Ermittlungen:Die Spur ins Weiße Haus

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Bundesanwalt Patrick Fitzgerald untersucht eine gezielte Indiskretion, die George Bush im Wahljahr gefährlich werden könnte. Es geht um den Vorwurf, dass ein Mitarbeiter im Weißen Haus die Identität einer CIA-Agentin verraten habe.

Von Wolfgang Koydl

Er hat Mafiamörder hinter Schloss und Riegel gebracht und Al-Qaida-Terroristen ins Gefängnis geschickt, er hat Drogenschmuggler ihrer Strafe zugeführt und einen Ex-Gouverneur verklagt. Und wenn alles so läuft, wie sich dies die Demokraten in Washington ausmalen, dann wird Patrick Fitzgerald bald auch dafür sorgen, dass der lange Arm des Gesetzes bis hinein ins Weiße Haus von Präsident George W. Bush reicht.

Es ist in der Tat nicht völlig von der Hand zu weisen, dass der wichtigste Berater des Präsidenten in Handschellen abgeführt werden könnte.

Denn der Bundesanwalt Fitzgerald aus Chicago soll als Sonderermittler einen Skandal untersuchen, um den es in den vergangenen Monaten zwar still geworden ist, der aber noch immer genügend Sprengkraft birgt, um die Präsidentschaft Bushs in diesem Wahljahr in Rauch aufgehen zu lassen.

Es geht um den Vorwurf, dass ein Mitarbeiter der Machtzentrale im Weißen Haus einem Zeitungskolumnisten die Identität der CIA-Agentin Valerie Plame verraten habe. Dies aber ist ein Vergehen, das mit einer Haftstrafe geahndet werden kann.

Die gezielte Indiskretion hatte einen politischen Zweck: Mit ihr sollte nicht die Agentin getroffen werden, sondern ihr Ehemann, der Ex-Botschafter Joseph Wilson. Er hatte sich erkühnt, in einem Zeitungsbeitrag Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Bemerkung in Bushs letzter Rede zur Lage der Nation anzumelden.

Der Präsident hatte gesagt, dass seiner Regierung Informationen vorlägen, wo-nach das irakische Regime versucht habe, sich in Afrika waffentaugliches Uran zu beschaffen. Wilson wusste, wovon er sprach: Schließlich hatte er selbst bei einer offiziellen Mission im westafrikanischen Niger festgestellt, dass diese Behauptung jeder Grundlage entbehrte.

"Dieser Bursche ist stahlhart"

Als Drahtzieher der Schmierkampagne vermutete Wilson den Bush-Berater Karl Rove, dem schon in der Vergangenheit schmutzige Tricks nicht fremd waren. Sollte sich Wilsons Behauptung als richtig erweisen, müsste sich Rove echte Sorgen machen. "Wer immer im Zusammenhang mit dieser Indiskretion einen Fehler begangen hat, hat keinen Anlass, Mut zu schöpfen", formulierte es der frühere stellvertretende US-Justizminister Eric Holder im Hinblick auf Fitzgerald.

"Dieser Bursche ist stahlhart", urteilte auch der Anwalt George Santangelo, der den mutmaßlichen Mafia-Don John Gambino in einem von Fitzgerald angestrengten Prozess als Mandanten vertreten hatte. "Der tut niemandem einen Gefallen; was der einmal angepackt hat, lässt er nicht mehr los."

Angesichts dieser Reputation ist es umso erstaunlicher, dass US-Justizminister John Ashcroft - ein enger Freund Bushs - ausgerechnet den Mann aus Chicago mit dem heiklen Fall beauftragt hat. Denn "Fitzie", wie Freunde den 43-jährigen Junggesellen nennen, verbeißt sich nicht nur hartnäckig wie ein Terrier in seine Fälle; er ist auch in ungewöhnlich hohem Maße unbestechlich und unparteiisch.

"Er ist schon immer neutral gewesen und hat immer nur eine Position vertreten, die ihm plausibel erschien", erinnerte sich der New Yorker Anwalt John Goggins, der Fitzgerald aus gemeinsamen Oberschultagen kennt. "Eine politische Ausrichtung hatte er eigentlich nie."

Ein Fall mit womöglich hochpolitischen Konsequenzen

Gerade das macht den Staatsanwalt zum idealen Ermittler in einem Fall mit womöglich hochpolitischen Konsequenzen, wie sogar Kritiker der Regierung einräumen müssen, die es eigentlich lieber gesehen hätten, wenn Ashcroft einen Ermittler berufen hätte, der keine Verbindung zum Justizministerium hat. "Fitzgerald ist wie eine Bulldogge", meinte der Anwalt Frederick Cohn. "Wenn schon jemand aus dem Justizministerium diesen Fall untersucht, dann ist er besser als jeder andere."

Seine Laufbahn begann der Sohn irischer Einwanderer aus Brooklyn als stellvertretender Bundesankläger für den Süden von New York, wo er sich bald zur Nemesis von Drogenhändlern und anderen organisierten Verbrechern entwickelte.

Landesweit Berühmtheit erlangte er, als er die Verurteilung des ägyptischen Scheichs Omar Abdelrahman für dessen Beteiligung an dem Bombenanschlag auf das World Trade Center 1993 durchsetzte. Auch gegen Osama bin Laden hat er schon eine Anklage vorbereitet.

Heute kommen die Verdachtspersonen nicht aus Übersee. Sie alle haben dieselbe Adresse: 1600 Pennsylvania Avenue, Washington. Diesmal führt die Spur unter Umständen ins Weiße Haus.

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