Enteignung:Aus Liebe zum System

Das neue Enteignungsgesetz versucht, die bisherigen Strukturen des Finanzsystems zu erhalten. Das Lamento der FDP, der Staat vergreife sich an den Grundfesten der Wirtschaft ist Unfug.

Heribert Prantl

In immer mehr Hochhäusern werden die Müllschlucker abgeschafft und durch bessere Systeme ersetzt: Sie sind nämlich umweltschädlich, sie stinken und sie geraten bisweilen in Brand. Der größte Milliardenschlucker des deutschen Finanzsystems aber bleibt in der bisherigen Form erhalten.

Enteignung: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik gibt es ein Enteignungsgesetz: An der Arbeitsweise der HRE wird sich dadurch nicht viel ändern.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik gibt es ein Enteignungsgesetz: An der Arbeitsweise der HRE wird sich dadurch nicht viel ändern.

(Foto: Foto: ddp)

Das sogenannte Enteignungsgesetz, das am Freitag im Bundestag verabschiedet wurde, ändert an der Arbeits- und Funktionsweise, an den Zielen und Mechanismen der HRE-Bank überhaupt nichts. Es ist nur so, dass die Schächte und Klappen der Bank künftig vom Staat kontrolliert werden, der dort ja auch ein Schweinegeld hineinwirft.

Das bisherige System als solches aber bleibt erhalten. Der Staat zahlt dafür, er bedient künftig auch die Hebel und er hofft, dass alles funktioniert - auf dass nichts in Brand gerät. Wenn das so klappt, gibt er die Hebel wieder aus der Hand. Das Lamento der FDP darüber, dass der Staat sich an den Grundstrukturen des Wirtschaftssystems vergreife, ist also Unfug.

Der Staat handelt nicht systemwidrig, sondern systemkonform. Das Enteignungsgesetz ist im Kern kein Enteignungs-, sondern ein Erhaltungsgesetz. Es versucht, die Strukturen des Finanzmarkts zu bewahren.

Es ist zwar so, dass es zum ersten Mal in der Geschichte der Republik ein solches Enteignungsgesetz gibt; zum ersten Mal in der Geschichte der Enteignungen überhaupt werden aber hier Werte enteignet, die nichts mehr wert sind (und die durch die Enteignung wieder etwas wert werden sollen).

Nur diese eine Möglichkeit

Es ist also mitnichten so, dass am Freitag die letzte Stunde des Finanzkapitalismus geschlagen hat. Schade wäre es zwar nicht; aber es ist nicht so. Es ist vielmehr so, dass der Staat dort ungeheuer viel Geld investiert in der Hoffnung, dass der Laden dann wieder läuft.

Die Enteignung des Rest-Aktionärs Flowers, der seine Aktien nicht an den Staat verkaufen will (um so später an den staatlichen Milliarden zu profitieren), ist ein marktwirtschaftlicher Akt: Wer zahlt, schafft an. Der Staat hat in der konkreten Situation nur die Möglichkeit der Enteignung - oder der Beendigung des finanziellen Engagements. Alles andere wäre ein Kapitaldelikt, nämlich die Veruntreuung der Milliardengelder der Steuerzahler.

Der Staat rettet also das alte, gescheiterte Finanzsystem. Eigentlich müssten die Enteignungsgesetz-Kritiker aus der FDP und CDU/CSU jubeln. Wenn es stimmt, dass man in der größten Wirtschaftskrise seit vielen Jahrzehnten, gar seit 1929 steht - dann wären aber ganz andere, tiefgreifende Maßnahmen veranlasst.

Vor sechzig Jahren gab es nach der Währungsreform eine umwälzende Wirtschaftsreform, die Montanmitbestimmung; sie hat gesellschaftliche Interessen in die Entscheidungsprozesse der Montankonzerne integriert. Solche grundlegenden Reformüberlegungen fehlen heute: Es geht um die Einbeziehung von Arbeitnehmer- und von Gemeinwohlanliegen in die Entscheidungsprozesse des Finanzmarkts. Darüber sollte man im Bundestag reden und streiten.

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