Flüchtlinge:Elternnachzug: Vater, Mutter, Streit

Syrische Flüchtlinge in Deutschland

Diese Familie ist vereint. Wie grundsätzlich mit dem Elternnachzug bei Flüchtlingen umgegangen werden soll, ist noch offen.

(Foto: dpa)

Wann dürfen junge Flüchtlinge ihre Angehörigen nach Deutschland holen? Die Große Koalition hat Mühe, sich zu einigen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Eigentlich sollte das Problem zügig gelöst werden, noch am Sonntag. Doch der Konflikt um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ist bis jetzt nicht ausgeräumt. Seit Montagmorgen hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mit Justizminister Heiko Maas (SPD) nach einem Kompromiss zum Elternnachzug unbegleiteter minderjährige Flüchtlinge gesucht. "Wir können nicht sagen, ob ein Ergebnis gefunden wird", sagte eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums.

Am Montagabend kamen die Minister erneut zusammen. Nach Verabschiedung des Asylpakets II war es in der Koalition zu Ärger über den Elternnachzug unbegleiteter jugendlicher Flüchtlinge gekommen. Sie genießen laut UN-Kinderrechtskonvention besonderen Schutz. Auch in Deutschland können sie nach Abschluss des Asylverfahrens ihre Eltern nachholen.

Im Asylpaket II hat die Koalition nun den Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz ausgesetzt - also für Geflüchtete, die weder Anspruch auf Asyl haben noch unter die Genfer Konvention fallen, unter ihnen viele Syrer. Von dieser zweijährigen Sperre des Familiennachzugs sollten alleinreisende junge Flüchtlinge ausgenommen werden. Durch einen Fehler des Bundesfamilienministeriums und wegen mangelnden Interesses in der SPD wurde jedoch ein Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium verabschiedet, nach dem auch allein geflohenen Jugendlichen zwei Jahre lang der Nachzug von Eltern untersagt werden kann.

Ihr Haus habe die Änderung im Entwurf bemerkt, sagte die Sprecherin des Familienministeriums, "aber die Tragweite der Veränderung wurde anders eingeschätzt." Dies sei ein Fehler gewesen. Später ergänzte sie, das Gesetz könne unterschiedlich ausgelegt werden. In keinem Fall aber lasse das internationale Recht die Einschränkung des Elternnachzugs zu. Dieser sei "ein Härtefall, weil die vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohls und das ganz besondere Schutzbedürfnis eine humanitäre Aufnahme begründen würde."

Nur jeder fünfte Asylantrag unbegleiteter Minderjähriger hatte Erfolg

Im Bundesinnenministerium klang das etwas anders. Die Aussetzung des Elternnachzug sei kein Versehen gewesen und im Sinne der Parteivorsitzenden, hieß es dort: "Interpretationsspielraum gibt es aus unserer Sicht nicht." Allerdings sei die Zahl jugendlicher Flüchtlinge gering, die eine Aussetzung des Elternnachzugs betreffe. 2015 hätten nur 105 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland subsidiären Schutz erhalten. Möglicherweise wachse die Zahl noch etwas, wenn alle Asylanträge bearbeitet seien. Massenhafter Elternnachzug aber sei nicht zu erwarten.

Bedingung für den Nachzug von Eltern ist, dass ein Jugendlicher erfolgreich sein Asylverfahren abschließt. Viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge stellen aber gar keinen Asylantrag. Nicht nur, weil etliche sich den Behörden entziehen. Die Chancen Jugendlicher sind auch gering, individuelle Verfolgung nachzuweisen. Von 14 439 Asylanträgen unbegleiteter Minderjähriger wurden 2015 laut Bundesinnenministeriums nur 2922 bewilligt. Auf Anraten von Verbänden beschränken sich viele Jugendliche daher von vornherein auf eine Duldung. Die aber schließt den Nachzug von Eltern aus.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat inzwischen Einzelfalllösungen beim Elternnachzug gefordert. "Ich hoffe, dass wir die Kollegen aus der CDU überzeugen können, dass man am Ende nach menschlichem Ermessen entscheiden muss, nach Nächstenliebe und Verantwortungsbewusstsein", sagte der Vizekanzler.

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