NSU-Prozess:Anklage sieht Beihilfevorwurf gegen NSU-Mitangeklagte bestätigt

Wohlleben fordert Neustart des NSU-Prozesses

Ralf Wohlleben im März im Münchner Gerichtssaal

(Foto: dpa)
  • Im NSU-Prozess sieht die Bundesanwaltschaft den Vorwurf der Beihilfe zum Mord gegen die beiden Angeklagten Ralf Wohlleben und Carsten S. bestätigt.
  • Sie sollen demnach die Waffe besorgt haben, mit der der NSU mordete.

Die Bundesanwaltschaft hält die Anklage im NSU-Prozess gegen die mutmaßlichen NSU-Helfer Ralf Wohlleben und Carsten S. für "in vollem Umfang" bestätigt. Wohlleben und S. seien durch die Beweisaufnahme der Beihilfe zum Mord in neun Fällen überführt, sagte Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten am mittlerweile vierten Tag des Anklage-Plädoyers vor dem Münchner Oberlandesgericht.

Die beiden Männer seien für die Beschaffung und Lieferung der Waffe vom Typ Česká verantwortlich. Mit genau dieser Waffe soll die Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) zwischen 2000 und 2006 neun Menschen türkischer und griechischer Herkunft erschossen haben.

Wohlleben und S. hätten die "naheliegende Möglichkeit" erkannt, dass die Pistole benutzt werden würde, um damit Menschen nichtdeutscher Herkunft zu erschießen, sagte Weingarten. Und dennoch hätten die beiden Angeklagten die Waffe damals beschafft, weil sie sich dem Auftrag der drei untergetauchten mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe "unbedingt verpflichtet" fühlten.

Wohlleben sei zudem "steuernde Zentralfigur" der Jenaer Unterstützerszene gewesen. Carsten S., der vor längerer Zeit aus der Neonazi-Szene ausgestiegen ist, hatte bereits zu Prozessbeginn 2013 umfangreich ausgesagt. Er räumte ein, die Waffe in einem Jenaer Szeneladen gekauft und zu Mundlos und Böhnhardt gebracht zu haben. Den Auftrag und das Geld dafür habe er von Wohlleben erhalten. Dieser bestreitet das.

Vergangene Woche hatte die Bundesanwaltschaft sich bereits überzeugt gezeigt, dass die Hauptangeklagte Beate Zschäpe im Verfahren als Mittäterin überführt worden sei. Zschäpe lebte fast 14 Jahre lang mit Mundlos und Böhnhardt im Untergrund. Die beiden Männer sollen sich umgebracht haben, um einer Festnahme durch die Polizei zu entgehen.

Am dritten Tag des Plädoyers der Bundesanwaltschaft war es zwischen Anklage und Nebenklägern zum Streit gekommen. Die Staatsanwaltschaft zeigte sich überzeugt, dass sich die Existenz weiterer Hintermänner an den Tatorten des NSU nicht bewahrheitet habe. Nebenklage-Anwälte sehen hingegen zahlreiche Hinweise auf das Gegenteil.

Die Bundesanwaltschaft wird ihr Plädoyer erst nach der Sommerpause des Gerichts beenden. Er werde auch den Dienstag noch für die Ausführungen über Wohlleben und S. benötigen und erst nach der Gerichtspause zu den Mitangeklagten André E. und Holger G. kommen, sagte Weingarten. Anders als zuvor geplant will Weingartens Kollegin Anette Greger erst dann über die Banküberfälle des NSU sprechen. Erst am Ende kommt Bundesanwalt Herbert Diemer zu den Strafmaß-Forderungen.

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