Drohnenkrieg via Ramstein:"Die Grundrechte machen nicht an der Grenze halt"

Dürfen die USA auf der Basis Ramstein machen, was sie wollen? Ein Gespräch mit dem Völkerrechtler Björn Schiffbauer über die Chancen, Deutschland für zivile Drohnenopfer zur Verantwortung zu ziehen.

Interview von Jannis Brühl

Björn Schiffbauer

Björn Schiffbauer forscht am Lehrstuhl für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität Köln.

(Foto: privat)

Ein somalischer Hirte verklagt das Bundeverteidigungsministerium vor dem Kölner Verwaltungsgericht, weil eine US-Drohne 2012 seinen Vater getötet hat (Lesen Sie die ganze Geschichte hier). Das eigentliche Ziel war ein Dschihadist gewesen. Die Angriffe der US-Drohnen werden auch über die rheinland-pfälzische Basis Ramstein koordiniert. Bereits im Mai scheiterten drei Jemeniten, deren Angehörige von einer Drohne getötet worden waren, vor demselben Kölner Gericht. Das Gericht wollte der Bundesregierung nicht auferlegen, den USA die Nutzung von Ramstein für den Drohnenkrieg zu untersagen.

Björn Schiffbauer forscht am Lehrstuhl für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität Köln. Er erklärt, wie kompliziert die rechtliche Lage im Drohnenkrieg ist.

SZ: Herr Schiffbauer, können die Amerikaner auf ihren Stützpunkten machen, was sie wollen?

Björn Schiffbauer: Nein. Militärbasen wie Ramstein sind auf Grundlage des Nato-Truppenstatuts und des entsprechenden Zusatzabkommens eingerichtet. Die Verträge verpflichten die USA, deutsches Recht einzuhalten.

Aber die Jemeniten, die die Bundesregierung zwingen wollten, die Koordination der Drohnen von Ramstein aus zu verbieten, haben vor dem Verwaltungsgericht Köln verloren. Das Gericht wollte keine Entscheidung fällen, die das transatlantische Verhältnis auf den Kopf stellt. Was hätte es tun können?

Das ist schwer zu beantworten, weil es um mehrere rechtliche Ebenen geht. Zunächst - und das ist positiv - kann sich die Bundesrepublik nicht mehr auf das Argument zurückziehen: "Das ist gar nicht bei uns geschehen, und das sind nicht unsere Staatsangehörigen." Das Gericht hat gesagt, dass das Recht auf Leben auch außerhalb Deutschlands gilt, wenn die Bundesrepublik beteiligt ist. Die Bundesrepublik hat hier eine Schutzpflicht auch Fremden gegenüber. Die Grundrechte machen nicht an der Grenze halt. Das war klug und mutig - auch wenn es am Ende den Klägern nicht geholfen hat.

Warum wurde Deutschland nicht gezwungen, die jemenitischen Zivilisten zu schützen?

Die Bundesregierung hat angeführt, sie habe ja mit den Vereinigten Staaten gesprochen. Die hätten versichert, das Völkerrecht werde bei den Drohnenschlägen eingehalten. Die Frage war: Muss die Bundesrepublik mehr tun, als die Amerikaner zu fragen: "Macht ihr das alles völkerrechtskonform?" Dem Gericht zufolge ist die juristische Überprüfbarkeit solcher völkerrechtlicher Fragen beschränkt. Das lässt der Bundesregierung Ermessensspielraum, wie sie ihrer Schutzpflicht in internationalen Beziehungen nachkommt. Wenn sie findet, Gespräche mit den USA genügten, deren Aussagen seien vertrauenswürdig, reicht das. Denn nur Untätigkeit oder offenkundig ineffektives Verhalten sind laut Verwaltungsgericht Köln gerichtlich angreifbar.

Wie glaubwürdig ist die Aussage der USA, dass die Drohnenschläge völkerrechtskonform sind?

Auch was die völkerrechtliche Frage angeht, hat das Gericht der Bundesregierung einen weiten Ermessensspielraum eingeräumt. Laut Gericht muss sie hier nur eine völkerrechtlich vertretbare - und nicht unbedingt die unter Völkerrechtlern herrschende - Position einnehmen. Wenn sie zum Beispiel der Ansicht sei, der Drohnenkrieg im Jemen wäre unproblematisch, sei das gerichtlich nicht angreifbar. Im Fall der Jemeniten waren die Richter der - meines Erachtens gut vertretbaren - Meinung, dass es sich um einen nicht internationalen bewaffneten Konflikt handelt. Und in dem sind gezielte Tötungen grundsätzlich erlaubt.

Auch wenn dabei Zivilisten sterben?

Zivilisten dürfen natürlich nicht gezielt getötet werden. Es kann aber zu "Kollateralschäden" kommen - ein Wort, das ich nicht gerne verwende. Solange es nicht zu einer exzessiven Tötung von Zivilisten kommt und diese sich in der Nähe von legitimen militärischen Zielen aufhalten und dabei sterben, ist das vom Recht des bewaffneten Konfliktes gedeckt - so traurig das auch ist.

Haben Klagen Aussicht auf Erfolg?

Gibt das Gericht der Bundesregierung so nicht zu viel Spielraum fürs Nichtstun?

Das kann man sicher so sehen, politisch und faktisch. Es verleiht der Bundesregierung einen unheimlich weiten Spielraum, Einschätzungen zu treffen.

Die Kläger machten im Gerichtssaal Vorschläge für neue Vereinbarungen zwischen den USA und Deutschland. Kann ein Gericht die Bundesregierung überhaupt zwingen, den Datenfluss zu den Drohnen über Ramstein zu untersagen?

Ich kann mir das schwer vorstellen. Das Gericht kann die Bundesregierung nicht zwingen, konkrete Vereinbarungen zu treffen. Dafür sind Gerichte nicht da. Das Völkerrecht ist das Recht zwischen Staaten, vertreten durch Regierungen. Es würde unserem Gedanken der Gewaltenteilung widersprechen, wenn plötzlich Gerichte der Regierung sagen, was sie in ihren internationalen Beziehungen zu tun und zu lassen hat. Politisch allerdings wären solche Vereinbarungen möglich: Wenn die Bundesregierung der Meinung ist, sie müsse sich mehr Einfluss auf die Aktivitäten der Amerikaner verschaffen, könnte sie auf neue Vereinbarungen oder eine Änderung des Truppenstatuts hinwirken. Das hängt dann aber natürlich von der Zustimmung der Amerikaner ab. Die kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen.

Halten Sie die Klagen von Zivilisten gegen die Ramstein-Connection also für sinnlos?

Sinnlos sind sie nicht. Dahinter steht ja eine politische Dimension. Man darf hinterfragen, ob die Praxis der Bundesregierung politisch opportun ist. Es stünde der Bundesregierung gut zu Gesicht, hier etwas genauer hinzuschauen. Die Klagen können einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Debatte leisten.

Haben sie denn Aussicht auf Erfolg?

Ich bin mir nicht sicher, ob sie aussichtslos sind. Die jemenitischen Kläger haben zwar nicht gewonnen, aber einen beachtlichen Teilerfolg errungen: Die gerichtlich verbriefte Anerkennung, dass ihr Recht auf Leben auch im Jemen geschützt ist - und zwar auch dann, wenn ihnen gar keine deutschen Hoheitsträger nach dem Leben trachten, sondern ein dritter Staat von Deutschland aus operiert, wie in diesem Fall die USA. Das Verwaltungsgericht hat Kriterien aufgestellt, wie die Bundesrepublik ihrer Schutzpflicht nachkommen muss und wie sie die Aktivitäten der USA prüfen kann. Wenn man der Bundesrepublik in einem Fall wirklich nachweisen könnte, nicht genug getan oder falsche völkerrechtliche Bewertungen vorgenommen zu haben, dann können solche Klagen auch Erfolg haben.

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