Drohender Militärschlag:Syrien begrüßt Russlands Vorschlag zu Chemiewaffen

Drohender Militärschlag: Der syrische Außenminister Walid al-Muallem (li.) und sein russischer Kollege Lawrow bei einer Pressekonferenz am Montag in Moskau

Der syrische Außenminister Walid al-Muallem (li.) und sein russischer Kollege Lawrow bei einer Pressekonferenz am Montag in Moskau

(Foto: Imago Stock&People)

Lässt sich ein Militärschlag gegen Syrien doch noch verhindern? Russlands Außenminister Lawrow hat die Regierung in Damaskus aufgefordert, ihre Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen und zu vernichten. Der syrische Außenminister äußert sich positiv dazu. Die USA reagieren skeptisch und wollen den Vorschlag jetzt genau prüfen.

Es ist die überraschendste diplomatische Entwicklung der vergangenen Tage: Russland hat die syrische Regierung aufgefordert, ihre Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen und sie zu vernichten. Außerdem solle Syrien der internationalen Chemiewaffenkonvention beitreten, die seit 1997 nicht nur den Einsatz, sondern auch Entwicklung, Herstellung, Besitz und Verbreitung von Chemiewaffen verbietet.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte am Montag eine "schnelle und positive" Antwort von der Regierung in Damaskus. Moskau erhoffe sich von der Maßnahme, dass ein möglicher Militärschlag gegen das Land damit verhindert werden könne.

Die USA wollen Russlands Vorschlag prüfen. "Wir werden uns die russische Erklärung sehr genau ansehen müssen", sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Marie Harf, am Montag in Washington. "Um es klar zu sagen, wir sind sehr skeptisch." US-Außenminister John Kerry habe nach dem Vorstoß Lawrows mit diesem telefoniert. Dabei sei über die syrischen Chemiewaffen gesprochen worden. Es sei "kein Zufall", dass Russland ausgerechnet jetzt einen solchen Vorstoß unternehme. Dies geschehe in einer Zeit, in der die USA dem syrischen Regime mit einem Militärschlag drohten, argumentierte Harf.

Wie Assad zu dem Vorschlag steht, ist unbekannt

Am Vormittag hatte Lawrow Syriens Außenminister Walid al-Muallem empfangen doch da habe sich dieser noch nicht zu diesem Thema geäußert. Inzwischen heißt es jedoch, dass al-Muallem den Vorschlag begrüße. Es gehe darum, eine "US-amerikanische Aggression gegen das syrische Volk" zu verhindern, sagte der Außenminister der Agentur Interfax zufolge.

Unklar ist jedoch, wie Syriens Machthaber Assad dazu steht. Ob dieser den Vorschlag ausdrücklich akzeptiert habe, dazu sagte al-Muallem in Moskau nichts.

Die neueste Entwicklung ergab sich erst aus einem Satz, den US-Außenminister John Kerry bei einer Pressekonferenz in London fallen ließ: Auf die Frage, wie Syriens Präsident Baschar al-Assad einen US-Militärschlag vermeiden könnte, erklärte er, das Regime könne binnen einer Woche seine Chemiewaffen an die internationale Gemeinschaft abgeben. Kerry fügte jedoch hinzu, dass Assad das nicht tun werde und es kaum möglich sei.

Verschiedene Nachrichtenagenturen interpretierten dies als Ultimatum, was aber im Kontext der Pressekonferenz zweifelhaft erschien. Das US-Außenministerium veröffentlichte später eine Klarstellung, in der es den rhetorischen Charakter von Kerry Aussage hervorhob. "Er (Kerry) hat darauf abgezielt, dass diesem Diktator, der eine lange Geschichte damit hat, Schindluder mit den Fakten zu treiben, nicht zugetraut werden kann, die Chemiewaffen zu übergeben. Sonst hätte er das schon längst getan."

Moskau hat sich nun dennoch entschlossen, die Aussage aufzugreifen. Sollte Assad dem Vorschlag Folge leisten, wäre dies möglicherweise ein gangbarer Weg, um einen Militärschlag abzuwenden.

Merkel erkennt wichtigen Vorstoß zur Lösung des Konflikts

Die syrischen Rebellen glauben allerdings nicht, dass die Regierung in Damaskus eine internationale Kontrolle über seine Giftgas-Vorräte zulässt: "Wir glauben, dass das Regime nur versucht, sich Zeit zu erkaufen. Wir misstrauen sämtlichen Versprechen dieses Regimes, das mit Lügen um sich wirft", sagte ein Sprecher der von Deserteuren gegründete Freien Syrischen Armee (FSA).

Kanzlerin Angela Merkel sieht dagegen in der Aufforderung Moskaus an Syrien, seine Chemiewaffen einen wichtigen Vorstoß zur Lösung des Konflikts. In der ARD-Sendung Wahlarena bezeichnete sie die Äußerungen von Lawrow als "interessante Vorschläge". Es bleibe abzuwarten, ob diesen Worten Taten folgten. Deutschland werde weiterhin alles für eine politische Lösung tun. Sie riet dringend, den Bericht der UN-Inspekteure über den mutmaßlichen Giftgaseinsatz nahe Damaskus im August abzuwarten. Sie versicherte, Deutschland werde sich an keiner militärischen Aktion beteiligen.

Westerwelle befürwortet diplomatische Initiativen

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle befürwortet wie Merkel die neuen diplomatischen Initiativen aus Moskau und Washington: "Wenn sichergestellt würde, dass die Chemiewaffen des Assad-Regimes nicht mehr eingesetzt werden können, wäre das ein großer Schritt vorwärts", sagte Westerwelle der Passauer Neuen Presse. Chemiewaffen gehörten weltweit geächtet und vernichtet.

Gleichzeitig dämpfte Westerwelle die Hoffnungen, dass es doch noch zu einer politischen Lösung des Syrienkonfliktes kommen wird. "Angesichts der bisherigen Haltung des Assad-Regimes" solle die Weltgemeinschaft "nicht großer Hoffnung sein", dass Damaskus der Forderung nach Kontrolle über das Chemiewaffenarsenal nachkommen werde.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sieht in einer internationalen Kontrolle der syrischen Chemiewaffen-Bestände ebenfalls einen ersten Schritt zur Beendigung des Bürgerkrieges. Es sei eine "bemerkenswerte Entwicklung", dass Russland "trotz des enttäuschenden G20-Gipfels" Druck auf Syrien ausübe und sich dafür einsetze, dass Syrien das internationale Chemiewaffen-Abkommen ratifiziere, sagte Steinbrück bei einer Wahlkampfveranstaltung in Würzburg.

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon will Syrien zur Herausgabe und Vernichtung seiner Chemiewaffen auffordern. Sollte der Bericht des UN-Expertenteams ergeben, dass solche Waffen in dem Bürgerkriegsland eingesetzt worden seien, dann werde er den Sicherheitsrat um entsprechende Beschlüsse bitten, sagte Ban vor Journalisten in New York. "Ich überlege, den Sicherheitsrat zu bitten, dass er Damaskus zur sofortigen Übergabe der chemischen Waffen an Orte in Syrien auffordert, wo sie sicher gelagert und zerstört werden können."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: