Energiepolitik:Berlin macht EU-Nachbarn nervös

Energiepolitik: Europas Strommärkte sind eng miteinander vernetzt.

Europas Strommärkte sind eng miteinander vernetzt.

(Foto: dpa)

Europas Strommärkte sind eng miteinander vernetzt. Jetzt hat Energieminister Sigmar Gabriel ein Eckpunktepapier zur grünen Stromerzeugung verschickt - nur noch nicht an Brüssel. Die EU-Kollegen sind empört.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel

Am Montag hat EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy einen Brief geschrieben, der offiziell an alle 28 Präsidenten, Premierminister und Kanzler der Gemeinschaft verschickt wurde. Van Rompuy hat die über die künftigen europäischen Klimaziele heillos zerstrittenen 28 Regierungen gewarnt, die Energiepolitik einseitig in den Vordergrund zu stellen und dabei den Klimaschutz zu vergessen. "Es wäre künstlich, Energieziele festzulegen ohne auch an das Klima zu denken", schreibt Van Rompuy.

Direkt im nächsten Absatz wird klar, dass der Brief und die von der Bundesregierung für kommenden Mittwoch angekündigten Beschlüsse für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zeitlich aus gutem Grund zusammenfallen. "Ich möchte unterstreichen", schreibt Van Rompuy, "dass wir im Bereich der Energiepolitik wichtige Orientierungen im Mai 2013 beschlossen haben".

Der Belgier erinnert diplomatisch daran, dass es einen europäischen Binnenmarkt gibt und dazu Beschlüsse, die alle 28 Regierungen unterschrieben haben. Beispielsweise den vom 22. Mai 2013. Auf einem EU-Gipfeltreffen. Damals verpflichteten sich alle Mitgliedstaaten, dass sie "regelmäßig Informationen über die wichtigsten nationalen Entscheidungen im Energiebereich, die sich auf die anderen Mitgliedstaaten auswirken können, austauschen". Es ist der Satz, der deutlich macht, dass der Brief einen ganz besonderen Adressaten hat: die große Koalition in Berlin.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat Eckpunkte zur Reform der Grünstromerzeugung verschickt. Aber leider nur an nationale Ressorts, und nicht, wie versprochen, nach Brüssel. Die Kollegen in den anderen europäischen Ländern, insbesondere in denen, die an Deutschland grenzen, sind darüber nervös bis empört. Und deshalb schiebt Van Rompuy einen eindeutigen Satz hinterher: "Es wäre außerordentlich hilfreich, wenn Sie die Partner über jeden wichtigen aktuellen oder geplanten Beschluss in der Energiepolitik informieren könnten, der andere Mitgliedstaaten beeinflusst, damit es möglich ist, die Koordination unter den Partnern zu verbessern."

"Das ist nationale Fragmentierung"

Der spontane Ausstieg der Deutschen aus der Atomenergie und die im nationalen Alleingang beschlossenen Energiewende sind in schlechter Erinnerung. Schon 2012 gab es spürbare Auswirkungen auf die Energiemärkte und Stromnetze europäischer Nachbarn. So beschwerten sich die Tschechen über eine Einschränkung ihrer Netzstabilität wegen deutschem Windstrom, der von Nord- nach Süddeutschland über tschechische Netze umgeleitet wird.

Und die Dänen haben erst kürzlich wieder dagegen protestiert, dass Deutschland die Kapazität des Transportkabels zwischen Norddeutschland und Dänemark künstlich niedrig hält. "Nur ein Drittel der Kapazität ist verfügbar", sagt Carsten Chachah, Netzexperte im dänischen Energieverband Dansk Energi, der SZ. "Das ist kein Binnenmarkt, das ist nationale Fragmentierung", kritisiert der Däne. Deshalb pochen die Nachbarn Deutschlands jetzt darauf, frühzeitig informiert zu werden. Deutschen EU-Diplomaten ist das erneute Schweigen in Berlin am Montag unangenehm. Sobald das Bundeskabinett über die Vorschläge Gabriels entschieden habe, würden die Papiere auch in Brüssel verschickt werden, heißt es.

Derweil bemühte sich das Wirtschaftsministerium, den Dissens zwischen Gabriel und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) zu entschärfen. Es gebe keinen Streit wegen der geplanten Drosselung des Windkraftausbaus. "Beide sind sich einig, dass dem Ausbau der Windkraft an Land auch in Zukunft eine entscheidende Rolle zukommt", sagte Gabriels Sprecher. Ebenso seien sie sich aber einig, dass Überförderungen abgebaut werden müssten. "Insofern gibt es da keinen unüberwindbaren Dissens."

Albig hatte zuvor die Pläne für eine Ausbaubegrenzung und Förderkürzungen im windreichen Norden als "volkswirtschaftlich unsinnig" bezeichnet. Die CSU dagegen äußerte sich grundsätzlich zufrieden. "Durchaus in Ordnung", sagte Parteichef Horst Seehofer vor einer CSU-Vorstandssitzung in München. Das Konzept sei " ein erster Schritt zur Umsetzung der Energiewende in der neuen Regierung, den wir prinzipiell unterstützen".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: