Ermittlungen im Saarland und in Hessen:Verdacht auf massiven Rezept-Betrug

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Patienten, die nie behandelt wurden, und gefälschte Rezepte: Ärzte und Apotheker stehen im Visier der Staatsanwaltschaften.

Von Detlef Esslinger

Patienten, die nie behandelt wurden, und Rezepte, die nur zum Schein ausgestellt wurden - darum geht es in mehr als 1000 Ermittlungsverfahren, die allein die Staatsanwaltschaft Saarbrücken derzeit gegen Ärzte, Apotheker und Privatpersonen führt. Aber offensichtlich ist, dass das Phänomen nicht nur auf das Saarland beschränkt ist.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main teilte am Montag auf Anfrage mit, dass sie von ihren Saarbrücker Kollegen die Ermittlungen gegen einen Apotheker aus Königstein im Taunus übernimmt. Vor dem Landgericht Coburg wiederum sind ein Arzt und zwei Apotheker angeklagt, ebenfalls wegen Rezeptbetrugs.

1000 Ermittlungsverfahren im Saarland sind allein dadurch zusammengekommen, dass ungefähr so viele Privatpersonen ihre Versichertenkarten den Komplizen von Ärzten und Apothekern zur Verfügung gestellt haben sollen, unter anderem den Betreibern eines Fitness-Studios.

Nach Darstellung des Saarbrücker Oberstaatsanwalts Raimund Weyand haben sie dafür jeweils 200 Euro erhalten. Die Betreiber des Fitness-Studios sollen die Chipkarten einem Arzt übergeben haben, der so die Möglichkeit erhielt, erfundene medizinische Leistungen mit den Krankenkassen der Versicherten abzurechnen.

Nach Darstellung Weyands sind mehrere tausend Personen in den Skandal verwickelt. Darüber hinaus sollen Ärzte nicht nur fingierte Leistungen berechnet, sondern auch Rezepte ausgestellt haben.

Helfer sollen diese in Apotheken gegen Bargeld, Kosmetik und das Potenzmittel Viagra eingetauscht haben. Die Apotheken rechneten die Rezepte wiederum normal ab.

"Taten enorm erleichtert"

Der Königsteiner Apotheker, mit dem sich nun die Staatsanwaltschaft Frankfurt beschäftigt, soll ein Infusionsmittel für Krebskranke, das jeweils 2000 Euro kostet, für 6000 Euro abgerechnet haben. Nach einem Bericht des Magazins Focus hat er damit einen Schaden im "hohen sechsstelligen Bereich" verursacht.

Dass der Betrug jeweils in großen Dimensionen vonstatten ging, geht auch aus den beiden Fällen hervor, mit denen sich bereits Gerichte beschäftigt haben. Der Coburger Prozess begann vor einer Woche.

Dort sollen der 63-jährige Arzt sowie die beiden 44 und 45 Jahre alten Apotheker die Krankenkassen AOK und KKH um 1,68 Millionen Euro betrogen haben. Der Arzt gestand inzwischen ein, 160 Rezepte für ein teures Bluter-Medikament ausgestellt zu haben - in bis zu 20-fach überhöhten Dosen.

Die Patienten sollen die Arzneien allerdings nicht oder nur in geringen Dosen bekommen haben. Die beiden Apotheker weisen die Vorwürfe zurück.

Das Landgericht Saarbrücken verurteilte vergangene Woche eine 53 Jahre alte Allgemeinärztin wegen Untreue und Betrugs in 2787 Fällen zu dreieinhalb Jahren Haft.

Sie prellte mit fingierten Leistungen und Scheinrezepten die Krankenkassen um 750.000 Euro. Die Richter gaben jedoch zu bedenken, Lücken im Überwachungssystem der Kassenärztlichen Vereinigung hätten die Taten "enorm erleichtert".

© SZ vom 7.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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