Asylverfahren:Verdacht auf weitreichenden Skandal im Bamf

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Berlin, der aktuelle Korruptionsfall hat sich in der Außenstelle in Bremen zugetragen

(Foto: picture alliance / Silas Stein/d)
  • Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und Radio Bremen soll eine leitende Bamf-Mitarbeiterin in etwa 2000 Fällen Asyl gewährt haben, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben waren.
  • Ermittler durchsuchten insgesamt acht Objekte, darunter die Privatwohnungen der drei Anwälte und der ehemaligen Bamf-Mitarbeiterin, sowie Kanzleien.

Von Nicolas Richter und Jan Strozyk

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wird offenbar von einem größeren Skandal heimgesucht. Ermittler gehen nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und Radio Bremen davon aus, dass eine leitende Mitarbeiterin der Behörde in etwa 2000 Fällen Asyl gewährt haben soll, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben waren. Es geht dabei um den Zeitraum zwischen 2013 und 2017. Zuvor war von 1200 Fällen die Rede.

Die betroffene Mitarbeiterin soll die Außenstelle des Bamf in Bremen geleitet haben, sie wurde mittlerweile vom Dienst suspendiert. Offenbar arbeitete sie mit drei Anwälten zusammen, die ihr systematisch Asylbewerber zuführten, auch solche aus anderen Bundesländern. Die Bremer Staatsanwaltschaft bestätigte auf Anfrage, dass es Ermittlungen gegen die ehemalige Leiterin, drei Rechtsanwälte aus Bremen und Niedersachsen und einen Dolmetscher gäbe.

Der Verdacht lautet auf Bestechlichkeit und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragsstellung. Die Außenstelle Bremen sei demnach formal für die Antragssteller nicht zuständig gewesen, die Leiterin habe über die Anträge in Eigenregie offenbar dennoch entschieden.

Am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche durchsuchten Ermittler insgesamt acht Objekte, darunter die Privatwohnungen der drei Anwälte und der ehemaligen Bamf-Mitarbeiterin, sowie Kanzleien.

Nur 98 der Asylanträge lagen demnach im Zuständigkeitsbereich der Bremer Bamf-Außenstelle. Die übrigen Antragsteller kamen, davon gehen die Ermittler aus, nicht aus Bremen, sondern überwiegend aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Sie seien nach den positiv beschiedenen Anträgen wieder dorthin zurückgeschickt worden.

Anwalt soll Bustransporte organisiert haben

Ein beschuldigter Anwalt aus Hildesheim soll dafür Bustransporte organisiert haben und mit der ehemaligen Bamf-Leiterin mit Hilfe von vorab ausgestellten Listen für eine priorisierte Bearbeitung der Fälle in Bremen gesorgt haben. Ihren Ursprung nahmen die Ermittlungen offenbar, als eine Familie aus Niedersachsen kurz vor ihrer geplanten Abschiebung einen positiven Asylbescheid aus Bremen erhalten hatte.

Das Verwaltungsgericht Hannover hat diesen Bescheid zwischenzeitlich für nicht rechtens erklärt. Daraufhin wandte sich der niedersächsische Innenminister Pistorius in einem Brief an das Bamf und beschwerte sich über die Unregelmäßigkeiten bei Bremer Asylanträgen. Die Vorgänge sind offenbar auch deshalb in den Fokus der Ermittler geraten, weil Bremen im Bundesvergleich eine überaus hohe Schutzquote von 96 Prozent vorzuweisen hatte. Die übrigen Länder kommen gemeinsam im Schnitt auf 62 Prozent.

Viele der Antragsteller sollen Jesiden gewesen sein. Die Jesiden sind eine kurdische religiöse Minderheit, die vor allem im nördlichen Irak und in Nordsyrien lebt. Während der Schreckensherrschaft des sogenannten Islamischen Staats im Nordirak wurden sie als "Ungläubige" systematisch verfolgt.

Noch ist nicht klar, ob und wie die Beamtin oder die Anwälte mit der Sache Geld verdienten. Die ehemalige Bamf-Mitarbeiterin soll zumindest Zuwendungen, etwa in Form von Restaurant-Einladungen, erhalten haben.

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