Erbschaftsteuer: Gleichstellung Homosexueller:Partner fürs Leben

Mann und Frau, Frau und Frau, Mann und Mann: Das muss den Gerichten egal sein. Das Verfassungsgericht wertet die rechtliche Stellung schwuler und lesbischer Paare zu Recht auf.

Matthias Drobinski

Was für eine Verwicklung voll Dunkel und Elend ist es", so schrieb Émile Zola im Jahr 1895, "wenn die Natur in einem Augenblick der Unentschiedenheit den Jungen als halbes Mädchen, das Mädchen als halben Jungen geboren sein lasst!"

Schwulen-Kundgebung im Wallfahrtsort Altötting

Homosexuelle Paare dürfen gegenüber Eheleuten bei der Erbschaftsteuer nicht benachteiligt werden, weil sie "wie Ehegatten in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft" leben. Das Bild zeigt zwei Mitglieder der Volkstanzgruppe 'Schwuhplattler' bei einer Homosexuellen-Kundgebung im bayerischen Altötting im Jahr 2004.

(Foto: dpa/dpaweb)

Zola wollte damals den Homosexuellen helfen: Wenn die Natur Schwule und Lesben schon straft wie einen Buckligen mit dem Buckel, dann soll die Polizei sie nicht auch noch ins Gefängnis werfen. Zola stand 1895 ziemlich allein da mit seiner Meinung. Der Paragraph 175, der in Deutschland homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte, fiel erst 1994 völlig aus dem Strafgesetzbuch.

Kaum etwas hat sich seitdem so radikal gewandelt wie die Haltung des Staates zu den Schwulen und Lesben - was auch immer die Bürger über sie denken mögen. Das Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001 schützt und fördert unabhängig von der sexuellen Orientierung, dass sich zwei Menschen rechtlich verbindlich verpflichten, füreinander zu sorgen, in guten und in schlechten Tagen. Und wenn die Gemeinschaft auseinandergeht, muss der wirtschaftlich stärkere Partner den schwächeren weiter unterstützen.

Vor neun Jahren war das Gesetz umstritten; nun denkt auch eine unionsgeführte Regierung nicht im Traum daran, es rückgängig zu machen. Es ist ein Gesetz gegen die Bindungslosigkeit der Single-Gesellschaft; es nimmt der im Grundgesetz geschützten Ehe nichts.

Entsprechend konsequent hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit 2001 die Unterschiede der Lebenspartnerschaft zur Ehe Schritt um Schritt verringert. Das jetzige Urteil liegt ganz auf dieser Linie: Homosexuelle Paare dürfen gegenüber Eheleuten bei der Erbschaftsteuer nicht benachteiligt werden, weil sie "wie Ehegatten in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft" leben.

Nur zwischen Eltern und Kinderlosen muss unterschieden werden

Es bleiben Unterschiede zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft, vor allem beim Steuer- und im Adoptionsrecht. Sie werden auf Dauer nicht bleiben können. Der Gesetzgeber muss unterscheiden zwischen Paaren mit und Paaren ohne Kindern. Nicht aber, ob ein Paar aus Mann und Frau, Frau und Frau, Mann und Mann besteht.

Das Verfassungsgerichtsurteil führt fort, was 1875 mit der Zivilehe begann, was in der Scheidungsrechtsreform und im Lebenspartnerschaftsgesetz weiterging: Der Staat stellt Menschen, die sich aneinander binden, einen Rahmen zur Verfügung. Er kann nicht dafür sorgen, dass diese Menschen sich lieben, einander treu bleiben, Kinder bekommen, einen tieferen, religiösen Sinn in ihrer Ehe sehen. Das Unbehagen, das manche Menschen angesichts des Karlsruher Urteils spüren mögen, kommt daher, dass sie merken, wie unsicher alle diese Beziehungen geworden sind - und wie wenig Gesetze dies ändern können.

Ja: Der Rahmen, den der Staat da gibt, ist ein öder Rahmen. Doch ihn von der Ödnis befreien, mit Sinn und Liebe füllen, das müssen die Menschen selber: egal, ob schwul, lesbisch, heterosexuell.

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