Parteitag in Berlin:Die CDU muss das Streiten wieder lernen

CDU-Bundesparteitag

Die CDU-Spitze scheint mit dem Parteitag zufrieden zu sein.

(Foto: dpa)

Mehr Junge, mehr Neue, mehr Frauen - Merkel hat ihre Versprechen erfüllt. Doch das allein wird nicht reichen. Damit die Erneuerung gelingt, müssen die Christdemokraten wieder wissen, was sie außer dem Kanzleramt wollen.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Es kommt nicht oft vor, dass eine Parteichefin ihre Versprechen derart vollständig erfüllt. Angela Merkel hatte angekündigt, das Kabinett zu verjüngen. Das hat sie jetzt getan, der Altersdurchschnitt der CDU-Minister sinkt schlagartig um 15 Jahre. Merkel hatte versprochen, neue Gesichter zu präsentieren. Das erfüllt sie, vier der sechs CDU-Kandidaten werden zum ersten Mal Bundesminister. Und Merkel hatte zugesagt, Frauen stärker zu berücksichtigen. Auch hier hat sie Wort gehalten. Drei der sechs Minister und zwei der drei Staatsminister in Merkels Tableau sind Frauen. Obendrauf gibt es neben der Vorsitzenden Merkel auch eine Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer. In der CDU des Jahres 2018 ist das generische Maskulinum ein Anachronismus.

All das lässt die Partei auf einmal wieder der Zukunft zugewandt erscheinen. Doch mehr Junge, mehr Neue und mehr Frauen allein werden nicht reichen. Die "Erneuerung", die gerade von so vielen in der CDU verlangt wird, darf sich nicht auf die Personalauswahl beschränken. Denn entscheidend für die Zukunft der CDU wird vor allem die Frage sein, für was die Partei künftig stehen soll.

Die CDU braucht jetzt wieder einen Aufbruch "ins Offene"

In der CDU gibt es zwei Schulen. Die Merkelianer verweisen darauf, dass die Union bei der ersten Wahl der Kanzlerin 2005 auf 35,2 Prozent der Stimmen kam. Jetzt liege die Union in den Umfragen fast genauso gut, während die SPD ihr Ergebnis von damals halbiert habe. Das zeige doch, wie richtig der Kurs der vergangenen Jahre gewesen sei. Die Konservativen betonen dagegen, dass die Union bei der jüngsten Bundestagswahl das schlechteste Ergebnis seit 1949 einstecken musste und rechts von der Union eine neue Partei entstanden sei. Das beweise doch, wie überfällig ein Kurswechsel sei.

Für die CDU wäre aber sowohl ein "Weiter so" als auch ein Rechtsruck verheerend.

Wenn Merkel irgendwann einmal aufhört, darf die CDU kein Kanzlerinnen-Wahlverein mehr sein, wenn sie Erfolg haben will. Die Partei wird wieder lernen müssen, zu streiten. Und die CDU muss wieder mehr als eine Funktionspartei werden. Es ist gut, dass die Union sich gerade stärker als andere um die Bildung einer Regierung bemüht. Aber das darf nicht dazu führen, dass die CDU darauf verzichtet, Antworten auf drängende Fragen zu suchen: Wie soll die Partei auf die Sorge vieler Arbeitnehmer reagieren, Opfer der Digitalisierung oder der Globalisierung zu werden? Welche Antworten hat die CDU auf die Befürchtungen, Europa könne sein Sicherheits- und Wohlfahrtsversprechen bald nicht mehr erfüllen? Und wie geht sie mit dem Unbehagen der Bürger um, die die kulturelle Identität Deutschlands in Gefahr sehen?

Merkel hat bei ihrer ersten Wahl zur Vorsitzenden gesagt, sie wolle die Partei "ins Offene" führen. Auch jetzt bedarf es wieder eines Aufbruchs. Der Parteitag war ein Anfang. Es wird der Union guttun, dass die neue Generalsekretärin die CDU-Zentrale unabhängiger vom Kanzleramt führen will als das bisher der Fall war. Kramp-Karrenbauer ist wegen des damaligen Generalsekretärs Heiner Geißler in die CDU eingetreten, der hat sich gerne geschäftsführender Parteichef genannt. Mit diesem Selbstbewusstsein wird jetzt auch Kramp-Karrenbauer gegenüber der Regierung auftreten müssen. Der CDU muss wieder klar werden, was sie will. Und sie muss wieder deutlicher machen, was CDU pur ist und was nur Kompromiss um einer Koalition willen.

Merkel hat recht, wenn sie sagt, die CDU müsse eine "Volkspartei der Mitte" bleiben

Ein Rechtsruck wird der Partei dabei aber nicht helfen. Merkel hat recht, wenn sie sagt, die CDU sei eine "Volkspartei der Mitte", diese Haltung müsse die CDU "heute und morgen leiten". In der Mitte liegt die Mehrheit - und durch Annäherung an die Positionen der AfD hat noch niemand Wahlen gewonnen.

Die CDU wird sich künftig aber wieder stärker um ihre konservative Wurzel kümmern müssen. Spätestens nach dem großen Wahlerfolg 2013 dachte die CDU-Spitze, die Mahnungen der Konservativen in ihrer Partei nicht mehr ernst nehmen zu müssen. Das war gefährlicher Übermut. Auch Edmund Stoiber und Guido Westerwelle bekamen große Wahlerfolge nicht gut, weil sie anschließend jede Vorsicht fahren ließen.

Mit der Entscheidung für Kramp-Karrenbauer und dem Anstoß zu einer Debatte über ein neues Grundsatzprogramm entlässt Merkel ihre Partei jetzt ins Offene - zumindest ein bisschen. Sie lockert im Umgang mit ihrer CDU die Zügel. Aber genau deshalb hat Merkel die Partei jetzt wieder fester im Griff.

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