Drohung mit Einfuhrabgaben:Teuer für beide Seiten

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Der US-Präsident bejubelt Zölle auf Autos als Heilmittel, um Jobs im Land zu halten. Der Plan dürfte nicht aufgehen. Doch er könnte deutsche Hersteller Milliarden kosten.

Von Thomas Fromm und Claus Hulverscheidt

Manchmal ist es mit Donald Trump wie mit einem kleinen Kind, das erfahren hat, welches Geschenk die Mama zum Geburtstag bekommen soll, und nun einfach den Mund nicht mehr halten kann. Die "großartigen amerikanischen Autoarbeiter", so schrieb der US-Präsident am Mittwoch im Kurznachrichtendienst Twitter, könnten sich auf "grandiose Neuigkeiten" freuen. Viele Jahrzehnte lang seien ihre Jobs ins Ausland abgewandert, damit sei nun Schluss.

Wenige Stunden später wussten die Beschäftigten der US-Autoindustrie - vor allem aber ihre Kollegen in Europa und Asien -, was es mit den "grandiosen Neuigkeiten" auf sich hatte: Die US-Regierung prüft, ob sie Autolieferungen aus Deutschland und Italien, aus Japan und Südkorea mit Zöllen von bis zu 25 Prozent belegen kann. Das wäre das Zehnfache des heutigen Werts - und sollte es so kommen, würde dies BMW, Daimler und Volkswagen einige Milliarden extra kosten. Importautos würden damit im Vergleich zu im Inland gefertigten Wagen erheblich teurer, zudem müssten die Hersteller wohl auf einen Teil ihrer bisherigen Gewinne verzichten.

Die offizielle Begründung für die Überlegungen, die das Wirtschaftsministerium am Mittwochabend nachschob, klingt abenteuerlich. Die Autoindustrie, so hieß es, sei für die Vereinigten Staaten lange Zeit "ein Quell technologischer Innovation" gewesen. Ziel der jetzigen Prüfung sei es herauszufinden, ob die Schrumpfung der Autobranche eine Gefahr für die US-Wirtschaft sei - und damit für die nationale Sicherheit. Schließlich drohten Forschung, qualifizierte Jobs und das Wissen über moderne Fertigungsprozesse verloren zu gehen. "Uns fehlt die Fantasie, zu erkennen, was dies mit nationaler Sicherheit der USA zu tun hat", heißt es in der Autoindustrie, man werde sich das Thema deshalb erst einmal genauer ansehen.

Es geht um dieselbe Gleichung, die die US-Regierung schon bei Stahl- und Aluminiumproduzenten aus dem Ausland aufgemacht hatte, die ebenfalls eine neue Einfuhrabgabe von 25 Prozent zahlen sollen. Während das Argument, man müsse U-Boote und Kampfflugzeuge vollständig mit im Inland gefertigten Teilen bauen können, zumindest nicht gänzlich abwegig erscheint, ist es schwer zu begründen, warum der Import von Pkw die nationale Sicherheit gefährden sollte. Trumps Überlegungen haben deshalb wohl mehr mit den anstehenden Kongresswahlen und dem Wunsch zu tun, die US-Autobauer General Motors, Ford und Fiat Chrysler generell vor unliebsamer Konkurrenz zu schützen.

Bei den deutschen Autobauern wächst das Unverständnis über die Politik Trumps. Die Zeit der politischen Zurückhaltung ist allmählich vorbei. "Einseitiger Protektionismus" habe "langfristig niemandem geholfen", hieß es am Donnerstag bei Volkswagen. Als Autohersteller sei man "auf verlässliche internationale Rahmenbedingungen angewiesen". BMW teilte mit, man stehe für "weltweiten Freihandel". Ein "barrierefreier Marktzugang" sei ein "entscheidender Faktor nicht nur für das Geschäftsmodell der BMW Group, sondern auch für das Wachstum, den Wohlstand und die Beschäftigung in der gesamten globalen Wirtschaft".

Die Münchner sehen sich mit ihrem Werk in Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina ohnehin als wichtigen lokalen Autobauer. An die neun Milliarden US-Dollar seien bislang für den US-Standort in die Hand genommen worden, weitere 600 Millionen sollen bis 2021 investiert werden. Hier, wo BMW die Geländewagen seiner X-Serie baut, soll von 2019 an auch der große X7 gefertigt werden - bis 2021 dürften im Werk Spartanburg nach internen Berechnungen von BMW an die 11 000 Menschen arbeiten. Schon heute ist es so: BMW baut in den USA weitaus mehr Autos, als man dort verkauft - an die 70 Prozent der X-Modelle gehen von den USA aus in den weltweiten Export, die meisten nach Europa und China. Man sei mit dem Werk in Spartanburg "größter Nettoexporteur von Fahrzeugen aus den USA", heißt es.

Längst ist die deutsche Autoindustrie zumindest zum Teil eine amerikanische Industrie. 36 500 Mitarbeiter beschäftigten deutsche Hersteller derzeit in den USA, so der Branchenverband VDA. Dazu kämen weitere 80 000 Menschen, die bei deutschen Zulieferern vor Ort beschäftigt seien. Was also ist hier deutsch, was amerikanisch? Wenn es Trump darum geht, die ausländischen Hersteller dazu zu zwingen, verstärkt in den USA zu produzieren, dann dürfte dies kaum funktionieren - fast alle sind schon längst dort. Und die Produktion weiterer Modellreihen in die USA zu verlagern, dürfte schon an den Arbeitnehmervertretern in Deutschland scheitern.

Statt die heimische Autoindustrie zu stärken, könnten Einfuhrzölle dazu führen, dass die Preise für US-Kunden massiv steigen. Die US-Hersteller nämlich haben die Produktion von kleinen, mittleren und Oberklasse-Pkw immer weiter zurückgefahren und den Markt japanischen, koreanischen und deutschen Herstellern überlassen. Sie konzentrierten sich auf den Bau der in den USA so beliebten großen Sportgeländewagen. Erst kürzlich verkündete Ford beinahe stolz, man werde künftig mit Ausnahme des ikonischen Sportwagens Mustang keinerlei normale Pkw mehr bauen. Eine Lücke, in die dann europäische und asiatische Hersteller mit ihren Marken vorstoßen. Allein die deutschen Autobauer exportieren jährlich fast 700 000 Autos in die USA, während über sieben Prozent aller Autos, die in den USA gebaut werden, von deutschen Herstellern stammen.

Für die Konzerne ist es gerade ein Wechselbad der Gefühle. Anfang der Woche noch ließ das chinesische Finanzministerium wissen, dass man die Importzölle auf Fahrzeuge von derzeit 25 auf 15 Prozent senken werde. Dann, nur zwei Tage später, die Ankündigung Trumps. "Es ist zurzeit eine Art Nullsummenspiel für uns", fasst ein Automanager die Woche zusammen.

© SZ vom 25.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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