Dreikönigstreffen der FDP:Christian Lindner rechnet ab

FDP-Chef Christian Lindner

Dreikönigstreffen der FDP: Parteichef Christian Lindner will sich von Veteranen nichts sagen lassen.

(Foto: dpa)

Der FDP-Chef nutzt das Dreikönigstreffen, um klar zu machen, dass er sich von Parteiveteranen nichts mehr sagen lässt. Die deutsche Politik denkt er längst ohne Merkel.

Von Mike Szymanski, Stuttgart

Die FDP unter Christian Lindner ist auch eine Partei der bittersüßen Rache. Es ist gegen zwölf Uhr mittags am Samstag. Der Parteichef hat gerade die Hosenbeine seines Anzugs glatt gestrichen und erhebt sich aus einem schwarzen Sessel, der auf der Bühne steht. Er trägt sein Mikrofon am Kopf, wie ein Entertainer. So ist das heute in seiner neuen FDP. Jeder Auftritt eine Show, selbst wenn die Veranstaltung den etwas altmodischen Namen Dreikönigstreffen trägt und in der Stuttgarter Staatsoper stattfinden.

Lindner ist jetzt an der Reihe, das Treffen mit seiner Rede zum Höhepunkt zu führen. Das neue Jahr hat gerade begonnen. Er wollte den Ärger von 2017 hinter sich lassen, das Jamaika-Aus und die zwischenzeitlich gefallenen Umfragewerte, die Zweifel und Ängste in die Vergangenheit verbannen. Aber dann hat sich die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in einem Gastbeitrag für diese Zeitung zu Wort gemeldet: Sie warnte angesichts der Konkurrenz durch die AfD im Parlament vor einem Rechtsruck, trauerte einer Jamaika-Koalition nach, sprach die Verunsicherung in der FDP an und sagte, dass die FDP in der Opposition nicht viel erreichen könne. Kurzum: Sie störte den Frieden.

Lindner lässt so etwas natürlich nicht auf sich sitzen. Aber er hat seine ganz eigene Art, abzurechnen. Er erzählt nun auf der Bühne, wie er 2010 als neuer Generalsekretär zum ersten Mal hier oben gestanden habe. Damals war die FDP neu in der Regierung und Leutheusser-Schnarrenberger Justizministerin.

Genüsslich legt Lindner dem Publikum dar, dass die FDP damals, als Regierungspartei, auf drei Prozent in den Umfragen abgesackt sei, obwohl sie "starke Persönlichkeiten" in ihren Reihen gehabt habe wie "exemplarisch unsere verdienstvolle, liebe Freundin" Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Von den Veteranen will Lindner sich nichts mehr sagen lassen

Für den Fall, dass jemand im Publikum ihn an dieser Stelle noch nicht verstanden haben sollte, führt er später noch einmal aus: Die FDP, die er aus der außerparlamentarischen Opposition zurück in den Bundestag geführt habe, sei nicht mehr "dieselbe FDP", die aus dem Bundestag ausgeschieden sei: Neue FDP = Lindner. Alte FDP = Leutheusser-Schnarrenberger. Und von den Veteranen, die die FDP ins Aus geführt haben, will er sich nichts mehr sagen lassen.

Überhaupt. Dieses Dreikönigstreffen erlaubt einen tiefen Blick ins Innenleben der Partei. Lindner selbst thematisiert es auf der Bühne. Es soll jetzt alles neu sein in seiner Partei. In diesen Tagen fühlt es sich aber vor allem merkwürdig frostig an.

Der Zwischenruf von Leutheusser-Schnarrenberger hatte umgehend Parteivize Wolfgang Kubicki auf den Plan gerufen: "Wer Christian Lindner stürzen wollte, müsste erst mich wegräumen", sagte Kubicki dem Focus. Er relativierte aber, er sehe nicht, dass irgendjemand die Idee hätte, Lindner zu stürzen. Aber sollte es so weit kommen, wissen die Leute jetzt, dass sie es mit Kubicki zu tun bekämen. Nur - wer schützt Lindner vor Kubicki - für den Fall, dass dieser ihm gefährlich würde?

Über deren Verhältnis ließ Kubicki sich nämlich auch aus: "Christian Lindner und ich haben eine freundschaftliche Verbindung. Aber wir besitzen zu wenig private Berührungspunkte, als dass ich ihn als Freund bezeichnen könnte." Als beide zusammen 2013 anfingen, die Partei wieder aufzubauen, versprachen sie sich in die Hand, einander in den nächsten vier Jahren nicht in den Rücken zu fallen - diese Vereinbarung gelte weiter. Christian Lindner sagt in der Staatsoper, die FDP sei eine Partei von Individualisten, die dann zur Stärke finde, wenn diese zu Teamwork fähig seien.

Lindner arbeitet sich an Kanzlerin Merkel ab

Hätte die FDP Jamaika nicht auf den letzten Metern platzen lassen, würde Lindner an diesem Ort womöglich das Regierungsprogramm präsentieren. So aber beschäftigt sich die Partei an diesem Tag über weite Strecken mit sich selbst und mit jenen, die sie für ihre Lage mitverantwortlich macht. Wie selten zuvor wird deutlich, dass die FDP mit der Merkel-Union gebrochen hat. "Isch over", sagte Lindners Vorredner Michael Theurer, Chef der Südwest-FDP und Gastgeber des Dreikönigstreffens, in Anlehnung an die Worte des früheren Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble.

Auch Lindner arbeitet sich an der Kanzlerin ab: Man könne eine Gesellschaft "mit Ambitionslosigkeit unterfordern", reibt er ihr an einer Stelle hin. An anderer sagt er, die CDU sei unter Merkel überhaupt keine konservative Partei mehr.

Lindner denkt die deutsche Politik längst ohne Merkel. Er hatte das Dreikönigstreffen unter das Motto "Eine neue Generation Deutschland" gestellt. Was er und seine Parteistrategen sich darunter genau vorstellen, bleibt wolkig. Generalsekretärin Nicola Beer etwa sagte, auch ihre Eltern, jenseits der 80, stünden dafür, weil sie immer noch für dieses Land "fieberten".

Politikwechsel als Bedingung für künftige Regierungsbeteiligungen der FDP

Lindner denkt wohl vor allem auch an eine neue Generation von Politikern: Robert Habeck von den Grünen, Jens Spahn und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther bei der CDU, Alexander Dobrindt bei der CSU. Denen traut er etwas für die Zukunft zu. Mit Menschen wie ihnen will er Politik machen.

Das Dreikönigstreffen der FDP 2018 ist also nichts für Bescheidene. Wer erwartet hätte, dass Lindner das Jamaika-Aus bedauert, wird enttäuscht. Das Nein seiner Partei zum Bündnis bezeichnet er als "Investition in die Glaubwürdigkeit". Er macht nicht weniger als einen Politikwechsel zur Bedingung für künftige Regierungsbeteiligungen der FDP. In Bayern und in Hessen werden in diesem Jahr neue Landtage gewählt. Vielleicht kommt es sogar im Bund zur Neuwahl, wenn SPD und Union nicht zusammenfinden. Lindner ist bereit, zu warten.

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