Ebola-Angst in den USA:Quarantäne, selbst verordnet

Ebola Protest outside White House in Washington DC

Vor dem Weißen Haus in Washington versammeln sich Demonstranten, die für ein Flugverbot in von Ebola betroffene Länder demonstrieren.

(Foto: dpa)

In den USA nimmt die Panik vor einer Ebola-Ausbreitung zu, obwohl Experten die Gefahr als gering ansehen. Obamas Gegner nutzen die Nervosität im Wahlkampf und werfen dem Präsidenten mal wieder Inkompetenz vor.

Von David Hesse, Washington

Ob die vielen Hollywood-Seuchenfilme der vergangenen Jahre schuld sind oder eine spezifisch amerikanische Obsession mit Keimen und Hygiene: Mediziner sind sich einig, dass die Angst vor einer Ebola-Ausbreitung in den USA in krassem Missverhältnis zur Bedrohung steht.

In Cleveland, Ohio, haben Geschäfte und Schulen geschlossen, weil eine Krankenpflegerin aus Dallas in der Stadt war, bei der kurze Zeit später eine Ansteckung festgestellt wurde. TV-Sender berichten von Bürgern, die sich selbst unter Quarantäne stellen und ihre Häuser nicht mehr verlassen. In Mississippi haben Eltern ihre Kinder aus einer Schule genommen, weil eine Lehrperson jüngst in Sambia gewesen sein soll - einem Land, das von Ebola nicht betroffen ist.

Blinkende Breaking-News-Meldungen auf dem Handy oder in sozialen Netzwerken halten die Anspannung Tag und Nacht aufrecht. Psychologen vergleichen "Fearbola" schon mit der Anthrax-Angst nach dem 11. September 2001. "Ebola infiziert die amerikanische Psyche", kommentiert die Washington Post.

"Das Risiko ist außerordentlich gering"

Die Behörden versuchen zu beruhigen. "Auch wenn wir die Angst der Bevölkerung verstehen und respektieren, so muss sie doch verstehen, dass man sich nicht anstecken kann, wenn man keinen direkten Kontakt hat", sagte am Sonntag Anthony Fauci, der Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten und Allergien. "Das Risiko ist außerordentlich gering."

Auch Präsident Barack Obama warnte vor Hysterie: "Wir müssen verhältnismäßig bleiben. Jedes Jahr sterben Tausende Amerikaner an der Grippe." Bisher haben sich in den USA zwei Pflegerinnen im texanischen Dallas an einem Patienten aus Liberia angesteckt. Der Mann ist gestorben, der Zustand der beiden Frauen offenbar stabil. Am Montag endete die 21-tägige Beobachtungszeit für 43 Personen, die Kontakt mit dem Verstorbenen hatten. Offenbar hat sich niemand infiziert.

Ein 30-köpfiges Kommando soll sich um die Seuche im Land kümmern

Bei aller Beschwichtigung will die Regierung aber auch zeigen, dass sie etwas tut. Vergangene Woche hat Obama einen Ebola-Sonderbeamten ernannt, den ehemaligen Stabschef des Vizepräsidenten, Ron Klain. Das Pentagon wird ein 30-köpfiges Kommando für den Seucheneinsatz innerhalb der USA aufstellen; es soll aus Militärspezialisten für Infektionskrankheiten bestehen und zivilem Personal bei neuen Ebola-Fällen zu Hilfe eilen.

Auch das Seuchenschutzzentrum CDC hält Spezialistenteams bereit und hat Dallas bereits mit Fachleuten verstärkt. Landesweit soll das Pflegepersonal besser geschult werden, neue Schutzkleidervorschriften sind in Arbeit. In Westafrika schließlich, wo die Krankheit verheerend wütet, können nach einem Erlass Obamas nun auch Reservisten der US-Streitkräfte sowie Angehörige der Nationalgarde gegen Ebola zum Einsatz kommen.

Die Kritik an Obama wird lauter

Die Regierung reagiert mit diesen Maßnahmen auf die lauter werdende Kritik. Medienvertreter und Politiker werfen Obama angesichts der Ansteckungen in Dallas Inkompetenz vor: "Das Vertrauen in die Verwaltung und in die Regierung schwindet, da sie täglich das Versagen der gegenwärtigen Strategie vorführen", sagt etwa der republikanische Abgeordnete Tim Murphy aus Pennsylvania.

So sehr in Amerika dem Zentralstaat gerade von konservativer Seite misstraut wird, so sehr soll er offenbar im Ernstfall zur Stelle sein und die Bevölkerung schützen. Vor allem, wenn er dies versprochen hat: Wohl zu lange und zu laut haben die Regierung und ihre Seuchenschutzbehörde versichert, für die Ankunft des Virus gerüstet zu sein. In Dallas hat sich gezeigt, dass nicht alle Krankenhäuser bereit waren.

Amerikas Regierung hat den Ruf eines schlechten Krisenmanagers

Zwei Wochen vor der Kongresswahl stellen die Opposition, aber auch etliche um Wiederwahl kämpfende Demokraten nun erneut die Managerqualitäten des Präsidenten infrage.

Sie monieren Behördenunfähigkeit und ziehen einen Bogen zu früheren Fehltritten des Teams Obama: von der verpatzten Lancierung der nationalen Krankenversicherung (bei der die zentrale Webseite nicht funktionierte), der Schlamperei bei der Veteranen-Behörde (wo Kriegsversehrte endlos warten mussten), über die Missstände an der Südgrenze zu Mexiko (wo Grenzwächter heillos überfordert waren mit dem Ansturm minderjähriger Flüchtlinge) bis zur jüngsten Affäre um den Secret Service, dessen Agenten einen Mann mit Messer über den Zaun des Weißen Hauses klettern und in den Sitz des Präsidenten vordringen ließen.

Immerhin grassieren die sonst so üblichen Verschwörungstheorien etwas weniger. Zwar halten auch dieses Mal einige Online-Autoren und Leserbriefschreiber Ebola für ein von der Armee und den Geheimdiensten ausgekochtes Bioterror-Instrument. Etliche konservative Kolumnisten allerdings trauen dem Staat solche professionelle Infamie gar nicht mehr zu.

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