UN-Gipfel in Paris:Im Klima des Terrors

A file photo shows an aerial view shows the Paris skyline

Von Montag an tagen in Paris Politiker auf der Suche nach einer Lösung eines der drängendsten Probleme, die die Menschheit hat.

(Foto: REUTERS)

Ausgerechnet in Paris, wo jüngst noch die Terroristen wüteten, will die Weltgemeinschaft ab Montag über Maßnahmen gegen den Klimawandel beraten. Vielleicht passt das ganz gut. Denn die Erderwärmung ist eines der größten sicherheitspolitischen Probleme unserer Zeit.

Von Hubert Wetzel

Vor zwei Wochen schlugen in Paris die Schergen der Terrormiliz Islamischer Staat zu und töteten mehr als 130 Menschen. Von nächster Woche an versammeln sich in Paris die Staats- und Regierungschefs dieser Welt, um über den Kampf gegen die Erderwärmung zu beraten und, wenn möglich, ein neues Klimaschutzabkommen auszuhandeln.

Auf den ersten Blick haben Terrorismus und Klimawandel nicht mehr miteinander zu tun, als dass sie oft gemeinsam auf den langen Listen der globalen Bedrohungen stehen, die Sicherheitspolitiker immer mal wieder entwerfen.

Für die meisten Menschen in Europa jedenfalls war bisher die eine wie die andere Gefahr eher abstrakt - etwas Schlimmes, das irgendwo weit weg passierte und unter dem nur Menschen in fernen Ländern litten.

Dass diese Sicht nicht stimmt, dass Terror und Klimawandel sich nicht um Grenzen kümmern, hat man nach einigem Nachdenken freilich geahnt. Und nichts hat das nun so deutlich gemacht wie die IS-Attacke in Paris. Denn so vielschichtig der Krieg in Syrien auch ist, in dem die mörderische Islamistenmiliz herangewachsen ist, gibt es doch die durchaus ernst zu nehmende Theorie, dass der Klimawandel zur Entstehung dieses Konflikts zumindest beigetragen hat.

Jahrelange Dürren und schlechte Ernten, die eventuell die Erderwärmung mitverursacht haben, führten nach dieser Erklärung in den vergangenen Jahren dazu, dass Millionen verarmte syrische Bauern in die Großstädte gezogen seien. Dort hätten sie die sozialen und politischen Spannungen verstärkt, die sich nun seit vier Jahren in dem blutigen Bürgerkrieg entladen.

Paris ist nun eine Art Mahnmal für die Mächtigen

Man kann sicher darüber streiten, ob diese Theorie zutrifft und in welchem Ausmaß sie den Ausbruch des Krieges in Syrien erklärt. Und man kann sicher keine direkte Linie ziehen vom CO₂-Ausstoß der westlichen Welt zu den Gräueltaten der Dschihadisten des Islamischen Staates. Aber man kann kaum mehr bestreiten, dass die Erderwärmung und die damit verbundene Vernichtung von Lebensräumen, in denen Menschen bislang ein Auskommen finden konnten (vor allem in Afrika), zu einem der größten sicherheitspolitischen Probleme der heutigen Zeit geworden sind.

Konflikte zwischen Bauern und Viehzüchtern um Acker- und Weideland, Streit um knapper werdendes Wasser, Flüchtlingsströme, Verteilungskämpfe und Bürgerkriege, in denen der Terror gedeiht - all das sind mögliche Folgen des Klimawandels, die nicht nur humanitär und wirtschaftlich, sondern auch - siehe Paris - sicherheitspolitisch relevant sind.

Vielleicht passt es deswegen ganz gut, dass sich die Regierungen der Welt in Paris versammeln. Die französische Hauptstadt ist nach dem Terror mehr als nur eine hübsche Kulisse für die Politiker und Diplomaten, mehr als nur ein Ort, an dem man nach langen Verhandlungssitzungen angenehm entspannen kann.

Paris ist nun eine Art Mahnmal für die Mächtigen, die dort über den Klimawandel reden: Die Terrorattacken des IS haben auf schreckliche Weise daran erinnert, dass es auf dieser Erde keine Inseln der Seligen gibt. Daran, dass auch weit entfernt erscheinende Ereignisse in der eigenen Nachbarschaft schreckliche Folgen haben können.

Vielleicht hilft es den von Montag an in Paris tagenden Politikern bei der Suche nach einer Einigung, sich daran zu erinnern, dass vor zwei Wochen in jenen Straßen, durch die sie nun gefahren werden, Menschen gestorben sind.

Der Text im im Rahmen von "europa" erschienen.

„europa“

ist ein gemeinsames Projekt führender europäischer Tageszeitungen.

REDAKTION

Text: Stefan Kornelius, Andrea Bachstein, Sebastian Schoepp, Ronen Steinke, Isabel Pfaff, Stefan Ulrich, Thomas Urban, Hubert Wetzel

Art Direction: Stefan Dimitrov

Bild: Jakob Berr

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: