Entscheidung zum Unterhaltsrecht:Väter, Mütter, Kinder

Die unselige Geschichte der Herabsetzung unehelicher Kinder geht mit dem Urteil des Verfassungsgerichts endgültig zu Ende. Eine Affäre ist zwar etwas anderes als eine Ehe - aber nicht für das Kind.

Heribert Prantl

Steht einem ehelichen Kind mehr persönliche Betreuung zu als einem nichtehelichen Kind? Darf die Ehelichkeit der Kinder durch Gesetz prämiert werden?

Ist es richtig, wenn die Mutter eines nichtehelichen Kindes spätestens drei Jahre nach der Geburt wieder arbeiten gehen muss - die Mutter eines ehelichen Kindes aber erst nach acht oder gar erst nach 16 Jahren?

Steht es in Einklang mit der Verfassung, wenn der Vater eines nichtehelichen Kindes maximal drei Jahre lang einen sogenannten Betreuungsunterhalt an die Mutter zu entrichten hat, der von der Mutter geschiedene Vater eines ehelichen Kindes aber unbefristet zahlen muss, mindestens acht, oft 16 Jahre lang, manchmal noch länger?

Die "nacheheliche Solidarität"

Darf das Gesetz solche Unterschiede machen? Auf diese Fragen haben bisher alle Staatsgewalten laut "Ja" gerufen: Der Gesetzgeber hat Ja gesagt, die Gerichte und die meisten Politiker auch. Diese Ungleichbehandlung folge, meinten sie, aus der "nachehelichen Solidarität".

Es sei eben etwas anderes, ob das Kind die Frucht eines flüchtigen sexuellen Abenteuers sei oder die Frucht einer ehelichen Beziehung. Nun ist eine bloße Affäre natürlich etwas anderes als eine Ehe - aber nicht für das Kind.

Der Betreuungsunterhalt ist nicht dafür da, dem betreuenden Elternteil, sondern dem Kind etwas Gutes zu tun. Wie viel ein Kind an persönlicher Betreuung bedarf, richtet sich aber nicht danach, ob es ehelich oder nichtehelich geboren ist. Das Bundesverfassungsgericht hat daher die bisherige Ungleichbehandlung für verfassungswidrig erklärt.

Diese Entscheidung ist gestern, am Verfassungstag, bekannt gemacht worden. Die lange und unselige Geschichte der rechtlichen Herabsetzung nichtehelicher Kinder geht damit endgültig zu Ende.

Auf dem Papier des Grundgesetzes war das schon lange so: "Den nichtehelichen Kindern" , so fordert es nämlich der Artikel 6 Absatz 5, "sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung zu schaffen wie den ehelichen Kindern".

Nun muss der Gesetzgeber aber die letzten Konsequenzen ziehen. Er muss die bisher unterschiedlichen Regelungen angleichen. Der Gesetzgeber kann es sich dabei aussuchen, ob er künftig alle Kinder nach dem bisherigen Muster für eheliche Kinder behandelt - oder ob er alle Kinder nach dem bisherigen Muster für nichteheliche Kinder behandelt.

Kosten für den Staat drohen

Das höchste Gericht hat hier keine Vorschriften gemacht; nur diese eine: Gleichbehandlung muss sein. Man muss kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, wie es kommen wird: Der Betreuungsunterhalt wird für alle auf drei Jahre begrenzt werden - und es wird eine gesetzliche Öffnungsklausel für Sonderfälle, eine Verlängerungsklausel im Einzelfall geben, wenn das Kind (etwa wegen Behinderung oder Erkrankung) einer längeren persönlichen Betreuung durch ein Elternteil bedarf.

Warum? Weil es einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem dritten Lebensjahr gibt. Und weil das Recht es auch ansonsten in allen einschlägigen Paragrafen (etwa denen des Sozialgesetzbuches) für ausreichend hält, dass ein Kind in den ersten drei Lebensjahren von einem Elternteil persönlich betreut wird.

Wollte der Gesetzgeber die Latte höherlegen (auf acht Jahre zum Beispiel), dann müsste er auch im Sozialrecht die Zumutbarkeitsgrenze für die Arbeitsaufnahme entsprechend anheben. Das würde den Staat viel Geld kosten.

Und zweitens würde dies das Konzept der Kinderbetreuung in Kindergärten konterkarieren. Kinder leiden bekanntlich in einem Kindergarten nicht, sondern können dort besser gefördert werden als zu Hause. Es wäre im Übrigen paradox, wenn auf der einen Seite das Angebot an Kinderkrippen deutlich erhöht, andererseits aber der Betreuungsunterhalt generell ausgeweitet würde.

Das bisher geltende Recht, das eheliche Kinder (beziehungsweise ihre Mütter) gegenüber nichtehelichen Kindern und deren Mütter bevorzugt hat, war ein Relikt des alten Ehe- und Familienbildes. Es war geprägt von der traditionellen Rollenverteilung: "Mann arbeitet, Frau betreut die Kinder; ihr sollte nach der Scheidung nicht zugemutet werden, wieder ins Erwerbsleben einzutreten; für die Kinder sei es nämlich am besten, so lange wie nur möglich von der Mutter betreut zu werden".

Das traditionelle Familienbild hat im Gesetzbuch überlebt

Dies war und ist der Gehalt des bisher geltenden Paragraphen 1570 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Dort hat das traditionelle Familienbild überlebt - und das Gerede von der "nachehelichen Solidarität" war der Weihrauch, mit dem dies umnebelt und legitimiert worden ist. Damit ist es nun vorbei.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat erhebliche Auswirkungen auf die Reform des Unterhaltsrechts, die am 1. Juli in Kraft treten sollte. Diese Reform setzt nämlich die Mutter eines nichteheliches Kindes bei der Rangfolge der Unterhaltsanprüche hinter die Mutter des ehelichen Kindes.

Wenn die Mutter deswegen keinen Unterhalt bekommt, muss sie arbeiten gehen oder von der Sozialhilfe leben. Beides trifft auch das Kind. Solche mittelbaren Ungerechtigkeiten, solche Benachteiligung des nichtehelichen Kindes hat das höchste Gericht soeben verboten. Vor dem Gesetz sind alle Kinder gleich.

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