E-Mail-Kampagnen im US-Wahlkampf:Obama, der Bettler

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Seit Monaten sammelt Herausforderer Mitt Romney im Wahlkampf mehr Spenden als Barack Obama. Das versucht der Präsident mit alarmistischen E-Mails zu ändern. Die werden perfekt auf die verschiedenen Wählergruppen zugeschnitten. Denn aufgrund Unmengen von Daten weiß Obama: Demokraten fahren Mercedes.

Matthias Kolb, Washington

Barack Obama versucht händeringend, die Amerikaner zum Spenden zu bewegen. (Foto: AFP)

E-Mail für dich: Politisch engagierte Amerikaner erhalten täglich Post aus den Wahlkampfzentralen von Obama und Romney. Mitunter informieren die Mails über Inhalte, doch meist wird um Spenden gebeten oder Tickets für Events mit Sarah Jessica Parker verlost. In den aktuellsten Mails aus dem Obama-Lager steht: Wer spendet, hat die Chance auf ein Abendessen mit Basketball-Legende Michael Jordan. Die Strategen variieren den Text nach Alter, Wohnort und Beruf der Empfänger. Viele Empänger reagieren jedoch mittlerweile genervt.

Es war an einem Wochenende, als Larisa Thomason genug hatte und auf den Knopf drückte. Ein Klick genügte, und sie hatte sich vom Newsletter von barackobama.com abgemeldet. "An diesem Nachmittag hatte ich bereits zwei E-Mails mit Spendenaufrufen bekommen und es wurde einfach zu viel", sagte sie jüngst der Washington Post.

Dabei ist Thomason überzeugte Liberale, die Tausende Dollar an die Demokraten gespendet hat und die Website " Left in Alabama" betreibt. Die Bloggerin ist nicht die einzige Amerikanerin, die von der permanenten E-Mail-Flut aus Chicago (Barack Obamas Wahlkampf-Hauptquartier) und Boston (Romneys Zentrale) genug hat. Auch ausländische Journalisten, die sich für Events wie Obamas Wahlkampfauftakt in Richmond anmelden und sich in Newsletter eintragen, erhalten mehrmals täglich digitale Post - von Barack persönlich, seiner Frau Michelle ("Tell Barack: Happy birthday"), Vizepräsident Joe Biden ("I gonna be blunt"), Kampagnen-Manager Joe Messina ("Let's win the damn election") oder von Hollywood-Promis.

Vor allem das Obama-Team bittet ständig um "drei Dollar oder mehr", damit der Demokrat weiter regieren kann - oft verknüpft mit einer Verlosung. Etwa die Hälfte der gut 14 Millionen Dollar, die bei einem Abend mit George Clooney gesammelt wurden, setzte sich aus Kleinspenden von Fans zusammen, die in die Villa des Hollywood-Stars wollten. Dass die Gewinner stets umkämpfte Gruppen ansprechen, gehört zum Geschäft: Karen Blutcher, Clooneys Gast, stammt aus dem swing state Florida, und ist eine glühende Obamacare-Befürworterin.

Die Wahlkampfstrategen beider Parteien machen sich viele Gedanken darüber, wie oft sie Spenden-E-Mails verschicken. "Nach jedem Aufruf geht Geld ein, doch es kommt auf die Häufigkeit und den Tonfall an, wie eine Kampagne wahrgenommen wird", erklärt Austin James von der konservativen Beratungsfirma Gridiron Communications. Da Mitt Romney und die Republikaner seit drei Monaten deutlich mehr Spenden einsammeln als der US-Präsident, wird der Tonfall in den E-Mails alarmistischer und drängender. Die Botschaft: Wenn du nicht sofort einen Scheck ausstellst, hat Obama so gut wie verloren! Spötter sprechen von einer Stalker-Kampagne.

Mithilfe eines Recherche-Werkzeugs namens Message Machine der gemeinnützigen Journalismus-Stiftung Pro Publica kann inzwischen jeder verfolgen, mit welchen Texten die beiden Kandidaten um Wähler buhlen. Dabei fällt auf, dass aus Chicago deutlich mehr Mails kommen als aus Boston - die Kleinspender sind für die Demokraten wichtiger. Bereits 2008 hatte das Obama-Team um David Plouffe die E-Mail-Betreffzeilen genutzt, um herauszufinden, welche Themen die Empfänger elektrisierten - schließlich lässt sich leicht tracken, wer die digitale Post überhaupt öffnet.

Becks-Bier-Trinker wählen konservativ

Mit Message Machine lässt sich nachvollziehen, wie 2012 die E-Mails auf die unterschiedlichen Wählergruppen zugeschnitten werden. Mitte Juni war das First Couple bei der Schauspielerin Sarah Jessica Parker zu Gast - und es gab acht verschiedene Einladungen. In einer Mail wurde erwähnt, dass Parker aus Ohio stammt, die andere hob hervor, dass Vogue-Chefredakteurin Anne Vintour ebenfalls anwesend sein werde - und die nächste betonte, dass der Star aus "Sex and the City" in einer Arbeiterfamilie aufwuchs.

Dass Botschaften auf immer kleinere Gesellschaftsgruppen zugeschnitten werden, ist nicht neu. Das sogenannte Micro-Targeting wird auch verwendet, um auf Websites oder in sozialen Netzwerken passgenaue Anzeigen zu schalten. Dank der elektronischen Datenspur, die jeder Amerikaner täglich hinterlässt, wissen Strategen, dass Anhänger der Republikaner BMW, Porsche und Landrover fahren, während Demokraten bevorzugt am Steuer eines Subaru, Volkswagen oder Mercedes sitzen. Sie haben eher ein Faible für Cognac, während Becks-Bier-Trinker tendenziell konservativ abstimmen (weitere Details zu Micro-Targeting in diesem SZ-Artikel).

Das Obama-Lager veröffentlichte vor kurzem sogar eine App, die dem Nutzer anzeigt, wo in der eigenen Nachbarschaft Demokraten wohnen. Die Informationen stammen aus öffentlich zugänglichen Daten und die Wahlkampfmanager hoffen, dass Anhänger des Präsidenten in ihrem Viertel zögernde Unterstützer besuchen. Abgesehen von Fragen der Privatsphäre: Womöglich erinnert sich manch ein Obama-Fan bald sehnsüchtig an jene Zeit, als man die Botschaften der Wahlkämpfer mit dem "Löschen"-Knopf beseitigen konnte - und es nicht ständig an der Tür klingelte.

Linktipp: Das Projekt Message Machine der gemeinnützigen Journalismus-Stiftung Pro Publica analysiert, in welchen Versionen die Teams von Barack Obama und Mitt Romney E-Mails an ihre Anhänger verschicken. Auf der Message-Machine-Website lassen sich die unterschiedlichen Texte vergleichen.

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