Erfolge der "Alternative für Deutschland":Warum die AfD alte Ängste bei CDU und CSU weckt

Brandenburg Holds State Elections

Alexander Gauland (r.), der Spitzenkandidat der AfD in Brandenburg bejubelt mit Bernd Lucke das Ergebnis ihrer Partei.

(Foto: Getty Images)

Die Wahlen in Thüringen und Brandenburg zeigen: Die AfD tut der Linken weh, sie tut der SPD weh und sie marginalisiert die FDP. Der Union aber setzt die AfD besonders zu. Die Linke dagegen ist demokratisch so stabilisiert, dass sie in Thüringen sogar den Ministerpräsidenten stellen könnte.

Kommentar von Heribert Prantl

Die deutsche Innenpolitik, von Angela Merkel temperiert und von der großen Koalition sediert, wird wieder prickelnd. Das liegt nicht an der Bundesregierung, die ihre innenpolitischen Höchstleistungen im Streit um die Maut erbringt. Das liegt auch nicht an der Opposition, die keine Mittel und kaum Möglichkeiten findet, sich gegen den Achtzig-Prozent-Block im Parlament durchzusetzen. In der Linkspartei gibt es immerhin noch ein paar gute Redner, bei den Grünen gibt es da nur noch Langeweile. Noch nie in den 31 Jahren, in denen die Partei nun im Bundestag sitzt, wurde grüne Politik dort so öde dargeboten.

Die neue Spannung kommt aus den Ländern; sie entwickelt sich aus den Ergebnissen der Landtagswahlen. Diese Wahlen, jüngst in Sachsen, jetzt in Thüringen und Brandenburg, stören die politische Bundesbräsigkeit aus zwei Gründen.

Erstens erzielt eine neue Partei, rechts von CDU und CSU, sensationelle Erfolge: die AfD. Das wird Eruptionen in der Union auslösen, die dortige Gelassenheit war gespielt.

Zweitens ist Die Linke alias PDS demokratisch so stabilisiert, dass sie sich in Thüringen immerhin Hoffnungen machen kann, in Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten zu stellen. Die SPD ist, auch wegen ihrer mickrigen Wahlergebnisse, gezwungen, ihr Verhältnis zu "links" zu klären. In Thüringen hat die Linkenphobie des SPD-Landeschefs Matschie das SPD-Desaster mitverursacht.

Die AfD als Sammelbecken wabernder Unzufriedenheit

Die AfD ist ein Sammelbecken wabernder Unzufriedenheit, deutschnational aufgeladen. Es gibt, wie an den Wahlergebnissen abzulesen, sehr viel Unzufriedenheit. In Brandenburg, wo die Linke bisher zusammen mit der SPD regiert, bekommt auch die Linke diese Unzufriedenheit massiv zu spüren. Die AfD tut der Linken weh, sie tut der SPD weh, sie marginalisiert die FDP; der Union aber tut die AfD ganz besonders weh. In der Union werden nun 25 Jahre alte Ängste wieder wach, Ängste aus der Zeit, als die Partei "Republikaner" Erfolge erzielte.

Die Republikaner waren eine CSU-Abspaltung. 1989 kamen sie ins Europaparlament und ins Berliner Abgeordnetenhaus, bis 2001 saßen sie im Stuttgarter Landtag. Franz Josef Straußens Motto, dass es rechts von der CSU "keine demokratisch legitimierte Partei geben" dürfe, schien ausgehebelt zu sein. Die Republikaner drifteten aber bald ins Braune, die Union hatte mit Abgrenzung Erfolg. Sie lehnte Kooperation strikt ab und drängte auch damit die Republikaner an den äußerst rechten Rand. Ob das mit der AfD wiederholbar ist? Das wird auch daran liegen, wie sehr diese AfD chaotisiert.

Fehler der SPD ermöglichen Erfolg der Linken in Thüringen

Der Linken-Erfolg in Thüringen ist ein anderer als der superbe AfD-Augenblickserfolg. Er ist auch Ergebnis nachhaltiger parlamentarischer Arbeit der Linken und nachhaltiger Fehler der SPD. Deren größter ist 25 Jahre her. Damals hatte sie sich, geführt von Hans-Jochen Vogel, geweigert, den sozialdemokratischen Flügel der SED in die SPD zu holen. CDU und FDP hatten mit der Einverleibung der DDR-Blockparteien weniger Skrupel.

Der Kabarettist Peter Ensikat schrieb treffend: "Unter denen, die die DDR nach dem Vorbild Gorbatschows reformieren wollten, waren nicht wenige SED-Mitglieder. Es waren nicht die Unfähigsten. Dass die SPD sich geweigert hat, sie aufzunehmen, hat die Folgen, mit denen die Sozis noch heute zu kämpfen haben."

Der SPD fehlt ihr linker Flügel, spätestens seitdem sie unter Gerhard Schröder das Gerechtigkeitspostulat aufgegeben und die Finanzmärkte liberalisiert hat. Ihr fehlt die Auseinandersetzung, die ihre Geschichte von Anfang an geprägt hatte. Ohne linken Flügel fliegt die SPD kaum mehr höher als bis 25 Prozent. Die Strategien erst der Totalabgrenzung, dann des Niederringens der PDS funktionierten nicht. Im Gegenteil: Die SPD rang sich selber nieder - in Thüringen und Sachsen besonders brutal.

Die Zeit der Rote-Socken-Kampagnen ist vorbei

Vor 20 Jahren hatte es der Sozialdemokrat Reinhard Höppner gewagt, in Sachsen-Anhalt mit einer von der PDS geduldeten Minderheitsregierung zu regieren. Von der Bundes-SPD wurde er getadelt, von der Union in der Luft zerrissen. Aber: Die Zeit der Rote-Socken-Kampagnen ist, 25 Jahre nach dem Mauerfall, vorbei.

Der Thüringer Linken-Spitzenmann Bodo Ramelow ist ein verostdeutschter West-Gewerkschafter, praktizierender Christ und bekennender Sozialist. Als Stalinisten kann man ihn bei schlechtestem Willen nicht bezeichnen; er ist halt linker Sozi in einer Partei, die nicht SPD heißt. Die wird bekennen müssen, wie "links" sie noch ist, auch wenn eine andere Partei diesen Namen zu ihrer Marke gemacht hat.

Die SPD ist die Partei mit der längsten Geschichte in Deutschland. Wer in der SPD in langen Zeiträumen denkt, wird sich auch überlegen, ob ein besseres Verhältnis mit der Linken irgendwann von einer Koalition zur Fusion führen kann.

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