Dreikönigstreffen der FDP:Guido Westerwelle - geballte Selbstsicherheit

"Die Richtung stimmt, der Anfang ist gemacht!" In seiner Rede beim FDP-Dreikönigstreffen fordert Parteichef Guido Westerwelle mehr Selbstbewusstsein von seiner Mannschaft - und lebt das gleich vor: Deutschland gehe es mit den Liberalen besser als zuvor. Krise? Welche Krise?

Michael König, Stuttgart

Um 12.20 Uhr tritt er im Stuttgarter Opernhaus ans Rednerpult: Über Guido Westerwelle hängen exakt 14 Kronleuchter. Das sind so viele wie der Stimmenanteil der FDP in Prozent bei der Bundestagswahl 2009. Vor ihm sitzen etwa 1400 FDP-Mitglieder und -Anhänger, die fast Unmögliches von dieser Rede erwarten. Eine Westerwelle-Ruckrede, eine Schicksalsrede. Nichts weniger als den Ausweg aus der Krise soll der Parteivorsitzende ihnen präsentieren.

Annual FDP Epiphany Conference

Daumen nach oben: Guido Westerwelle in Stuttgart nach seiner Rede. Mehrfach erhielt der Parteivorsitzende Zwischenapplaus.

(Foto: Getty Images)

Das Problem: Der mag die Krise nicht so recht erkennen.

Zwar sei er offen für Kritik und Selbstkritik, das sei "oberste Bürgerpflicht", sagt Westerwelle zu Beginn. "Aber man darf bei aller Selbstkritik auch mal innehalten und sagen: Wir können stolz sein auf unser Land." Deutschland gehe es besser als vor der Bundestagswahl - "und ich spreche das offen aus". Er habe vielfach lesen müssen, ihm stehe ein schwieriges Dreikönigstreffen bevor: "Aber mir ist ein schwieriges Treffen lieber, bei dem es Deutschland gut geht, als ein einfaches, bei dem es Deutschland schlecht geht."

Es gebe viele, die von der FDP verlangten, "grüner oder roter" zu werden: "Nichts von alledem werden wir tun", ruft Westerwelle. Damit gibt er die Richtung in der vielleicht wichtigsten Rede seiner Karriere früh vor: "Weiter so!", soll das heißen, auch wenn Westerwelle es anders ausdrückt. Das macht er, indem er die Erfolge der FDP aufzählt und immer wieder sein Mantra wiederholt: "Die Richtung stimmt, der Anfang ist gemacht."

Als habe es die Debatte der vergangenen Tage nie gegeben. Führende Liberale hatten Westerwelle einen Wunschzettel für diesen Auftritt diktiert: "Inhaltlich-pointiert" (Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger) solle die Rede zum Dreikönigstreffen sein, "kämpferisch" (Fraktionschefin Homburger) solle sich der Vorsitzende geben und einen "Turnaround" schaffen (Generalsekretär Lindner). Mehrere weniger bekannte Köpfe hatten ultimativ gefordert, Westerwelle müsse Fehler eingestehen.

An diesem Donnerstag aber denkt der Parteichef daran gar nicht. Er lächelt und dankt dem Publikum in salbungsvollen Worten für die Anwesenheit. Selbst für einige Mitglieder der Grünen Jugend, die sich als solche enttarnen und ein Transparent mit der Aufschrift "Stuttgart 21 stoppen - FDP tieferlegen" im Oberrang des Saals entrollen, hat Westerwelle freundliche Worte parat: "Lasst es ruhig hängen. Jetzt habt ihr euch zum ersten Mal eine Krawatte angezogen. Herzlich willkommen."

Als später ein Kritiker aufsteht und Westerwelle beschimpft, brüllen andere Zuschauer den Mann nieder. Der Parteichef geht dazwischen: "Ach, ganz ruhig, ich bin aus dem Bundestag ganz andere Zwischenrufe gewöhnt." Seine Zuhörer amüsieren sich köstlich. Westerwelle gibt den Politprofi, der über den Dingen steht. Und er ermutigt seine Anhänger, sich ihn zum Vorbild zu nehmen: Das "liberale Immunsystem" müsse eingeschaltet werden.

Die FDP solle sich wehren, wenn ihr Klientelpolitik zum Vorwurf gemacht wird: "Wir sind eine Partei für das ganze Volk, denn nichts ist sozialer als Politik, die Arbeits- und Ausbildungsplätze schafft." Jene, die in den vergangenen Tagen eine Rückbesinnung auf klassisch-liberale Werte gefordert hatten, beruhigt der Parteichef - ohne sie direkt anzusprechen - mit einem Parforce-Ritt durch die Parteigeschichte: Bei der Einführung der sozialen Marktwirtschaft, beim Nato-Doppelbeschluss und bei der Deutschen Einheit seien Liberale standhaft geblieben und hätten scharfer Kritik getrotzt. Das sei ein Vorbild für die Gegenwart und Zukunft.

Westerwelles Mantra

Westerwelle ruft: "Wer ein Land führen will, muss bereit sein, Durststrecken zu ertragen. Wir haben den Mut, das Richtige zu tun, auch wenn wir nicht jeden Tag Schulterklopfen dafür erhalten." Zu viele Politiker fragten sich, wie ihre Maßnahmen ankommen, rügt der Parteichef. "Und zu wenige fragen sich: Was ist richtig für unser Land?" Dann bringt Westerwelle eine Abwandlung seines Mantras: "Tut das Richtige, denn das Richtige kommt auch an."

Nach elf Jahren rot-grüner Regierung sei nicht alles in einem Jahr zu berichtigen, verteidigt sich Westerwelle: "Nicht mal Herkules könnte das." Aber der Politikwechsel sei eingeleitet. Und dann sagt er wieder: "Die Richtung stimmt, der Anfang ist gemacht."

Der Parteichef eilt in seiner 70-minütigen Rede durch alle Politikfelder und ermahnt seine Parteifreunde zum Durchhalten. Egal, ob bei Steuervereinfachungen oder der Bildungspolitik, am Ende fast jedes Absatzes sagt Westerwelle: "Die Richtung stimmt, der Anfang ist gemacht."

Lediglich einmal trägt der Außenminister der aktuellen Debatte um seine Person Rechnung - als er sagt, die Politik der Liberalen sei "nicht richtig verstanden" worden: "Das wissen wir, das werden wir ändern, aber es muss gekämpft werden!" Mehr Selbstkritik ist nicht drin - Bürgerpflicht hin oder her.

Jene, die mit Westerwelle kämpfen sollen, scheinen zufrieden. Der Parteichef erntet keine Begeisterungsstürme, aber minutenlangen Zwischenapplaus. Mehrfach würgt er ihn ab, um die Rede nicht noch länger werden zu lassen. Wie seine Vorredner - Fraktionschefin Birgit Homburger, der Spitzenkandidat für die anstehende Landtagswahl in Baden-Württemberg, Ulrich Goll, Generalsekretär Christian Lindner und der baden-württembergische Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke - arbeitet sich der Vorsitzende an den Grünen ab: "Ob Sonne oder Regen, wir sind immer dagegen - das ist keine Haltung", sagt er.

Auch für die Linken hat er nur Spott übrig. Westerwelle ist gewohnt rhetorisch brilliant, er streut Kunstpausen ein, gestikuliert viel. Er kommt auf Sarrazin zu sprechen ("Das widerspricht dem, wofür wir Liberale stehen, aber die Meinungsfreiheit muss das aushalten") und umschmeichelt Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, als er ausführlich auf die Bürgerrechte eingeht.

Leutheusser-Schnarrenberger hatte sich zuvor für Christian Lindner als potentiellen Nachfolger stark gemacht. Jetzt nickt sie Westerwelle zu. Als der um 13:10 Uhr auf Afghanistan zu sprechen kommt, verlassen die ersten Zuhörer den Saal. Westerwelle entschuldigt sich für die Länge seiner Rede, aber einen letzten Punkt will er noch anbringen: "Man darf das eine oder andere kritisieren, aber man muss sich immer die Alternative vor Augen halten: Wir dürfen Deutschland nicht den Linken überlassen."

"Wir werden kämpfen, ich werde kämpfen", sagt Westerwelle abschließend und bedankt sich mit Fingerzeig auf die grünen Rebellen im Oberrang bei jenen, "die freiwillig sitzen geblieben sind".

Er sieht dabei sehr zufrieden aus. Und nicht nach einem, der gerade den vielleicht schwierigsten Moment seiner Karriere überstanden hat.

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