Ein Bild und seine Geschichte:Rasanter Rüstungswettlauf im Gaskrieg

1. Weltkrieg 1915 Westfront Gasmaske Schützengraben Deutscher

Ein deutscher Soldat posiert mit Gasmaske in einem Schützengraben an der Westfront. Im Hintergrund: Eine Uhr, auf der der Name des diensthabenden Unteroffiziers zu sehen ist. Außerdem eine Tafel, die zeigt, wie vor verschiedenen Attacken gewarnt wurde: Hupsignale bei Minen, Pfeifen bei Infanterieangriffen und Schlagen auf Blechtafeln bei Gas.

Die Feldpostkarte trägt einen Poststempel des Jahres 1915.

(Foto: SZ Photo/Timeline Images)

Im Ersten Weltkrieg entwickeln die verfeindeten Mächte immer effektivere Giftgase. Im selben Tempo verbessert sich der Schutz vor Chemiewaffen.

Von Markus C. Schulte von Drach

Ein Bild und seine Geschichte

SZ.de zeigt in loser Folge jeweils ein besonderes Foto oder eine besondere Abbildung. Hinter manchen Aufnahmen und Bildern steckt eine konkrete Geschichte, andere stehen exemplarisch für historische Begebenheiten und Zeitumstände. Übersicht der bisher erschienenen Texte

Es dürfte Spätherbst 1915 gewesen sein, als dieses Bild an der Westfront in einem deutschen Schützengraben aufgenommen wurde. Zu erkennen ist das an der Gasmaske, wohl eine Version des Modells M1915. Die Atemgeräte waren der erste wirksame Schutz für Soldaten vor Giftgas.

Bis zu ihrer Einführung waren bereits Tausende durch die neuen Kampfmittel gestorben, die die Deutschen ein halbes Jahr zuvor, im April 1915, bei Ypern erstmals eingesetzt hatten.

Es war Chlorgas, das der Chemiker Fritz Haber der deutschen Armeeführung als Waffe empfohlen hatte. Der spätere Nobelpreisträger hoffte so den Krieg schneller (und für Deutschland siegreich) zu beenden - und auf diese Weise viele Menschenleben zu retten.

Das Gegenteil war der Fall: Bald nebelten auch Frankreich, Russland und Großbritannien die Fronten mit Giftgas ein. Die Kriegsparteien rüsteten ständig chemisch nach, gleichzeitig wurden bessere Schutzmaßnahmen entwickelt.

So griffen deutsche Soldaten anfänglich zu chemisch präparierten Mullkissen. Die Entente-Mächte setzten dann bereits im Juni 1915 schon sogenannte Hypo-Helme ein, die den gesamten Kopf umhüllten. Sie waren mit einer Substanz imprägniert, die das Chlor absorbieren sollte. Im September starteten die Briten dann ihren ersten eigenen Chlorgas-Angriff gegen deutsche Soldaten.

Hitler erblindete durch Giftgas vorübergehend

Nachdem Deutschland das Chlor mit dem noch gefährlicheren Phosgen versetzte, entwickelten die Briten den P-Helm, der auch vor diesen Angriffen schützen sollte. Sie selbst griffen dann 1916 auch auf Phosgen zurück. Die deutschen Gasmasken verfügten nun bereits über Filter mit Aktivkohle.

Um den Schutz der gegnerischen Soldaten zu brechen, setzte des Kaisers Armee ab 1917 Senfgas (Lost, Gelbkreuz) ein. Damit wurde nicht nur die Lunge, sondern auch die Haut zerstört. Im Jahr darauf übernahmen die Gegner die Waffe. Darüber hinaus wurden bald auch Granaten mit nicht tödlichen Reizstoffen verschossen, die den Atemschutz der Masken überwinden konnten. Die Soldaten nahmen wegen solcher "Maskenbrecher" die Schutzgeräte ab - und erstickten an dem gleichzeitig eingesetzten Giftgas.

Am Ende des Krieges waren bis zu 90 000 Soldaten durch chemische Kampfstoffe getötet worden. Mehr als eine Million Menschen wurden durch Gas verletzt, darunter der Österreicher Adolf Hitler, der vorübergehend erblindet war.

Es war wohl diese Erfahrung, die Hitler später als Diktator davon abhielt, chemische Kampfstoffe im Zweiten Weltkrieg an der Front einsetzen zu lassen.

Diese Skrupel hatten die Nazis allerdings nicht bei denjenigen Menschen, die sie in ihrem Herrschaftsbereich vernichten wollten: Millionen Juden, etliche Tausend Sinti und Roma sowie Behinderte starben durch Giftgas. Vor allem durch Zyklon B, eine Weiterentwicklung von Fritz Habers Erfindung, kamen auch etliche seiner Verwandten in den Gaskammern um. Denn der glühende Patriot Haber war ein zum Christentum konvertierter Jude.

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