Dublin-Regel:Deutschland schiebt nach Ungarn nicht mehr ab

Eigentlich müsssten zahlreiche Flüchtlinge nach Ungarn zurückgeschickt werden, doch dort werden sie zu schlecht behandelt. Abschiebungen nach Griechenland, seit 2011 ausgesetzt, finden nun allerdings wieder statt.

Von Bernd Kastner

Deutschland schiebt keine Flüchtlinge mehr nach Ungarn ab. Grund ist die schlechte Behandlung von Asylsuchenden dort. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums an die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke hervor, über die zuerst die Tagesschau berichtet hat. Zwar hat die Bundesregierung keinen offiziellen Abschiebestopp verkündet, de facto aber besteht ein solcher offenbar. Seit Mitte April wurde laut Ministerium kein Asylbewerber mehr nach Ungarn zwangsweise zurückgeschickt. Die Dublin-Verordnung besagt, dass für Asylverfahren jenes europäische Land zuständig ist, das ein Flüchtling zuerst betreten hat. Demnach müssten zahlreiche Flüchtlinge nach Ungarn zurückgeschickt werden - was aber derzeit nicht geschieht.

Ulla Jelpke begrüßt dies, weil der Umgang Ungarns mit Flüchtligen "auf Abschottung und Abschreckung, auf Schikane und Entrechtung" basiere. Sie kritisiert aber die "Leisetreterei" der Bundesregierung und fordert deutliche Worte Richtung Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán: "Es darf keine stille Kumpanei mit dem Flüchtlingshasser Orbán geben." Die Organisation Pro Asyl begrüßt das Aussetzen der Abschiebungen ebenfalls. Asylsuchende, die nach Ungarn gelangen, würden seit März ausnahmslos in den Transitzonen an der ungarisch-serbischen Grenze inhaftiert, auch Kinder bis zu vierzehn Jahren.

Während die Regierung Dublin-Abschiebungen nach Ungarn beendet hat, finden solche nach Griechenland wieder statt. Wegen der chaotischen Verhältnisse im dortigen Asylsystem waren sie seit 2011 ausgesetzt. Pro Asyl wie die Abgeordnete Jelpke halten die Dublin-Regel für gescheitert. Mit einer menschenrechtsbasierten Flüchtlingspolitik sei dies "nicht vereinbar", urteilt Pro Asyl. Jelpke fordert statt der aufwendigen Zwangsverteilung die freie Wahl des Aufnahmelandes. Flüchtlinge sollten in dem Land um Aufnahme bitten dürfen, wo Verwandte leben oder dessen Sprache sie sprechen. Dies erleichtere ihre Integration enorm.

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