 15 Prozent, die Grünen waren die Königsmacher für die SPD, damals noch unter Kurt Beck.

Fünf Jahre später kommen sie nur auf etwa fünf Prozent. Wieso? Cattenom läuft schließlich noch immer. Aber es scheint die Rheinland-Pfälzer nicht mehr zu stören, zumindest nicht so sehr, dass sie den Grünen ihre Stimme schenken würden. Die haben die Flüchtlingskrise als politisches Thema erst unterschätzt, dann war ihr Profil nicht klar. Mit den klassischen Themen einer Ökopartei aber konnten sie nicht punkten. Windräder vor der Haustür gefährden nicht die Gesundheit der Rheinland-Pfälzer. Sie stören nur.

Die AfD ist im Westen angekommen

In Hamburg kam die AfD vor mehr als einem Jahr auf sechs Prozent, es war das erste Landesparlament im Westen, in das sie einzog. Damals war die Aufregung überschaubar, die AfD unter Lucke galt immer noch als nicht wirklich ernst zu nehmende Protestpartei, vordergründig für betuchte Herren in Tweed. Das ist jetzt anders, auch in Rheinland-Pfalz. Mit mehr als zehn Prozent gelingt ihr souverän der Sprung in den Landtag.

Sachsen-Anhalt

Das ist der Stand

Die CDU wird wie bei der letzten Wahl stärkste Partei, verliert allerdings leicht. Auch hier stürzt die SPD ab. Die AfD erzielt ihr stärkstes Ergebnis an diesem Wahlsonntag und wird zweitstärkste Partei. Die Linke wird nach Verlusten nur noch drittstärkste Kraft. Grüne und FDP bangen um den Einzug im Landtag. Nach diesem Stand wäre eine Neuauflage von Schwarz-Rot ausgeschlossen. Möglich wären Schwarz-Rot-Grün oder - falls die FDP es schaffen sollte - eine sogenannte Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und Liberalen.

Und das sind die Lehren

In Sachsen-Anhalt schwanken die Ergebnisse besonders stark

So richtig sicher fühlen kann sich keine Partei bei Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt - denn die Parteibindung in dem ostdeutschen Bundesland ist schwach. Es kommt nicht selten vor, dass Parteien bei einer Wahl großartige Ergebnisse erzielen - und in der nächsten wieder abstürzen. 1994 erhielt die CDU hier zum Beispiel 34,4 Prozent, zur Landtagswahl 1998 nur noch 22 Prozent - und kurz darauf, nämlich 2002 wieder 37,2 Prozent. Die SPD schaffte es, in den 90er Jahren auf 35,9 Prozent zur Wahl 1998 zu klettern und stürzte 2002 um ganze 15 Prozent ab. Die FDP zog 1998 mit 13,3 Prozent in den Landtag ein, nachdem sie in den beiden vorhergegangenen Landtagswahlen den Einzug jeweils verpasst hatte. Launisch ist er also, der Wähler in Sachsen-Anhalt.

Das zeigte sich auch bei dieser Wahl. Das gesamte linke Lager, das vor wenigen Monaten noch über eine Mehrheit in Umfragen verfügte, ist abgestürzt. Das gilt zumindest für die traditionell starke Linkspartei und für die SPD. Die Grünen bangen bei fünf Prozent um den Einzug in den Landtag. Welche Mehrheiten möglich sind - noch ist das völlig unklar. Kann sein, dass deswegen aus der Not heraus bald eine ungewöhnliche Konstellation Premiere feiert: Die Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen. Das geht allerdings nur, wenn die Öko-Partei auch in den Landtag kommt. Die eigentliche Gewinnerin der Wahl in diesem Jahr ist die Alternative für Deutschland. Sie zog aus dem Stand mit etwa 22 Prozent der Stimmen in den Landtag ein. Das führt zum zweiten Punkt:

Rechte Parteien haben es in Sachsen-Anhalt besonders leicht

Es ist nämlich nicht das erste Mal, dass eine rechte Partei in Sachsen-Anhalt ein Rekordergebnis erzielt. Wie in vielen anderen ostdeutschen Bundesländern haben es rechte Parteien hier besonders leicht. 1998 schaffte die DVU mit 12,9 Prozent aus dem Stand den Einzug in den Landtag. Es sollte ihr einziger Erfolg bleiben - kurz danach versank sie wieder in der Bedeutungslosigkeit. Die NPD verpasste 2011 hingegen nur knapp den Einzug. Und nun also die AfD. Sie mobilisiert wie keine rechte Partei seit der Wiedervereinigung bis ins bürgerlich-konservative Lager hinein - und greift besonders viele Nicht- und Protestwähler ab. Dieser Punkt könnte in Sachsen-Anhalt eine besondere Rolle spielen. Denn es ist das Bundesland mit der durchschnittlich niedrigsten Wahlbeteiligung. 2006 fiel sie hier auf ein historisches Tief von nur 44,4 Prozent, 2011 erholte sie sich immerhin auf 51,2 Prozent. Doch auch zur Bundestagswahl 2013 bildete Sachsen-Anhalt das Schlusslicht - mit einer Wahlbeteiligung von 62 Prozent.

Natürlich ist es aber auch die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel, die in diesem Wahlkampf eine besondere Rolle gespielt hat - auch wenn gerade einmal drei Prozent aller ankommenden Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt bleiben und das Land verhältnismäßig gut mit ihrer Unterbringung zurechtkommt, wie der bisherige Ministerpräsident Reiner Haseloff im Wahlkampf stets betonte.

Ohne starke Spitzenkandidaten wird es eng

Die Wahlkämpfe in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg waren geprägt von starken Spitzenkandidaten und - kandidatinnen. In Sachsen-Anhalt war das anders. Rainer Haseloff von der CDU hat zwar die höchsten Beliebtheitswerte der Spitzenkandidaten - gilt jedoch als wenig charismatisch. Mit dem wenig aufregenden Wahlkampfmotto "Keine Zeit für Experimente" musste seine Partei im Vergleich zu 2011 leichte Verluste hinnehmen und landet den Hochrechnungen zufolge bei etwa 30 Prozent. Katrin Budde von der SPD ist schon so lange dabei, dass mit ihr keine Wechselstimmung aufkam, kritisieren Beobachter den Wahlkampf. Und Wulf Gallert loben zwar quer durch die politischen Lager alle als pragmatisch und fähig, doch als Charismatiker gilt auch er nicht. Er versuchte außerdem bereits zum dritten Mal, Ministerpräsident zu werden. Das Ergebnis ist nun für niemanden richtig zufriedenstellend. CDU und Linke verloren, die SPD stürzte geradezu ab. Vielleicht ist das auch ein Zeichen: Ohne echt starke, überzeugende Spitzenkandidaten wird es halt eng.

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