Energie:Trassenkampf

Energie: Tausende Demonstranten protestieren am 31.01.2015 in Pegnitz (Bayern) gegen die geplante Gleichstromtrasse Süd-Ost.

Tausende Demonstranten protestieren am 31.01.2015 in Pegnitz (Bayern) gegen die geplante Gleichstromtrasse Süd-Ost.

(Foto: David Ebener/dpa)

Bayern beharrt im Streit um den Verlauf der geplanten Stromleitung auf seinem umstrittenen Vorschlag.

Von Susanne Höll, Josef Kelnberger und Frank Müller

Bayern sucht nach neuen Stromquellen für die postatomare Zeit, und es mutet fast schade an, dass das Land nicht einfach seinen Landesvater anzapfen kann. Horst Seehofer nämlich steht an diesem Montagmorgen wieder einmal beträchtlich unter Strom. Es ist ein schöner Sonnentag in München, die Solarzellen laufen auf Hochtouren. Im Hof der CSU-Zentrale an der Nymphenburger Straße steht der Parteichef in einem besonderen Spannungsverhältnis, als er den Stand der Energiewende erklärt: "Es ist eine nationale Aufgabe", findet er. Einerseits. "Mir geht's um Bayern", sagt er. Andererseits.

Seitdem am Wochenende der offizielle bayerische Regierungsvorschlag vorliegt, wie der Freistaat die neuen Stromleitungen möglichst um das Staatsgebiet herumlenken will, gibt es bundesweit wieder einmal viel Kopfschütteln über die Bayern. Seehofer hat die Attacken auch aus dem eigenen Lager, etwa von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), gelesen. "Das ist Ahnungslosigkeit, absolute Ahnungslosigkeit", schäumt der CSU-Chef. "Das kann nur durch Hessen gehen", sagt Seehofer über die Stromtrasse Suedlink. "Wo soll es denn sonst durchgehen?" Seehofer redet sich über die "Anti-Bayern" in Medien und Politik in Rage. "Es ist unglaublich, wie manche Medien gegen die bayerische Bevölkerung schreiben."

Dabei hat Seehofer recht damit, dass die angeblich neue Variante gar nicht wirklich neu ist. Schon seit Monaten machen Seehofer und seine Energieministerin Ilse Aigner solche Varianten auf. Neu ist vor allem, dass sich Seehofer selbst nun damit abgefunden zu haben scheint, dass zwei neue Leitungen Strom aus dem Norden in den Freistaat bringen sollen - bis nach Gundremmingen und bis Landshut oder Ingolstadt. Da die Energiewende nun einmal nicht optimal laufe, könne es sein, dass diese Leitungen kämen, deutet Seehofer an. Nun gehe es vor allem darum, die Lasten fairer zu verteilen, sagt Aigner. Nach den bisherigen Plänen entfielen 400 Kilometer auf Bayern und nur 100 auf Baden-Württemberg. Der neue Vorschlag bringe etwa einen Gleichstand.

In der baden-württembergischen Regierung hatte man seit Herbst mit einem neuerlichen Störmanöver aus Bayern gerechnet. Dass Bayern nun allerdings die Suedlink-Trasse dreist dem Nachbarn aufs Auge drücken will, registrierte man doch einigermaßen verblüfft. Der grüne Umweltminister Franz Untersteller weist das Ansinnen energisch zurück und will das Aigner demnächst auch in einem persönlichen Brief darlegen. Die Argumente der grün-roten Regierung in Stuttgart sind bekannt: Die Trassen seien ein nationales Projekt, deren Planung sei hoch komplex und seit Jahren im Konsens erfolgt - nun plötzlich alles auf Null zu stellen, könne sich niemand leisten. Und was die faire Lastenverteilung betrifft: Auch auf baden-württembergischem Gebiet seien bereits zwei Trassen geplant. Sollte das Ländle nun eine dritte übernehmen, damit Bayern mit einer davonkommt?

Untersteller und Aigner verstehen sich dem Vernehmen nach recht gut, aber in Stuttgart ahnt man, dass die neue Suedlink-Wendung Horst Seehofers Idee ist. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat in einem SZ-Interview dessen Trassen-Politik bereits als "nicht verantwortlich" bezeichnet: Nun müssten sich eben Kanzlerin Merkel und Wirtschaftsminister Gabriel gegen das aufmüpfige Bayern durchsetzen. Zumindest wahlkampftaktisch kommt dem grün-roten Lager der bayerische Vorstoß zupass. Denn CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf, der gern Nähe zur CSU demonstriert, hatte Seehofer am Sonntag noch in Schutz genommen. Das kommt nicht gut an im Land. Die grüne Fraktionsvorsitzende Edith Sitzmann kritisierte, Wolf mache sich damit zu Seehofers "Handlanger" und "verrate" baden-württembergische Interessen. Wolf ließ daraufhin verbreiten: "Die Trassenpläne der bayerischen Landesregierung dürfen nicht zulasten von Baden-Württemberg gehen."

In der hessischen Landesregierung werden, ungeachtet aller lautstarken Proteste, die bayerischen Vorschläge zum Trassenverlauf nicht ernst genommen. Der Vorschlag aus München bedeute eine Verlegung des bislang vereinbarten Suedlink-Endpunkts, argumentiert das hessische, vom grünen Vize-Ministerpräsidenten Tarek Al-Wazir geführte Wirtschaftsressort. Dann aber müsse das Bundesbedarfsplangesetz geändert werden, was im Bundestag und Bundesrat auf entschiedenen Widerstand stoßen werde. "Die hessische Landesregierung ist gespannt, ob das Land Bayern tatsächlich eine solch aussichtslose Initiative starten will", ließ Al-Wazir erklären.

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