Ermittlungen gegen Christian Wulff:Flitterwochen ohne Nachspiel

Christian Wulff muss sich keine Gedanken mehr um eine strafrechtliche Relevanz seiner Hochzeitsreise machen. Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren eingestellt. Ein Versicherungsunternehmer hatte den damaligen Ministerpräsidenten 2008 nach Italien eingeladen - nachdem er sich im Bundesrat für Steuererleichterungen zugunsten der Branche ausgesprochen hatte.

Charlotte Frank

- Zumindest eine Sorge hat Christian Wulff jetzt weniger, eine von vielen: Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt nicht gegen den früheren Bundespräsidenten wegen seiner Hochzeitsreise in das italienische Anwesen eines Versicherungsunternehmers. Auch die Vorwürfe gegen Wulff wegen der Verwendung eines Preisgeldes über 10 000 Euro werden fallen gelassen. Es gebe "keinen Anlass zur Änderung der bisherigen Einschätzung, nach der keine zureichenden Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten vorliegen", erklärte die Staatsanwaltschaft am Dienstag.

Im März 2008, Bettina und Christian Wulff waren gerade frisch verheiratet, hatte der Aufsichtsratsvorsitzende der Talanx-Versicherungsgruppe, Wolf-Dieter Baumgartl, das Paar in seine Villa im italienischen Castiglioncello eingeladen. Christian Wulff war zu der Zeit noch CDU-Ministerpräsident von Niedersachsen. Es habe aufgrund der "kurz zuvor stattgefundenen Hochzeit einen plausiblen privaten Einladungsanlass" gegeben, erklärte die Staatsanwaltschaft nun zur Entscheidung, keine Ermittlungen aufzunehmen. Zudem habe das Paar die Flüge selbst bezahlt.

Die Reise hatte Christian Wulff den Vorwurf der Vorteilsnahme im Amt eingebracht, nachdem bekannt geworden war, dass er sich bei einer Bundesratsabstimmung im September 2007 für Steuererleichterungen für die Versicherungswirtschaft eingesetzt hatte - obwohl sich das niedersächsische Kabinett zuvor dagegen ausgesprochen hatte. Dann aber, kurz vor der Abstimmung im Bundesrat, erreichte Wulff ein Brief des Vorstands der Hannover Rück, einer Tochtergesellschaft der Talanx-Gruppe. Darin bat der Vorsitzende den Ministerpräsidenten, in der Länderkammer zugunsten der niedersächsischen Versicherungswirtschaft zu stimmen.

Und wirklich: Am 21. September stimmte Niedersachsen im Bundesrat entgegen dem zuvor getroffenen Kabinettsbeschluss - und für die Versicherer. Kurz darauf später flogen Wulff und seine Frau nach Castiglioncello. Die Staatsanwaltschaft teilt dazu nun mit: "Das Abstimmungsverhalten im Bundesrat entspricht standortpolitischen Entscheidungen und Vorstellungen des damaligen Ministerpräsidenten in anderen Fällen."

Ebenfalls keinen "Anfangsverdacht für verfolgbare Straftaten" sehen die Ermittler im Fall der 10 000 Euro, die Wulff im vergangenen Herbst mit dem Leo-Baeck-Preis erhalten hatte, den ihm der Zentralrat der Juden in Deutschland verliehen hatte. Wulff hatte das Preisgeld vorübergehend auf sein Privatkonto überwiesen, anstatt es, wie es guter Ton für Bundesminister und Bundespräsidenten ist, umgehend zu stiften. Erst auf Anfrage hatte er erklären lassen, er habe den Betrag später an den Freundeskreis des Chaim Sheba Medical Center in Israel überwiesen. Die sofortige Stiftung von Preisgeldern ist jedoch nirgends verbindlich vorgeschrieben.

Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion in Niedersachsen, Stefan Schostok, lobte die Staatsanwaltschaft am Dienstag für ihre Arbeit unter hohem Druck und erklärte, er vertraue deren Einschätzung, "dass die Ereignisse, die mit den Stichworten ,Talanx' und ,Leo-Baeck-Preis' verbunden sind, strafrechtlich irrelevant sind". Davon abgekoppelt sei allerdings deren politische Bewertung. In weiteren Verdachtsfällen gegen Wulff drängte Schostok aber auf Aufklärung: "Der Korruptionsverdacht steht nach wie vor im Raum."

Mehr als 20.000 Seiten Ermittlungsakten

Denn trotz der für Wulff positiven Nachrichten geht die Staatsanwaltschaft weiterhin dem Verdacht der Vorteilsannahme im Amt nach. Den Vorwürfen zufolge soll Wulff zwischen 2007 und 2008 dreimal vom Filmproduzenten David Groenewold Hotelaufenthalte angenommen haben: Ende Oktober 2007 verbrachte er demnach mit seiner Frau auf Groenewolds Kosten einen viertägigen Urlaub auf Sylt. Im August 2008, so der Vorwurf, soll der Filmproduzent das Paar noch einmal nach Sylt eingeladen haben, diesmal für eine ganze Woche. Einen Monat später soll er den Wulffs demnach einen Oktoberfestbesuch samt Hotelübernachtung in München bezahlt haben.

In allen drei Fällen muss die Justiz nun klären, ob Groenewold bei der Organisation der Reise mitgewirkt hat und ob er für die Fahrten des Präsidentenpaars bezahlt hat. Wulff gibt an, er und seine Frau hätten die Kosten selbst getragen.

Die Ermittlungen gegen Christian Wulff halten seit dessen Rücktritt am 17. Februar an. In dieser Zeit wurden bereits 93 Zeugen vernommen, 24 Ermittler des Landeskriminalamtes und vier Staatsanwälte der Zentralstelle für Korruptionsverfahren sind mit der Angelegenheit befasst; sie werteten bereits eine Million Dateien wie E-Mails und SMS aus, haben 380 Aktenordner sichergestellt und 45 Bankkonten mit zahlreichen Einzelbuchungen untersucht. Drei Staaten wurden um Rechtshilfe gebeten. Die Ermittlungsakten in der Causa Wulff sollen mehr als 20 000 Seiten umfassen.

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