Elektronische Gesundheitskarte:Die erste Bewährungsprobe

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1000 Praxen werden peu à peu an das Datennetz angeschlossen. (Foto: Stephan Rumpf)

Ausgewählte Ärzte sollen den Umgang mit der neuen Chipkarte für Krankenversicherte in der Praxis testen.

Von Kim Björn Becker, München

Was soll sie nicht alles können, die elektronische Gesundheitskarte: Röntgenbilder anzeigen, Diagnosen und Arztbriefe dokumentieren, ja eine ganze Patientenakte soll elektronisch abrufbar sein. So weit ist die Technik in Deutschland noch nicht, jahrelanger Planung zum Trotz. Doch seit diesem Wochenende ist die Idee zumindest einen großen Schritt weitergekommen - denn da sollten die ersten zwei Dutzend Arztpraxen an das neue Datennetz angeschlossen werden; sie sollten eine erste Funktion der neuen Versichertenkarten ausprobieren.

Im Vergleich zu dem, was die Karte später einmal möglich machen soll, klingt das noch vergleichsweise unspektakulär: Es geht zunächst nur um die sogenannten Stammdaten der Patienten - also Name, Anschrift, Versicherungsnummer und so weiter. Ärzte sollen diese Daten in Zukunft überprüfen und bei Bedarf aktualisieren können.

Dass ausgewählte Ärzte und Patienten nun eine erste Funktion der elektronischen Gesundheitskarte nutzen können, sei ein "wichtiger Schritt auf dem Weg zur flächendeckenden Einführung", sagte Alexander Beyer der Süddeutschen Zeitung. Beyer ist Chef der Berliner Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte, kurz Gematik. Ärzte, Krankenkassen, Apotheker und Kliniken haben die Gematik Anfang 2005 gegründet, damit sie ein besonders geschütztes Datennetz aufbaut, mit dem sensible Gesundheitsdaten sicher ausgetauscht werden können. Die meisten Versicherten verfügen bereits über die elektronische Gesundheitskarte, können die Funktionen aber noch nicht nutzen.

Das soll sich nun schrittweise ändern. Etwas mehr als 20 Arztpraxen in der Testregion Nordwest - diese umfasst die Bundesländer Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz - sollten in den vergangenen Tagen von Technikern der Gematik mit Geräten ausgestattet werden, welche die Versichertenkarten auslesen können. Bis ins kommende Jahr hinein soll die Zahl auf 500 Praxen steigen, zudem sollen sechs Krankenhäuser eingebunden werden. In einer zweiten Testregion, die Bayern und Sachsen einschließt, sollen zeitgleich weitere 500 Praxen und fünf Kliniken angeschlossen werden. Bei dem Test, der nun beginnt, gehe es darum, die Abläufe in den Praxen zu überprüfen, sagte Beyer. Wie gut lassen sich die Lesegeräte installieren? Wie intensiv muss das Personal geschult werden? Gibt es Fehler beim Datenabgleich? "Wenn alles zufriedenstellend verläuft, sieht es mit der bundesweiten Einführung gut aus", sagte Beyer.

Er wollte nicht sagen, wann genau welche Funktionen möglich sein sollen. Bislang war jedoch vorgesehen, dass die Ärzte bundesweit bis spätestens 2018 die Stammdaten ihrer Patienten überprüfen können. Im selben Jahr sollen alle Versicherten die Möglichkeit bekommen, auf Wunsch wichtige Notfall-Informationen wie Blutgruppe, vorhandene Krankheiten und Allergien vermerken zu lassen. So schreibt es das Bundesgesundheitsministerium vor. Auch ein digitaler Medikationsplan, in dem alle verordneten Arzneien aufgelistet sind, soll von 2018 an genutzt werden können. Das, so wirbt Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), könne Leben retten.

Um den Prozess zu beschleunigen, hat der Bundestag der Gematik Fristen gesetzt und mit Strafzahlungen gedroht. Auch Ärzte müssen mit finanziellen Einbußen rechnen, wenn sie von 2018 an nicht mitmachen, obwohl die technischen Voraussetzungen dafür vorliegen. Zugleich gilt es für die Befürworter der Gesundheitskarte, weiter Überzeugungsarbeit zu leisten. Noch immer sind etliche Bürger dagegen, dass ihre Patientendaten elektronisch verarbeitet werden. Vor drei Jahren lehnten fünf Prozent der rund 70 Millionen gesetzlich Versicherten die Karte ab, auch die Ärzte votierten in der Vergangenheit mehrfach dagegen. "Der Patient muss Herr seiner Daten sein, er entscheidet, wer was sehen oder bearbeiten kann", sagte Beyer. Er glaube, dass die Skepsis nachlasse, wenn konkrete medizinische Anwendungen zur Verfügung stehen.

© SZ vom 21.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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