Entwicklungshilfe:Alle Macht bei Niebel

Gut ist, dass Minister Dirk Niebel drei Entwicklungsorganisationen fusioniert, schlecht, dass keiner weiß, wozu.

Stefan Braun

Am Anfang war der Spruch mit dem Hund. Als sich das Entwicklungsministerium zu Beginn des Jahres daran machte, die deutschen Entwicklungsorganisationen zu fusionieren, war in den Fluren des Ministeriums immer wieder zu hören, jetzt müsse Schluss sein damit, dass der Schwanz mit dem Hund wackelt. Es gab viel böses Blut deswegen, und all das hat die Fusion nicht erleichtert.

German Weekly Cabinet Meeting

Setzte die bislang größte Reform der staatlichen Entwicklungshilfe in Deutschland durch: Dirk Niebel.

(Foto: Getty Images)

Trotzdem ist der Satz nicht falsch gewesen. Denn über Jahrzehnte hinweg hatte sich in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ein Zustand ergeben, in dem nicht das Ministerium, sondern die in dessen Auftrag tätige "Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit" (GTZ) den Auftritt des Landes im Ausland prägte. Mit der Unterschrift zur Schaffung der neuen "Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit" (GIZ) ist das passé. Die alte GTZ wird in der neuen GIZ nicht mehr allein das Sagen haben. Und was noch wichtiger ist: Das Ministerium hat wieder die Macht, über Deutschlands Entwicklungspolitik und Erscheinungsbild selbst zu entscheiden.

Die Ursachen für die verquere Lage der Vergangenheit lagen nicht nur bei der ehrgeizigen und zunehmend selbstständig handelnden GTZ. Es lag auch daran, dass viele Minister und Staatssekretäre nicht mächtig oder nicht entschlossen genug waren, die Zügel in die Hand zu nehmen. Und so kam es, dass die meisten Experten lieber in die aktive GTZ als in ein manchmal verschlafenes Ministerium gingen. Und das wiederum führte dazu, dass die Chefs der GTZ immer selbstbewusster agierten, sich in den Parteien ein eigenes Netzwerk schufen und zu einem eigenen Machtfaktor wurden. Aus Sicht der GTZ war das sehr verständlich, aus Sicht des Ministeriums wurde daraus eine schleichende Entmachtung. Dass Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) das nun beendet, zeigt zuallererst, wie entschlossen er ist, Macht auszuüben.

Niebels Schritt zeigt allerdings auch, wie schnell ein Amt jeden Politiker verändert. Den alten FDP-Vorschlag, das Ministerium ins Auswärtige Amt einzugliedern, würde Niebel nicht mehr machen. Er genießt die eigenen Freiheiten, und klammheimlich auch die Distanz zum eigenen Noch-Parteichef. Als er ins Amt kam, wurde er ob seiner Unerfahrenheit belächelt. Nachdem er nun seinen Machtanspruch unterstrichen hat, fragen sich staatliche wie private Hilfsorganisationen, was er mit seiner Macht anfangen möchte.

Offiziell soll die Fusion der GTZ mit dem Deutschen Entwicklungsdienst und der Weiterbildungsagentur Inwent den deutschen Auftritt im Ausland vereinheitlichen, es soll Mehrfachstrukturen abschaffen, den Aufwand der ausländischen Partner bei der Zusammenarbeit verringern und nebenbei die Absurdität beenden, dass an vielen Orten der Erde drei staatliche deutsche Organisationen mit drei oder noch mehr Jeeps aufkreuzen. Das zu ändern, war überfällig und in Zeiten knapper Kassen absolut richtig.

Die Reformer freilich räumen selbst ein, dass echte Spar-Erfolge noch auf sich warten lassen werden. Dass die neue Organisation einen siebenköpfigen Vorstand braucht, um alle Interessen auszutarieren, spricht Bände. Auf die Frage, was Niebel politisch mit seiner neuen Macht anfangen möchte, hat der Minister allerdings bis heute keine umfassende und erst recht keine überzeugende Antwort gegeben. Schlimmer noch: Das wenige, was sich andeutet, geht in die falsche Richtung. Denn während Niebel national eine Fusion erzwingt, also die Kräfte bündelt, will er international vor allem die bilaterale Zusammenarbeit fördern. Und das auch noch in privat-staatlichen Kooperationen. So sorgt man nicht dafür, dass die Welt ihre Armutsprobleme gemeinsam anpackt. So bereitet man den Boden für die Durchsetzung deutscher (Mittelstands-)Interessen. Niebels Fusion ist geglückt. Über Niebels Politik lässt sich das bislang nicht behaupten.

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