Entscheidung zum Unterhaltsrecht:Karlsruhe bringt Berliner Zeitplan durcheinander

Die Verfassungsrichter haben die bisherige Regelung zu Unterhaltsansprüchen gekippt. Das Urteil kommt in einem heiklen Moment: Eigentlich wollte die Koalition am Freitag die Reform des Unterhaltsrechts verabschieden. Nun ist unklar, ob der Termin einzuhalten ist.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Unterhaltsanspruch unverheirateter und geschiedener Mütter droht die Reform des Unterhaltsrechts in letzter Minute zu verzögern. Zugleich betonten sowohl Vertreter der Union als auch der SPD, dass ihre Position durch die Entscheidung bestätigt werde.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ließ am heutigen Mittwoch offen, ob das Gesetz wie geplant am Freitag im Bundestag verabschiedet werden und am 1. Juli in Kraft treten kann. "Das kann ich noch nicht sagen", erklärte die SPD-Politikerin. Darüber werde bis zum morgigen Donnerstag entschieden werden.

Entwurf muss überprüft werden

Bis dahin werde der Richterspruch genau studiert und der Gesetzentwurf daraufhin überprüft werden, inwieweit die geforderte Angleichung darin schon vollzogen sei. Der Rechtsausschuss des Bundestags, der den mühsam ausgehandelten Koalitionskompromiss am Mittwoch hätte beschließen sollen, vertagte sich daher auf Donnerstag.

Zypries zeigte sich zuversichtlich, dass etwaige Korrekturen an dem neuen Gesetz sehr schnell gemacht werden könnten. Zumindest die neue Unterhaltstabelle soll nach ihrer Vorstellung zum 1. Juli gelten. Die Ministerin äußerte sich im übrigen erfreut darüber, dass das Verfassungsgericht die Position der SPD bestätigt habe, wonach es bei der Betreuung von Kindern nicht darauf ankomme, ob sie ehelich oder unehelich geboren seien.

Bisher haben geschiedene Mütter oder Väter, die sich um den Nachwuchs kümmern, bis zum achten Lebensjahr oder sogar bis zum Ende der Grundschulzeit des Kindes Anspruch auf Unterhalt, ohne selbst arbeiten gehen zu müssen. Bei Unverheirateten entfällt der Anspruch in der Regel nach drei Jahren.

Bundesjustizministerium und Bundesgerichtshof haben diesen Unterschied bisher mit Blick auf den Schutz der Ehe für gerechtfertigt gehalten. Vorerst sind die Vorschriften aber weiter anwendbar; ein neues Gesetz muss bis Ende 2008 geschaffen werden. (Az: 1 BvL 9/04 - Beschluss vom 28. Februar 2007)

Zypries sagte weiter, vor allem die CSU werde ihr Familienbild im Lichte dieser Entscheidung noch einmal sorgfältig überprüfen müssen. Einen neuen Koalitionskrach erwartet Zypries jedoch nicht: "Wenn das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, halten sich die Parteien daran."

Langes Tauziehen vor Kompromiss

Die Union sieht nach Worten von Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen durch die Unterhalts-Entscheidung des Verfassungsgerichts ihre Position bestätigt.

Röttgen sagte: "Die am Freitag im Bundestag zu verabschiedende Reform des Unterhaltsrechtes trägt der im Urteil geforderten Gleichbehandlung Rechnung", versicherte Röttgen. Gleichwohl werde "selbstverständlich" in der auf Donnerstag verschobenen Ausschussberatung das Gesetz auf der Grundlage des Urteils noch einmal überprüft.

Die Koalition von Union und SPD hatte sich im März nach langem Tauziehen auf die Reform verständigt. Auf Druck der Union war dabei bereits eine Gleichstellung von unverheirateten und geschiedenen Müttern bei der Dauer des Betreuungsunterhalts in die Reform aufgenommen worden.

Die Frage ist allerdings, ob die Karlsruher Entscheidung nun den Gesetzgeber dazu zwingt, die Elternteile auch bei der Verteilung des Betreuungsunterhalt gleich zu behandeln. Nach dem Kompromiss werden geschiedene Mütter besser gestellt als Mütter, die nie mit dem Unterhaltsschuldner verheiratet waren.

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