Eine Anwältin gegen Dügida:Jeden Montag kommen die Hooligans

Gülşen Çelebi Anwältin Düsseldorf

Gülşen Çelebi in ihrer Düsseldorfer Kanzlei.

(Foto: Jannis Brühl)
  • Die Düsseldorfer Anwältin Gülşen Çelebi wehrt sich dagegen, dass die Islamhasser und Rechtsradikalen von Dügida jeden Montag an ihrer Kanzlei vorbeiziehen.
  • Wegen ihres kreativen Protestes wird Çelebi von Rechtsradikalen bedroht. Sie hat Anzeige erstattet.
  • Die Dügida-Demo ist kleiner, aber deutlich aggressiver als andere Pegida-Demonstrationen.

Von Jannis Brühl, Düsseldorf

Die Schweine überbringen die Drohung. Ein Foto der Tiere, die im Islam als unrein gelten, hinter einem Gatter, schwarz-weiß auf ein Din-A4-Blatt kopiert, darunter steht: "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen." Der Zettel mit dem Schweinebild und dem Slogan, der auf Nazi-Demos beliebt ist, lag im Briefkasten von Gülşen Çelebis Kanzlei. Eine von vielen Drohungen, die sie derzeit erhält. Weil die Anwältin sich dagegen wehrt, dass die Islamhasser und Rechtsradikalen von Dügida an ihrer Kanzlei vorbeiziehen. Jeden Montag.

Çelebi wohnt in der Graf-Adolf-Straße, einer Hauptschlagader Düsseldorfs in der Nähe des Bahnhofs und Teil der Dügida-Strecke. In diesem Teil der dann abgesperrten Innenstadt, wo die Masse der Gegendemonstranten weit weg ist, macht montagabends nur die 43-Jährige mit ihren Mitarbeitern und Freunden Lärm, wenn die Rechten mit schwarz-rot-goldenen Fahnen und antiislamischen Parolen vorbeiziehen.

Seit der ersten Demo im Januar hämmern Çelebi und ihre Gruppe auf dem schmalen Balkon der Kanzlei auf Töpfe ein und sagen den Rechten übers Megafon ihre Meinung. Sie hängen die Boxen an den Balkon und spielen das Lied: "Ich find dich scheiße". Çelebi sagt: "Wir tun alles, damit die uns hören müssen, aber wir sie nicht." Sie dokumentiert alles mit Videos und Fotos auf ihrer Facebook-Seite. An diesem Montag werden sie es zum fünften Mal tun. Veranstalterin Melanie Dittmer, die auch im Vorstand der islamfeindlichen Partei Pro NRW sitzt, hat bis Ende des Jahres für jede Woche Demonstrationen angekündigt.

Çelebi ist auf Familien- und Strafrecht spezialisiert, bei einem Besuch erzählt sie, wie sie sich erst vor einer Stunde um einen besonders dramatischen Fall gekümmert hat: Ein irakisches Pärchen fürchtet, von der Familie des einen Partners umgebracht zu werden. Die Anwältin hat Polizeischutz für die Verliebten organisiert. Sie kennt sich mit dem aus, was manche "Ehrenmord" nennen, ist Ansprechperson für Frauen, die Angst vor der eigenen Verwandschaft haben.

Doch wenn Dügida kommt, verteidigt sie die Ehre von Düsseldorf, besonders die der Graf-Adolf-Straße, wo sich italienische Restaurants, türkische Bäcker und kleine Geschäfte aneinanderreihen. Für sie ist es das bunte Deutschland, das es zu verteidigen gilt - aber nicht gegen Islamisierung: "Wir haben kein Salafisten-Problem hier in der Straße. Wir haben ein Dügida-Problem", sagt Çelebi energisch in ihrem Bürostuhl und verschränkt die Arme.

Viele Restaurants würden während der Demo schließen, erzählt sie. Wer in seinem Laden bleibe, tue das nur, weil er Angst um seine Schaufenster habe. Der Bäcker von gegenüber sammelt Unterschriften gegen Dügida.

"Comedy gegen Rechts" - auf dem Balkon

Eigentlich kommt auf dieser Höhe kein Gegendemonstrant an die Islamgegner ran, deshalb ist Çelebis Büro zur Anlaufstelle für viele ihrer Bekannten geworden. "Beim ersten Mal waren wir vier, dann 20, beim letzten Mal habe ich den Überblick verloren." Vergangenen Montag holte Çelebi sich professionelle Unterstützung in Sachen Nazi-Provokation: Ihre Bekannte, die Comedienne Senay Duzcu machte sich am Mikro über die Demonstranten lustig. Am Balkon hing ein Banner: "Comedy gegen Rechts." Derzeit sammelt Çelebi auf Facebook Witze über Nazis.

Sie erzählt begeistert, wie sie die Demonstranten nerven, gibt aber zu, dass ihr manchmal mulmig wird. Die Rechtsextremen unten auf der Straße schreien "Nutte" und "Wir kriegen euch" zum Balkon hoch, die Polizei schirmt das Haus ab. Auf den Facebook-Seiten von Dügida & Co. wird gegen Çelebi gehetzt, "Kopf ab" und Ähnliches. Ihre Nummer wurde gepostet, dann lief ihr Anrufbeantworter voll mit aggressiven Anrufen, auch Anspielungen auf Brandstiftungen waren dabei, ein hässliches Wortspiel mit "Lichterkette". Auf einem Zettel in ihrem Briefkasten heißt es: "Von einer Muslima brauchen wir keine Ratschläge." Sie solle das Land verlassen. Das Land, in dem sie geboren ist.

Drohung per Todesanzeige

Die Dügida-Demo ist kleiner, aber deutlich aggressiver als andere Pegida-Demonstrationen. Zu ihr kommen unter anderem Neonazis aus Dortmund und Hogesa-Hooligans. Am Montag brach ein Teilnehmer einem Gegendemonstranten die Nase. Den Veranstaltern der Pegida-Demos in Dresden ist die Düsseldorfer Veranstaltung zu weit rechts, die Sicherheitsbehörden stufen sie als rechtsextrem ein.

Es sind nicht die einzigen Drohungen von rechts in diesen Tagen in Nordrhein-Westfalen. Die Stimmung ist durch Nazi-Aufmärsche, Pegida-Ableger, deren Abspaltungen und Gegendemos teils aufgeheizt. Anfang der Woche veröffentlichten vermutlich Rechtsradikale aus dem Ruhrgebiet gefälschte Todesanzeigen in sozialen Netzwerken, mit den Namen mehrerer Journalisten, die kritisch über die rechte Szene berichten.

Auch Sebastian Weiermanns Name war dabei. Er schreibt für die taz und den Blog Ruhrbarone über Neonazis. Drohungen gegen Linke habe es in der Gegend schon oft gegeben, sagt er. "Aber das ist was Neues, dass das Feindbild Journalist so deutlich wird. Das 'Lügenpresse'-Ding von Pegida hat gut die Runde gemacht." Weiermann und seine bedrohten Kollegen haben Anzeige erstattet.

Das hat auch Gülşen Çelebi getan, wegen Beleidigung, Bedrohung und Volksverhetzung. Außerdem hat sie einen Antrag an die Stadt gestellt, die Route der Rechten doch zu verlegen: "Die könnten ja am Sozialgericht demonstrieren, da wohnt keiner." Der Polizeipräsident antwortete ihr, er könne nichts tun, die Richter hätten nun einmal so entschieden. Das Versammlungsrecht ist ein hohes Gut. Dügida marschiert also weiter. Gülşen Çelebi will weiter Lärm machen.

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