Energie:Unverzichtbar

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Als größter Erdgasproduzent der Welt, der über 70 Prozent der russischen Reserven verfügt, ist Gazprom für das Land ohne Frage ein Unternehmen, das man wohl mit dem Begriff "systemrelevant" beschreiben kann.

Von Julian Hans

Als größter Erdgasproduzent der Welt, der über 70 Prozent der russischen Reserven verfügt, ist Gazprom für das Land ohne Frage ein Unternehmen, das man mit dem in Mode gekommenen Begriff "systemrelevant" beschreiben kann. 51 Prozent des Unternehmens gehören dem russischen Staat, der Rest ist in Streubesitz überwiegend bei internationalen Anlagefonds, keiner hält aber mehr als ein Prozent.

Bei der Beurteilung der Bedeutung von Gazprom werden zwei Dinge oft verwechselt: der reine Beitrag zur Volkswirtschaft und der politische Stellenwert. Öl und Gas machen zwei Drittel der russischen Exporte aus. Der russische Haushalt speist sich etwa zur Hälfte aus den Exporterlösen dieser Energieträger. Den bei Weitem größten Anteil hat daran aber nicht Gas, sondern Öl; die Erlöse aus seinem Verkauf übersteigen die Einnahmen aus dem Gasexport etwa um das Sechsfache. Im vergangenen Jahr brachte der Ölexport rund 190 Milliarden Dollar für die Staatskasse ein, der Gasexport dagegen vergleichsweise bescheidene 28 Milliarden. Dass sich der Ölpreis seit vergangenem Sommer mehr als halbiert hat, wird durch den ebenfalls schwachen Rubel abgefedert: Es gibt jetzt weniger Dollar für das Barrel, dafür aber mehr Rubel für den Dollar, so dass die Verluste für den Haushalt am Ende zu verkraften sind. Nur die Verbraucher trifft das hart.

Ganz anders steht es um die strategisch-politische Bedeutung. Öl kann relativ einfach auf dem Weltmarkt eingekauft werden, daher ist die Konkurrenz unmittelbar: Wenn der Preis oder das politische Klima nicht stimmen, sieht man sich nach einem anderen Anbieter um. Geliefert wird außer per Pipeline auch per Öltanker. Diese Flexibilität gibt es beim Gas nicht, mit der Verlegung von Pipelines fallen langfristige strategische Entscheidungen, mit denen sich Staaten auf Jahrzehnte aneinanderbinden. Der Staatskonzern wird damit zu einem Instrument der Politik, etwa wenn Gazprom inzwischen systematisch Gasnetze in ehemaligen Sowjetrepubliken aufkauft.

© SZ vom 23.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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