Ergebnis der Schlichtung:Geißler: Stuttgart 21 ist grundsätzlich richtig

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Vermittler Heiner Geißler verkündet seinen Schlicherspruch: Er plädiert für einen Weiterbau des umstrittenen Bahnprojekts - doch nur unter Auflagen. Die Bahn muss belegen, dass der neue Bahnhof leistungsfähiger ist als der alte.

Martin Kotynek, Stuttgart

Im Streit über das Bahnprojekt Stuttgart 21 hat der Vermittler Heiner Geißler in seinem Schlichterspruch für einen Weiterbau plädiert. Die Bahn muss jedoch in einem "Stresstest" nachweisen, dass der geplante Tiefbahnhof 30 Prozent leistungsfähiger ist als der jetzige Kopfbahnhof. Gelingt dies nicht, müsse die Bahn Änderungen vornehmen.

Vermittler Heiner Geißler verkündete sein Urteil zu Stuttgart 21. (Foto: dpa)

Befürworter und Kritiker des geplanten Bahnprojektes einigten sich am Dienstag darauf, dass das unabhängige Schweizer Gutachterbüro SMA in einer Simulation prüfen muss, ob es zutrifft, dass Stuttgart 21 auch in der Spitzenstunde so viele Zugverbindungen zulässt, wie die Bahn verspricht. Die Projektbetreiber verpflichten sich, alle Ergänzungen der Infrastruktur umzusetzen, die nach diesem Stresstest nötig werden. Bis wann die Ergebnisse vorliegen müssen, ließ Geißler offen. Als etwaige Änderung regte er an, den Tiefbahnhof um ein neuntes und zehntes Gleis zu vergrößern, die Verbindungstrasse "Wendlinger Kurve" zweigleisig zu bauen und den Flughafen zweigleisig an die Neubaustrecke nach Ulm anzubinden.

Unabhängig vom Ausgang des Stresstests müssen die Bürger an der Bebauung der Gleisflächen beteiligt werden, die durch den Umbau des Bahnhofs im Zentrum der Stadt frei werden. Um Immobilienspekulation zu verhindern, fordert Geißler, diese Grundstücke in eine Stiftung zu überführen. Die Flächen müssten zu erschwinglichen Preisen bebaut werden. Zudem dürften am Hauptbahnhof nur Bäume gefällt werden, die krank sind. Andere, die dem Bau im Weg stehen, müssen verpflanzt werden.

Die Gegner des Projekts hatten während der live im Fernsehen übertragenen Schlichtung das Fahrplankonzept der Bahn analysiert und massive Probleme bei der Pünktlichkeit von Zugverbindungen moniert. Unpünktliche Züge würden dazu führen, dass sich Verspätungen wegen der Engpässe in der geplanten Infrastruktur immer weiter aufschaukeln. Daher sei das Projekt weniger leistungsfähig als der heutige Stuttgarter Bahnhof.

Geißler sagte: "Ich empfehle der Bahn, aus diesen Kritikpunkten Konsequenzen zu ziehen." Dennoch halte er "die Entscheidung, Stuttgart21 fortzuführen, für richtig". Zugleich forderte er aber ein Stuttgart 21 Plus. "Ich kann den Bau von Stuttgart 21 nur befürworten, wenn deutliche Verbesserungen durchgeführt werden."

Geißler bezeichnete die Schlichtung als Erfolg. "Bürgerinitiativen und Minister, Bahnvorstände, Bürgermeister, Abgeordnete haben sich an einen Tisch gesetzt und Argumente ausgetauscht. Das wäre noch vor zwei Monaten unvorstellbar gewesen", sagte er. Die Zeit der "Basta-Politik" sei jetzt vorbei. Künftig müssten Großprojekte schneller und transparenter geplant werden. Geißler forderte: "Wir brauchen in Deutschland eine Verstärkung der unmittelbaren Demokratie. Wir sollten, um Entwicklungen wie bei Stuttgart 21 zu verhindern, das Beteiligungsverfahren der Schweiz übernehmen." Eine Volksabstimmung, ob Stuttgart 21 gebaut werden solle, sei rechtlich jedoch nicht mehr möglich.

Bahnchef Rüdiger Grube zeigte sich wie andere Befürworter zufrieden mit dem Schlichterspruch und sagte, er sei optimistisch, dass die Bahn den Kostenrahmen von 4,5 Milliarden Euro einhalten könne. Viele Kritiker waren dagegen enttäuscht. "Für uns steht Stuttgart 21 weiter infrage", sagte eine Sprecherin des Gegner-Bündnisses. Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, unterstützte die Forderung nach einem Baustopp.

Die Gruppe "Parkschützer" kündigte neue Proteste und Blockaden der Bauarbeiten an.

© SZ vom 01.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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