Entlohnung von V-Männern:Subventionierung der braunen Szene

Sie sollen Informationen über die rechte Szene sammeln - und werden dafür vom Staat gut bezahlt. Viele V-Leute unterstützen damit aber auch rechte Organisationen.

Von Hans Leyendecker und Tanjev Schultz

Schlecht hat Uwe Kranz als Leiter des Landeskriminalamts Thüringen nicht verdient, aber wütend macht den Ex-Beamten, was der Staat Neonazis zusteckte, hinter denen er damals her war und die heimlich als Zuträger für den Verfassungsschutz arbeiteten.

So soll allein der V-Mann "Otto" alias Tino Brandt in der Zeit von 1994 bis 2001 vom thüringischen Verfassungsschutz insgesamt umgerechnet 100 000 Euro bekommen haben. In diesem Zeitraum sollen die Erfurter Geheimen 1,5 Millionen Euro in bar für "nachrichtendienstliche Zwecke" gezahlt haben.

"Ich fasse es nicht."

Solche Summen sind nur anonyme Zahlen, aber das viele Geld für die Spitzel treibt Kranz um. Ein paar Tausend Euro im Monat, so viel "habe ich damals gerade so verdient". Und Tino Brandt habe ihm als Neonazi viel Arbeit gemacht, denn schließlich habe er damals die Neonazi-Kameradschaft "Thüringer Heimatschutz" gegründet "und den ganzen Laden hochgezogen", sagte Kranz vor dem Erfurter Untersuchungsausschuss. "Ich fasse es nicht. Ich darf gar nicht darüber nachdenken."

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Was Spitzel höchstens bekommen dürfen und was passiert, wenn sie mit dem Geld die braune Bewegung finanzieren, wird nun von Reformern diskutiert. Die 100 000 Euro für Tino Brandt sind vermutlich die absolute Obergrenze. Über die hohe Summe haben Verfassungsschützer in anderen Bundesländern gestaunt. Eine Regel, sagen sie, fordere, dass die V-Leute nicht dauerhaft von den Honoraren des Staates abhängig sein dürften.

Über den Spitzel Kai D., der für den bayerischen Verfassungsschutz im Einsatz war, kursiert das Gerücht, er habe im Laufe eines Jahrzehnts mehr als 75 000 Euro bekommen. Die Thüringer Quelle "Küche", die der Behörde nicht sehr lange zu Diensten war, wird ebenfalls auf eine hohe fünfstellige Summe geschätzt.

Eine neue Identität kostet Geld

Der Neonazi Tino Brandt gab voriges Jahr in einer Vernehmung zu Protokoll, er habe mit dem Geld vom Staat seine politische Arbeit finanziert und davon sogar Geldstrafen für einen braunen Kameraden bezahlt. "Für mich persönlich war es ein Nullsummenspiel", behauptet er.

Über das viele Geld vom Staat hat "Otto" auch in einem aufgezeichneten Gespräch mit einem anderen Neonazi gesprochen und darauf hingewiesen, dass brutto nicht netto sei: "Es ist pauschal versteuert mit 'nem geringen Steuersatz, das geht."

Die Floskel "das geht" ist noch eine Untertreibung. In der Regel führen die Nachrichtendienste für Tipp-Geber wie "Otto" nur pauschal zehn Prozent Steuern an den Fiskus ab. Werbungskosten und außergewöhnliche Belastungen können nicht berücksichtigt werden.

Da die Ämter die Tipp-Geber schützen wollen, kann es in diesen Fällen keine individuelle Besteuerung geben. Die zehn Prozent Steuern für V-Leute entsprechen auch dem Steuer-Satz für die Lieferanten von Steuer-CDs. Auch in diesen Fällen werden sie pauschal abgeführt.

Eigentlich ist die Spitzel-Tätigkeit ein Nebenverdienst

Bei den Neonazis gibt es noch ein paar Feinheiten, die von den CD-Lieferanten nicht bekannt sind. Einige der braunen Zuträger sind angeblich arbeitslos und kassieren Hartz IV oder andere Sozialleistungen. Eigentlich müssten sie ihre Spitzel-Tätigkeit als Nebenverdienst angeben, aber der Quellenschutz erleichtert den Betrug.

Fliegt ein V-Mann auf, geben die Behörden oft noch einmal sehr viel Geld aus, um ihn vor möglichen Racheakten aus der Szene zu schützen und ihm notfalls sogar eine neue Identität und ein neues Leben zu ermöglichen. Viele der enttarnten Quellen des Verfassungsschutzes behaupten später wie Tino Brandt, sie hätten das Geld fürs Agitieren verwendet. Es sei - zumindest zum größten Teil - in die braune Szene geflossen. Das mag oft eine Schutzbehauptung sein, unplausibel ist es nicht.

"Schön zu wissen, dass der Verfassungsschutz die nationale Bewegung in Thüringen aufgebaut hat. Das ist schon sehr cool", sagt anerkennend ein bundesweit führender Neonazi, als er mit "Otto" über dessen frühere Spitzel-Arbeit plaudert. Und "Otto" weist seinen Gesprächspartner darauf hin, dass er leider keine Rente vom Verfassungsschutz bekommen werde: "Ich habe mich mit denen auch darüber unterhalten, aber . . . nein."

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