Dresden:Tausende Pegida-Anhänger gegen "Genervte Einwohner"

Montag, 18 Uhr, vor der Semperoper: Routiniert spulen Lutz Bachmann und ein paar Tausend Pegida-Anhänger ihr wöchentliches Programm des Fremdenhasses ab.

Von Katrin Langhans und Martin Schneider

Die Sonne geht unter, der Himmel über dem Dresdner Barockensemble ist rot-orange und eine japanische Touristengruppe macht Fotos. Ein Bild der Semperoper, ein Bild von der Gruppe vor der Semperoper. Auf den Fotos wird später eine große Video-Leinwand über dem Eingang der Oper zu sehen sein. "Wir sind kein Bühnenbild für Fremdenhass" steht drauf. Um die Gruppe bildet sich langsam eine Menschenmasse. Die Japaner gehen weiter, Menschen mit Fahnen und Plakaten strömen auf den Platz.

Es ist 18 Uhr. Gleich soll hier wieder die Pegida-Demonstration stattfinden, aber der Theaterplatz in Dresden ist eine halbe Stunde davor noch halbleer. Die, die da sind, scheinen sich alle gut zu kennen, sie grüßen sich freundlich. Ältere Männer und Frauen diskutieren über Zahlen. Wie viele waren es denn nun, am vergangenen Montag, als die Bewegung ihren einjährigen Geburtstag feierte? 15 000, wie es offiziell heißt und wie die "Lügenpresse" schreibt? 30 000, wie hier alle glauben, weil es viel realistischer sei und das die ausländische Presse geschrieben haben soll.

Und es wird über Björn Höckes Auftritt in Günther Jauchs Talkshow geredet. Ein Herr in Funtionsjacke fand den Fraktionsvorsitzenden der AfD in Thüringen rhetorisch stark. Und über den Redner Akif Pirincci debattieren sie, der vergangene Woche meinte, die "KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb". Einer sagt, dass er das übertrieben fand. Viele nicken.

Der Platz füllt sich. Viele tragen Schilder mit Sinnsprüchen. "Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht", zitiert eine Demonstrantin Heinrich Heine. Daneben hängt eine russische Fahne. Überhaupt sieht man viele russische Farben. Außerdem natürlich Schwarz-Rot-Gold, Flaggen von Bundesländern und eine Fahne mit schwarzem Kreuz mit gelbem Rand auf rotem Grund. Das Motiv hat Josef Wimmer entwickelt, der zum Kreis der Stauffenberg-Attentäter gehörte und sie als neue Deutschland-Fahne entwarf. Für Pegida ist sie darum Symbol eines anderen Deutschlands. Die meisten Fahnen auf dem Platz zeigen dieses liegende Kreuz.

Die Grenzen müssten dicht gemacht werden

Ansonsten hört man die üblichen Argumente: Die Presse lüge, Merkel müsse weg, die Grenzen müssten dicht gemacht werden, die meisten Flüchtlinge seien in Wirklichkeit Schmarotzer. Einer sagt, dass Cem Özdemir bald Bundeskanzler sei und Yasmin Fahimi Außenministerin. Für ihn ist das ein Schreckensszenario.

Um 18.30 Uhr ist der Platz voll. Pegida-Organisator Lutz Bachmann tritt ans Mikrofon. Er hält eine seiner üblichen Reden. Die Menge klatscht bei den Parolen und fängt an zu skandieren: "Widerstand, Widerstand." Wie viele sind es? Die Frage, über die so viele debattieren, ist unglaublich schwer zu beantworten. An manchen Stellen des Theaterplatzes stehen die Menschen dicht gedrängt, an anderen sind große Löcher.

Einige Demonstranten meinen, es seien "weniger als vergangene Woche, aber mehr als erwartet." Polizeibeamte im Einsatz sagen in einer ersten Einschätzung, es könnten schon so viele wie vergangenen Montag sein. Das Studentenbündnis "Durchgezählt" schätzt 10 000 bis 12 000 Menschen. Bachmann lobt derweil die Polen, die am Sonntag die nationalkonservative Partei PiS mit absoluter Mehrheit gewählt haben. Zum Schluss sagt er, dass Pegida so schnell nicht verschwinden wird.

Ein Kleintransporter vollgestopft mit vier Lautsprechern

Aus einer Straße um die Ecke wummert irgendwann Musik. Mehrere hundert Gegendemonstranten haben sich einen Kleintransporter besorgt und ihn mit vier Lautsprechern vollgestopft. Bachmann spricht einfach weiter. Zur Gegendemonstration hatte ein Bündnis namens "Gepida" aufgerufen, das steht für "Genervte Einwohner protestieren gegen Intoleranz Dresdner Außenseiter". Die meisten Polizisten versuchen, die Demonstranten voneinander zu trennen, auf dem Platz selbst sind nur wenige Beamte. Es bleibt friedlich.

Nach einer halben Stunde fangen die Leute an, durch Dresden zu "spazieren", wie sie es nennen. "Jedem sein Land, nicht jedem sein Stück Deutschland" steht auf einem Schild, "Für unsere Enkelkinder" in Abwandlungen auf vielen Transparenten. Am Postplatz stehen sich beide Lager gegenüber, aber die Polizei hat die Lage im Griff.

Danach wandert der Spaziergang wieder auf den Platz vor der Semperoper. Die ist übrigens mit einem rot-weißen Band im Abstand von etwa fünf Metern abgesperrt. Bachmann kommentierte das höhnisch. Während die Menge wieder auf den Platz marschiert, wechselt die Botschaft auf der Video-Leinwand. "Wir sind keine Kulisse für Intoleranz" steht nun da.

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