El-Masri-Anwalt:"Eingriff in die geschützte Sphäre der Anwaltschaft"

Lesezeit: 3 min

Als die Ermittler das Telefon seines Mandanten el-Masri abhörten, hatte dessen Anwalt Manfred Gnjidic keine Einwände. Dass sie sein eigenes Telefon im vergangenen halben Jahr ebenfalls systematisch überwacht haben, ist allerdings etwas anderes.

Nicolas Richter und Peter Blechschmidt

Im Entführungsfall des Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri richten sich nun auch Fragen an die deutsche Justiz: Die Kanzlei des Ulmer Rechtsanwalts Manfred Gnjidic, der Masri berät, wurde im vergangenen halben Jahr systematisch abgehört.

Manfred Gnjidic wurde wie sein Mandant el-Masri abgehört. (Foto: Foto: ddp)

Das Polizeipräsidium Schwaben und die Staatsanwaltschaft München I, die im Fall Masri ermitteln, setzten Gnjidic erst am Montag von der Telefonüberwachung in Kenntnis.

An diesem Donnerstag beschäftigt der Fall Masri den BND-Untersuchungsausschuss (UA) im Bundestag. Als Zeugen sind außer Gnjidic und Masri auch zwei Münchner Staatsanwälte geladen.

Gnjidic äußerte sich am Mittwoch empört über die Abhörmaßnahmen und sprach von einem "Eingriff in die geschützte Sphäre der Anwaltschaft".

Außer dem Festnetzanschluss der Kanzlei war auch Gnjidics Mobiltelefon betroffen sowie das seiner Ehefrau. Mit dieser zusammen betreibt Gnjidic zwar seine Kanzlei, die Ehefrau hat aber mit dem Fall Masri nichts zu tun.

Masri war Anfang 2004 von CIA-Agenten nach Afghanistan entführt und dort monatelang verhört worden. Die Staatsanwaltschaft München sucht seit Ende 2004 nach den Tätern. "Jetzt aber bin ich selbst zum Objekt der Ermittlungen geworden", sagt Gnjidic.

Am Montag hatte sich der Anwalt mit dem Münchner Staatsanwalt Martin Hofmann und einem leitenden Kriminalbeamten getroffen. Sie überraschten Gnjidic mit der Nachricht, dass die Telefone der Kanzlei in den vergangenen fünf Monaten abgehört worden seien.

Zur Begründung hieß es, die Ermittler hätten erwartet, "dass jemand Kontakt aufnimmt, um Masri zu drohen oder einen Deal anzubieten". In dem Fall hätte man die Nummer des Anrufers verfolgen oder eine Stimmanalyse machen können.

Späte Abhöraktion

Das Amtsgericht München ordnete die Abhörmaßnahme im Januar 2006 an, sie wurde im April um weitere drei Monate verlängert.

Gnjidic legte am Mittwoch Beschwerde gegen die Abhörbeschlüsse des Münchner Amtsgerichts ein. Rechtsanwälte sind laut Gesetz Berufsgeheimnisträger und dürfen nur in Ausnahmefällen belauscht werden.

Staatsanwaltschaft und Polizei sagten Gnjidic nach dessen Erinnerung, sie hätten ihn in die Abhöraktion nicht eingeweiht, weil er sich dann am Telefon unnatürlich verhalten hätte.

Gnjidic hatte im Juni 2004, nach Masris Rückkehr aus Afghanistan, laut eigener Aussage selbst angeregt, das Handy seines Mandanten abhören zu lassen. Das Polizeipräsidium Schwaben beantragte dies.

Die Maßnahme wurde vom Amtsgericht Neu-Ulm mit der Begründung genehmigt, jemand könne Masri anrufen, "um ihn aufzufordern oder zu bedrohen, keine weiteren Schritte zu unternehmen". Diese Telefonüberwachung sei, so Gnjidic, also ausdrücklich auf Wunsch Masris eingeleitet worden.

Das Abhören der Kanzlei dagegen hatte Gnjidic nach eigenen Worten weder gefordert, noch hätte er es gebilligt, wenn die Ermittler darum gebeten hätten.

Der Hintergrund der Abhöraktion bleibt unklar. Die Staatsanwaltschaft München verweigerte am Mittwoch jeden Kommentar. Der Abhörbeschluss des Amtsgerichts befindet sich in den als "geheim" eingestuften Akten für den Untersuchungsausschuss.

Als die Telefonüberwachung im Januar von der Staatsanwaltschaft München beantragt wurde, war der Fall Masri schon ein Jahr lang durch die Presse gegangen und hatte den Bundestag beschäftigt.

"Abhören von Berufsgeheimnisträgern geht nicht"

Weder Gnjidic noch Masri hatten damals Hinweise darauf, dass sich die Entführer des Deutsch-Libanesen ausgerechnet Anfang 2006 telefonisch in der Kanzlei melden würden. Vielmehr fiel die Telefonüberwachung mit ersten Gerüchten zusammen, wonach ein an der Entführung Masris beteiligter Agent ein Beamter des Bundeskriminalamts sein könnte.

Alle Bundesbehörden haben stets bestritten, von der Entführung vor Masris Freilassung gewusst zu haben. Staatsanwaltschaft und Polizei erklärten Gnjidic, die Abhöraktion in der Kanzlei habe keine neuen Erkenntnisse gebracht. Allerdings habe sie "Ihre (Gnjidics) Glaubwürdigkeit und die Ihres Mandanten erhöht".

Sachkundige Kreise in Berlin rechnen damit, dass die jüngste Abhöraktion nicht nur Gnjidic, sondern auch wieder Masri galt. Der FDP-Innenexperte Max Stadler sagte, falls sich die Meldung über Gnjidic als richtig herausstelle, sei der Gesetzgeber gefordert.

Es müsse sichergestellt werden, dass auch ein Abhören "bona fide", das heißt zum Aufklären von Straftaten, die sich gegen den Abgehörten richten, unterbunden werde.

"Das Abhören von Berufsgeheimnisträgern geht schlechterdings nicht", sagte Stadler der Süddeutschen Zeitung. Zu der Aktion können die beiden Münchner Staatsanwälte an diesem Donnerstag im BND-Ausschuss befragt werden.

© SZ vom 22.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: