Drogenbericht:Zocken ist das neue Zechen

Drogen

SZ-Grafik; Quelle: Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung

Die Deutschen rauchen und trinken weniger, entwickeln aber andere Süchte.

Von Guido Bohsem, Berlin

Wenn es ums Rauchen geht, wird Marlene Mortler ernst. Etwa zehn Minuten lang hat die Drogenbeauftragte der Bundesregierung am Donnerstag nun schon ihre Bilanz der vergangenen zwölf Monate vorgestellt, sie hat bestimmt, aber freundlich über Crystal Meth gesprochen, über Cannabis und sogar über die Todesstrafe. Doch beim Thema Rauchen wird die CSU-Politikerin grantig.

"Bei 120 000 Rauchertoten hört der Spaß auf", sagt sie. Zwar liege die Zahl der rauchenden Zwölf- bis 17-Jährigen nur noch bei knapp acht Prozent und damit mehr als die Hälfte niedriger als noch vor 25 Jahren, ein historischer Tiefstand. Doch setzten die Tabakhersteller weiterhin darauf, die noch zulässige Werbung auf junge Konsumenten zu konzentrieren. 200 Millionen Euro gebe die Branche pro Jahr aus, um Konsumenten zu werben. "Das übersteigt alles, was wir an Prävention ausgeben." Und daher sei es gut, dass die Außen- und Kinowerbung, die vor allem auf junge Menschen ziele, künftig verboten sei.

Auch mit Shishas und elektronischen Zigaretten würden die Tabakhersteller gezielt Jugendliche ansprechen, so Mortler. Der deutsche Zigarettenverband wies das zurück: Man habe es unterstützt, dass die Altersgrenze für diese Produkte nach oben gehoben werde.

Etwa 16 Prozent der Kinder in der neunten Klasse sitzen mehr als vier Stunden pro Tag am Rechner

Nach Mortlers Worten gibt es aber auch bei anderen Suchtmitteln Erfolge zu verzeichnen. So konsumieren die Deutschen zum Beispiel weniger Alkohol. Das sogenannte Komasaufen unter Jugendlichen hat seinen Höhepunkt offenbar ebenfalls überschritten und die Aufputsch-Droge Crystal Meth ist weiterhin vor allem in den östlichen Grenzregionen zu finden und breitet sich nicht über das ganze Land aus.

Auch deshalb will sich Mortler in diesem Jahr einer ganz anderen Art der Abhängigkeit widmen, der Computerspiel- und Internetsucht. Immer mehr Jugendliche tauchten immer häufiger und länger in virtuelle Welten ab. Etwa 16 Prozent der Kinder in der neunten Klasse spielten vier bis fünf Stunden am Tag. Insgesamt können in Deutschland rund 560 000 Menschen als abhängig bezeichnet werden, heißt es im Bericht. 0,8 Prozent der Frauen sind betroffen und 1,2 Prozent der Männer. Weitere 250 000 zeigten Anzeichen einer Abhängigkeit. "Das ist die Schattenseite der Digitalisierung", so Mortler.

Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kommt zu dem Ergebnis, dass der allergrößte Teil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Umgang mit Computerspielen keine Verhaltensprobleme zeigt. 2,5 Prozent der 5000 Befragten aber seien als exzessive Spieler einzustufen. Anders als bei anderen Suchterkrankungen machte es dabei keinen Unterschied, ob es sich um männliche oder weibliche Betroffene handelt. Hauptschüler sind häufiger betroffen als Realschüler und Gymnasiasten.

Laut Bericht sind die Folgen des übermäßigen Internetkonsums gravierend. So bestehe selbst bei kurzen Störungen die Gefahr, "dass altersgemäße Einwicklungen nicht erreicht werden".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: