Dritter Tag im NSU-Prozess:In gereizter Stimmung

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Beate Zschäpe im Gespräch mit ihren Anwälten. (Foto: REUTERS)

Immer neue Anträge, Streit und zähe Debatten: Am dritten Tag im NSU-Prozess geht es um ein Lachverbot, eine Anwältin kritisiert die Medien und Beate Zschäpes Verteidiger verlangen sogar die Aussetzung des Verfahrens. Nur in einer Frage sind sich alle einig: keiner will einen zweiten NSU-Prozess.

Von Annette Ramelsberger und Tanjev Schultz

Auch der dritte Verhandlungstag im NSU-Prozess ist turbulent und in gereizter Stimmung verlaufen. Die Verteidiger der mutmaßlichen Terroristin Beate Zschäpe lehnten zwei Vertreter des Generalbundesanwalts als befangen ab und forderten, sie durch andere Staatsanwälte zu ersetzen. Die Bundesanwälte hätten Akten nicht in erforderlicher Weise weitergeleitet, sie hätten nicht objektiv und fair agiert und sich voreingenommen über Zschäpe geäußert. Die Verteidiger wollen zudem mehr über das Versagen der Behörden erfahren. Sie beantragten am Mittwoch, das Verfahren auszusetzen oder zumindest für drei Wochen zu unterbrechen.

Zschäpes Verteidiger verlangten einen umfassenden Einblick in die Dokumente der NSU-Untersuchungsausschüsse und in die vertraulichen Akten der Geheimdienste. Die Verteidiger des Angeklagten Ralf Wohlleben beantragten sogar, das Verfahren gegen ihren Mandanten einzustellen. Als Begründung verwiesen sie unter anderem auf angebliche Hinweise, dass Geheimdienste in die Straftaten verwickelt seien und diese eine Aufklärung nicht unterstützen würden.

Bundesanwalt Herbert Diemer wies Spekulationen über Geheimdienst-Verstrickungen zurück. Es gebe dafür keine Belege. Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy, hatte Anfang dieser Woche von einem "beispiellosen Versagen" der Sicherheitsbehörden gesprochen, jedoch ebenfalls betont, es gebe keine Hinweise darauf, dass staatliche Stellen den NSU gedeckt oder sogar unterstützt hätten.

Verteidiger kritisieren angebliche Vorverurteilung

Wohllebens Anwältin Nicole Schneiders kritisierte eine Vorverurteilung ihres Mandanten. Wohlleben werde bereits jetzt von Medien als "Terrorhelfer" bezeichnet, und die Angeklagte Beate Zschäpe werde "Nazi-Braut" genannt. Von solcher Vorverurteilung könnte auch das Gericht beeinflusst werden. Ein faires und rechtsstaatliches Verfahren sei nicht mehr möglich. Ein Vertreter der Nebenkläger nannte die Argumentation "absurd".

Schneiders war früher Mitglied der NPD und gilt als bei Rechtsextremisten beliebte "Szene-Anwältin". Ihren Mandanten Ralf Wohlleben, der NPD-Funktionär in Thüringen war, hatte sie am ersten Verhandlungstag mit Küsschen begrüßt. Schneiders beanstandete nun vor Gericht angeblich fehlende Akten und forderte in einem weiteren Antrag ebenfalls die Aussetzung des Verfahrens. Es würden unter anderem Unterlagen fehlen über die Situation auf der Polizeiwache, als sich Zschäpe im November 2011 gestellt hatte. Es gebe darüber "keinerlei Dokumentation, obwohl sie mehrere Stunden dort war", sagte Schneiders. Sie fügte hinzu, es werde gemunkelt, Zschäpe sei damals von zwei Leuten des Verfassungsschutzes besucht worden.

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Das Verfahren gegen den NSU hat begonnen, noch ist unklar wie lange er dauern wird, sicher ist jedoch, er wird das Land prägen. So wie es auch andere Prozesse getan haben. Ein interaktiver Überblick über die spektakulärsten Verhandlungen der vergangenen Jahrzehnte.

In der NPD und anderen rechtsextremen Kreisen betrachten viele den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) als eine bloße Erfindung des Verfassungsschutzes. Nun ist diese Position in die Form von Anträgen bei Gericht gegossen worden. Dabei zitierte Wohllebens Anwältin aus spekulativen Medienberichten, die sich in der Arbeit der Untersuchungsausschüsse als haltlos erwiesen hatten, beispielsweise über eine vermeintliche Verstrickung eines US-Geheimdienstes in den Mord an der Polizistin Michele Kiesewetter in Heilbronn im Jahr 2007.

Schneiders verwies auf V-Männer im Umfeld des NSU und auf die Anwesenheit des Verfassungsschützers Andreas T. am Tatort, als 2006 der Internetcafé-Betreiber Halit Yozgat in Kassel ermordet wurde. Der Verfassungsschützer war damals unter Verdacht geraten; dieser ließ sich aber nicht erhärten. Der Mann war offenbar zufällig am Tatort gewesen. Schneiders zitierte dennoch Berichte, denen zufolge der Mann auch an anderen Tatorten gewesen sein soll. Entsprechende Berichte waren jedoch Falschmeldungen.

Der Nebenkläger-Anwalt Thomas Bliwier, der Halit Yozgats Vater vertritt, distanzierte sich von Schneiders' Anträgen. Wohllebens Verteidigung nutze den Prozess für "Stimmungsmache". Das sei "heiße Luft, nicht mehr."

Rauer Ton zwischen Götzl und den Verteidigern

Zschäpes Verteidiger forderten, die Hauptverhandlung in Wort und Bild aufzeichnen zu lassen. Es geht ihnen nicht um eine Dokumentation für die Öffentlichkeit, sondern für die Prozessbeteiligten. Erneut kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Richter Manfred Götzl und Zschäpes Verteidigern. Wiederholt bat Anwalt Heer um Erteilung des Wortes. Daraus entspann sich jedesmal eine Diskussion.

Die Nebenkläger lehnten vehement den Vorschlag des Gerichts ab, die Verhandlung über den Nagelbombenanschlag des NSU in der Kölner Keupstraße abzutrennen. Sie befürchten, dass das Verfahren dann gar nicht mehr zustande kommen würde. Reinhard Schön, der Opfer aus der Keupstraße vertritt, wies darauf hin, dass der Anschlag eine zentrale Aktion der Terroristen gewesen sei. "Inhaltlich verbietet sich eine Abtrennung", sagte Schön. Der Anwalt Alexander Hoffmann warnte, eine Abtrennung würde dem NSU "ungewollt zum Erfolg verhelfen", weil dann die Rechte der Opfer weiterhin keinen Raum bekämen. Zudem sei genügend Platz für die vielen Nebenkläger, da schon jetzt nicht immer alle im Gericht anwesend seien.

© SZ vom 16.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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