Einzelhandel:Macht zu die Tür

Der Streit um die weihnachtliche Ladenöffnung bewegt die Deutschen.

Von Matthias Drobinski

Letztlich ist Kaiser Konrad II. schuld, aber das ist schon ziemlich lange her. Am 3. Dezember 1038 entschied er: Ja, der 4. Adventssonntag und der Heilige Abend dürfen auf den gleichen Tag fallen. Und so gibt es, wie zuletzt 2006, in diesem Jahr die kürzestmögliche Adventszeit: Sie beginnt erst abends am 2. Dezember, wenn das zweite Türchen am Adventskalender offen ist. Für Weihnachtsmärkte ist das unschön, und für die Zerstreuten und Desorientierten kommt das Fest noch überraschender als ohnehin. Jetzt schon Weihnachten? Schnell, ein Geschenk, und der Braten fehlt auch - doch es ist Sonntag, die Geschäfte sind zu. Oder nicht? Und sind sie offen, ist das nicht gemein gegenüber den Leuten, die da arbeiten müssen?

Deren Sonntagsschutz steht über den Interessen der Gehetzten und Vergesslichen, sagen Gewerkschafts- und Kirchenvertreter und fordern: Die Läden sollen diesen 24. Dezember geschlossen bleiben. Denn tatsächlich gibt es bis auf Hessen und Rheinland-Pfalz in den Ladenschlussgesetzen der Länder Sonderregelungen für den Fall, dass der 24. Dezember ein Sonntag ist. Dann dürfen Bäcker, Supermärkte, Kioske, Tannenbaumstände oder Blumenläden öffnen: In Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und den ostdeutschen Ländern außer Brandenburg sind es drei Stunden bis höchstens 14 Uhr, in Nordrhein-Westfalen geht die Öffnungszeit von zehn bis 14 Uhr. In Berlin können Kunst- und Gebrauchswarenmärkte sogar bis 18 Uhr verkaufen.

Stefanie Nutzenberger vom Verdi-Bundesvorstand findet es jedoch "unglaublich zynisch", an diesem 4. Advent die Geschäfte zu öffnen; "Die Einzelhandelsbeschäftigten wollen sich wie jeder andere auf das Weihnachtsfest vorbereiten", sagt sie. Ihr Kollege Orham Aki fordert gar einen Boykott geöffneter Läden. Matthias Kopp, der Sprecher der katholischen Bischofskonferenz, findet, es gebe genug Zeit, alle Einkäufe zu erledigen; dieser Heiligabend werde "vielen die positive Erfahrung von Entschleunigung" bringen. Einer Umfrage der Zeitung Welt zufolge sehen das viele Deutsche so: 87 Prozent der Befragten sind für geschlossene Geschäfte, nur 10,3 für eine Öffnung, bei den Frauen sogar nur sieben Prozent.

Zahlen, die auch den Einzelhandel beeindrucken. Die Discounter Aldi Nord und Süd sowie Lidl werden zubleiben, ebenso Rewe und Edeka - allerdings können die von selbständigen Besitzern geführten Filialen selber entscheiden. "Letztlich muss jeder einzelne Markt das wissen", sagt Stefan Hertel, Sprecher des Handelsverbandes Deutschland; oft lohne es sich auch gar nicht, für drei oder vier Stunden zu öffnen und den Beschäftigten die Feiertagszuschläge zu zahlen.

20 Prozent der Geschäfte dürften Schätzungen zufolge offen sein; die Säumigen werden also ein bisschen suchen müssen, andere werden sich über ein paar bemerkenswert ruhige Stunden freuen. 2018 ist die Ruhe dahin - da ist der 24. ein Montag.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: