E-Mail-Affäre:FBI-Ermittlungen schaden Clinton

Die Kandidatin der Demokraten verliert ihren Vorsprung wegen ihres privaten E-Mail-Servers. Ihre Verteidigungsstrategie? Gegenangriff.

Von Hubert Wetzel, Washington

Die neuen FBI-Ermittlungen zu Hillary Clintons E-Mails haben der demokratischen Präsidentschaftskandidatin in den Umfragen deutlich geschadet. Ihre noch vor wenigen Tagen komfortable Führung ist in etlichen Erhebungen auf nur noch ein oder zwei Prozentpunkte zusammengeschmolzen - ein statistisch unbedeutender Vorsprung. In einigen Umfragen liegt sie inzwischen sogar knapp hinter ihrem republikanischen Gegner Donald Trump. Den meisten Vorhersagemodellen nach würde Clinton die Wahl dennoch im Moment noch gewinnen.

Bisher ist immer noch nicht bekannt, um was für E-Mails es sich genau handelt, die das FBI auf einem Computer des ehemaligen Abgeordneten Anthony Weiner entdeckt hat und die im Zusammenhang mit Clinton stehen sollen. Weiner ist der Ehemann von Huma Abedin, eine der engsten Mitarbeiterinnen Clintons. Gegen die Demokratin hatte das FBI ermittelt, weil sie in ihrer Zeit als US-Außenministerin sämtliche Dienstmails über einen privaten Server laufen ließ. Der FBI-Chef hatte diese Praxis im Sommer als "äußerst nachlässig" bezeichnet, aber keinen Grund für eine Anklage gesehen. Ob die neu entdeckten Mails an dieser Einschätzung etwas ändern, ist offen.

Die Demokraten bezichtigen die Ermittler, zugunsten Trumps zu arbeiten

Das FBI hat zumindest zugesagt, die Nachrichten so schnell wie möglich sichten zu wollen. Ob das bis zum Wahltag am 8. November noch gelingt, ist unklar. Ebenso unklar ist, was die Beamten dann finden. Abedin selbst hat Berichten zufolge keine Ahnung, um was für Mails es sich handelt und wie diese auf den Computer ihres Mannes gekommen sind. Clinton geht offenbar davon aus, dass kein Material dabei ist, das ihr schaden könnte - sie hat das FBI aufgefordert, alle Details offenzulegen. Sofern die Ermittler tatsächlich nichts finden, ist das sicher die beste Strategie. Sollten sich unter den Mails jedoch auch - wie in früheren Fällen - solche befinden, die als geheim eingestufte Informationen enthalten, dann könnte das Clinton noch erheblich mehr schaden als das bloße Bekanntwerden der Ermittlungen.

Hillary Clinton Campaigns In Ohio

Clintons lange Schatten: Kurz vor der Wahl holt die Präsidentschaftskandidatin wieder ihre E-Mail-Affäre ein.

(Foto: Jewel Samad/AFP)

Die Demokraten versuchen, von den Ermittlungen gegen Clinton abzulenken, indem sie FBI-Chef James Comey bezichtigen, die Wahl zugunsten Trumps beeinflussen zu wollen - ein harter Vorwurf, für den es keinen Beleg gibt. Ebenso werfen sie Comey vor, Hinweise auf Verbindungen zwischen Trump und der russischen Regierung geheim zu halten. Auch dafür gibt es jedoch keinerlei Beweise. Berichte, Trump habe einen geheimen E-Mail-Server, über den er mit Banken in Moskau kommuniziere, hält die US-Regierung für falsch.

Clintons Wahlkampfteam ist zuversichtlich, dass die Kandidatin den derzeitigen Rückgang ihrer Umfragewerte überstehen kann. Dass das Rennen kurz vor dem Wahltag enger wird, ist normal. Und in den meisten wahlentscheidenden Staaten liegt Clinton immer noch vor Trump. Ihre Mehrheit im Wahlmännerkolleg, das am Ende den Präsidenten bestimmt, ist nach jetzigem Stand nicht gefährdet.

Größere Sorgen macht Clintons Leuten Berichten zufolge, dass schwarze Wähler nicht in dem Maß zur Wahl gehen - und für Clinton stimmen -, wie sie das in den vergangenen Jahren getan haben, als Barack Obama Kandidat war. Das zeigen die Zahlen zu den Frühwählern. Die Schwarzen und Latinos in großen Mengen zu mobilisieren, ist aber ein wesentlicher Teil der Siegesstrategie von Clinton. Denn nur so kann sie den Vorsprung wettmachen, den Trump bei weißen Wählern hat. Schwarze sind in den Bundesstaaten Florida und North Carolina eine wahlentscheidende Gruppe.

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