Entwicklungspolitik der Spitzenkandidaten:Alle lieben Ouagadougou

Wie wirksam ist Entwicklungshilfe? Und wer wird Weltmeister 2010? Eine Lobbyorganisation fragte die Spitzenkandidaten der Parteien nach ihrer Sicht auf Afrika - und bekam verblüffend ähnliche Antworten.

Judith Raupp

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Wie wirksam ist Entwicklungshilfe? Und wer wird Weltmeister 2010? Die Lobbyorganisation One fragte die Spitzenkandidaten der Parteien vor der Bundestagswahl nach ihrer Sicht auf Afrika. Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sich aus Zeitgründen entschuldigte, schickten die Kandidaten der übrigen Parteien ihre Bögen zurück - mit zum Teil verblüffend ähnliche Antworten. sueddeutsche.de präsentiert Auszüge aus der Umfrage.Die Spitzenkandidaten - von links: Guido Westerwelle (FDP), Frank-Walter Steinmeier (SPD), Gregor Gysi (Die Linke), Jürgen Trittin (Grüne). Foto: www.seyboldtpress.de/dpa/ddp, Composing: sde/C. Büch

Entwicklungspolitik der Spitzenkandidaten

In welcher afrikanischen Metropole würden Sie am liebsten einen Abend genießen?

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Guido Westerwelle (FDP): "Wohl in Kapstadt, weil ich diese Metropole kenne, oder aus Neugier im senegalesischen Dakar."Frank-Walter Steinmeier (SPD): "Keine leichte Wahl! Afrikanische Metropolen sind so vielfältig wie der Kontinent insgesamt. In der ghanaischen Hauptstadt Accra habe ich einmal ein wunderschönes Konzert mit afrikanischer Musik erlebt. Ouagadougou in Burkina Faso war ganz anders, und dennoch erinnere ich mich gern. Da würde ich gern noch mal hin, zum berühmten afrikanischen Filmfestival."Jürgen Trittin (Grüne): "In Ouagadougou beim panafrikanischen Filmfestival Fespaco und dort auf Steinbrück anstoßen oder in Kapstadt indisch essen im Bukhara."Gregor Gysi (Linke): "In Pretoria."Foto: Segelregatta vor Kapstadt (Reuters)

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Welche Persönlichkeit Afrikas oder welches Ereignis auf dem Kontinent hat Ihnen kürzlich am meisten imponiert?

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Guido Westerwelle (FDP): "Dass in Ägypten noch immer tausende Kunstschätze aus der Pharaonenzeit im Wüstensand schlummern und fast jeden Monat wieder etwas Sensationelles entdeckt wird."Frank-Walter Steinmeier (SPD): "Sehr beeindruckt war ich vom Finale des Afrika-Cups 2008 in Ghana. Der damalige ghanaische Präsident Kufuor hatte mich eingeladen. Das war Spitzenfußball und eine fantastische Stimmung. Und Persönlichkeiten? Natürlich Wole Soyinka, nicht nur der erste Literaturnobelpreisträger aus Afrika, sondern in den 90er Jahren mutiger Kämpfer gegen die korrupte Abacha-Diktatur in seiner Heimat Nigeria."Jürgen Trittin (Grüne): "Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai und natürlich Nelson Mandela."Gregor Gysi (Linke): "Es sind vor allem diejenigen, die - meist unbemerkt von der westlichen Öffentlichkeit - einen schwierigen und nicht selten lebensgefährlichen tagtäglichen Kampf gegen Machtmissbrauch, Korruption und Klüngelwirtschaft führen, die mich beeindrucken. Sie sind die wahren Helden Afrikas und verdienen unsere volle Unterstützung. Außerdem gab es Ende April die Klage des Strafrechtsprofessors Mark Pieth aus Basel gegen die Rückübertragung der Millionen Schweizer Franken, die der Diktator Mobutu Sese Seko im damaligen Zaire seinem Volk gestohlen und in der Schweiz verborgen hatte. Pieths Engagement macht Hoffnung, dass der Diebstahl öffentlicher Gelder durch einige Mächtige in Afrika, der leider auch heute noch verbreitet ist, eines Tages international geächtet wird."Foto: Der frühere südafrikanische Präsident Nelson Mandela (Reuters)

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Wer steht im Finale der Fußball-WM 2010?

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Guido Westerwelle (FDP): "Deutschland, ist doch klar."Frank-Walter Steinmeier (SPD): "Ich hoffe natürlich Deutschland, am besten gegen Gastgeber Südafrika. Das Wichtigste aber ist eine faire und spannende WM, ein Fußballfest mit Freunden aus aller Welt, so wie wir es 2006 bei uns in Deutschland erlebt haben."Jürgen Trittin (Grüne): "Spanien - Kamerun."Gregor Gysi (Linke): "Eine lateinamerikanische und eine europäische Mannschaft. Unter den letzten Vier ist auch eine afrikanische Mannschaft. Mehr verrate ich nicht."Foto: "Zakumi" ist das Maskottchen der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika (Reuters)

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Das falscheste Vorurteil über Entwicklungszusammenarbeit ist, ...

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Guido Westerwelle (FDP): "... dass wir keinerlei eigenes Interesse an der Hilfe hätten. Mehr Wohlstand und mehr Stabilität bei unseren Nachbarn nutzt auch uns."Frank-Walter Steinmeier (SPD): "... dass die Projekte und Kooperationen nichts bringen und von realitätsfremden Weltverbesserern betrieben werden. Das ist komplett falsch. Das Gegenteil ist richtig: Entwicklungszusammenarbeit heute ist nicht nur hoch professionell, sie ist vor allem gut vernetzt mit den Menschen vor Ort. Augenhöhe und Respekt sind entscheidend. So stärken wir nicht nur die Entwicklung, sondern auch den Dialog."Jürgen Trittin (Grüne): "... dass sie eh nichts bringt - weil das eine billige Ausrede der Reichen ist."Gregor Gysi (Linke): "... dass sie völlig selbstlos und ohne Eigeninteresse der Geberländer geleistet wird. Es stehen meistens die Interessen der reichen Industriestaaten im Vordergrund, wenn es um die konkrete Gestaltung der Zusammenarbeit geht. Ein Vielfaches dessen, was als Hilfe von Nord nach Süd fließt, kommt zurück: über Zinstilgungen, Kapitalflucht, ungerechte Handelsbeziehungen, die den Süden strukturell benachteiligen. Seit Jahrhunderten wird Umverteilung zugunsten des Nordens organisiert. Daran ist viel Entwicklung im Süden gescheitert."Foto: Mutter mit unterernährtem Kind in einem äthiopischen Flüchtlingslager, 2005 (dpa)

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Das zutreffendste Vorurteil über Entwicklungszusammenarbeit ist ...

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Guido Westerwelle (FDP): "... dass leider immer noch viel zu viel Geld auf den Konten korrupter Bürokraten landet."Frank-Walter Steinmeier (SPD): "dass wir noch immer vor riesigen Herausforderungen stehen. Kriege und Bürgerkriege, Diktatur, Korruption, Armut und Krankheiten stellen die Idee der Entwicklungszusammenarbeit hart auf die Probe. Trotzdem gilt: Der Erfolg guter Projekte, zum Beispiel die Entwaffnung und soziale Integration von Kindersoldaten, macht Hoffnung. Kleinmut ist falsch. Ich glaube, wir können Gewalt eindämmen, Hunger und Krankheiten besiegen, wenn wir die globale Verantwortung ernst nehmen und unsere beträchtlichen Möglichkeiten auf die richtigen Ziele konzentrieren."Jürgen Trittin (Grüne): "... dass Hilfe sich selbst überflüssig machen muss."Gregor Gysi (Linke): "... dass sie Abhängigkeiten verstärkt und Entwicklung häufig behindert statt fördert. Hilfe wird allzu oft an politisches Wohlverhalten geknüpft. Ein Großteil fließt in Beratergehälter oder wird, ohne das Geberland zu verlassen, direkt an dessen Institutionen und Konzerne geleitet. Die Linke fordert finanzielle Unterstützung ohne Paternalismus, die die Empfängerinnen und Empfänger selbst verwalten und nach ihren Bedürfnissen und gemäß ihren eigenen Entwicklungsstrategien einsetzen können."Foto: Neubau eines Kinderzentrums in Namibia (dpa)

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In einer Regierung würde ich dafür sorgen, dass Entwicklungszusammenarbeit ...

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Guido Westerwelle (FDP): "... stärker an gute Regierungsführung und die Einhaltung der Menschenrechte gekoppelt wird. Regime, die Mädchen zwangsverheiraten oder beschneiden lassen, oder Machthaber, die Minderheiten steinigen, haben keine Budgethilfe verdient."Frank-Walter Steinmeier (SPD): "dass Deutschland vorangeht bei der globalen Solidarität und dem Kampf gegen die Armut. Dafür sichern wir die nötigen finanziellen Mittel. Wir stehen zu unserer Zusage, bis 2010 0,51 Prozent und bis 2015 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Wir wollen alles tun, um die Zahl in Armut lebender Menschen bis 2015 zu halbieren. Ich will dabei intensiv mit Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, Kirchen und Wirtschaft zusammenarbeiten. Mit der SPD wird die Entwicklungszusammenarbeit auch weiterhin in einem eigenständigen Ministerium gesteuert."Jürgen Trittin (Grüne): "... in der Außen-, Handels-, Finanz-, Agrar- und Klimapolitik eine zentrale Rolle spielt."Gregor Gysi (Linke): "... im Bundeshaushalt erheblich zu Lasten der Rüstungsausgaben gestärkt wird. Die Verwirklichung des Menschenrechts auf Nahrung muss zentrales Ziel der Entwicklungszusammenarbeit sein. Dazu will die Linke die Ernährungssouveränität in den Ländern des Südens stärken. Statt der exportorientierten Agrarindustrie müssen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, angepasste Technologien sowie eine gerechte Land- und Ressourcenverteilung ins Zentrum der Förderung gerückt werden."Foto: Bundesentwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) im Berliner Reichstag (AP)

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Wie sieht Afrika im Jahr 2025 aus?

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Guido Westerwelle (FDP): "Ähnlich wie Europa. Und besser, wenn die Herren Mugabe in Simbabwe und al-Baschir in Sudan Demokraten Platz gemacht haben. Und noch besser, wenn der Kampf gegen HIV/Aids wieder überall ernster genommen wird. Und am besten, wenn es statt gescheiterter Staaten mehr Demokratien und regionale Zusammenschlüsse gibt."Frank-Walter Steinmeier (SPD): "Mein Wunsch ist, dass Afrika ein wirtschaftlich starker und politisch geeinter Partner ist, der auf die globale Bühne tritt und mit uns die Globalisierung gerechter gestaltet. Ein Kontinent, in dem kein Kind hungert, kein Kind zur Waffe gezwungen wird, in dem die Menschen die Chance auf Bildung und ein gesundes Leben in einer friedlichen und lebenswerten Umwelt haben."Jürgen Trittin (Grüne): "Denkbar ist: Es gibt eine Afrikanische Union mit deren Handlungsfähigkeit niemand gerechnet hätte, Regierungen und Gesellschaften, die klug die Ressourcen ihrer Länder nutzen. Ich wünsche mir ein Afrika, in dem niemand mehr hungert und alle Menschen Zugang zu Wasser, Gesundheitsvorsorge und Energie haben."Gregor Gysi (Linke): "Die afrikanischen Staaten haben ein großes Entwicklungspotential: Die demografische Entwicklung, die kulturelle Vielfalt, die Erfahrungen antikolonialer Kämpfe und sozialer Organisationen, die natürlichen Ressourcen. Dieser gesellschaftliche Reichtum wird durch die bestehende Weltwirtschaftsordnung daran gehindert, sich zu entfalten. Diese Blockade kann aufgelöst werden. Die Industrieländer stehen in der Pflicht, den von ihnen maßgeblich verursachten Klimawandel zu stoppen und hier wie dort den Ausbau von erneuerbaren Energien zu forcieren. Ein neues gerechtes Welthandelssystem muss regionale wirtschaftliche Zusammenschlüsse in Afrika stärken, damit eine selbständige Entwicklung in Gang gesetzt werden kann. Durch Investitionen in Bildung, Agrarreformen und gute Arbeitsmöglichkeiten können vorhandene Potenziale in Wert gesetzt werden. Ich bin sicher, dass es bei entsprechendem politischen Willen und mit gemeinsamen Anstrengungen möglich wäre, die afrikanischen Regionen so zu stärken, dass sie vor sozialen Krisen geschützt sind und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern menschenwürdige Lebens- und Arbeitschancen bieten."Foto: Simbabwes Präsident Robert Mugabe (dpa)

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Was die Wenigsten wissen:

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Guido Westerwelle (FDP): "Das von Peer Steinbrück (SPD-Finanzminister, Anm. d. Red.) heftig gescholtene Ouagadougou in Burkina Faso veranstaltet alle zwei Jahre Afrikas wohl spannendstes Film-Festival."Frank-Walter Steinmeier (SPD): "In Afrika ist schon heute viel in Bewegung gekommen. Die durchschnittlichen Wachstumsraten betragen über fünf Prozent. Afrika ist ein internationaler Partner mit eigenen Ideen und Initiativen. Zwischen Afrika und Deutschland gibt es eine lebhafte Zusammenarbeit im kulturellen Bereich. Die Palette reicht von Straßenfußballprojekten in Burkina Faso bis zum jährlichen 'Africa Festival' in Würzburg. Diesen Dialog wollen wir intensivieren. Dazu habe ich im letzten Jahr die 'Aktion Afrika' ins Leben gerufen - für mehr Goethe-Institute in Afrika, mehr Künstleraustausch, mehr Förderung von Jugend, Sport und Schulen."Jürgen Trittin (Grüne): "Dass wir Deutschen viele Jahre lang mehr Geld im Osten Deutschlands investiert haben als weitweit von allen Gebern für die weltweite staatliche Entwicklungszusammenarbeit ausgeben worden ist."Gregor Gysi (Linke): "Im 15. und 16. Jahrhundert stand in Timbuktu (gelegen im heutigen Mali) die wissenschaftliche Unterweisung von Studierenden aus ganz Westafrika in voller Blüte. Die kürzlich aufgefundenen umfangreichen Sammlungen arabischer Schriften aus dieser Zeit und früheren Zeiten widerlegen eindrucksvoll den Mythos vom geschichts- und schriftlosen Kontinent."Foto: Plakat des Filmfestivals in Ougadougou (AFP)

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